Vergängliche Graffiti-Kunst: Planet Alsen in Itzehoe
Fotograf Setus Studt und Graffitikünstler Mirko Reisser, besser bekannt als DAIM, rekonstruieren die Kunstgeschichte auf dem Gelände der ehemaligen Alsenwerke.
Früher war hier alles von grauem Zementstaub bedeckt - genau genommen bis Anfang der 1980er Jahre, als in Itzehoe (Kreis Steinburg) die Alsenwerke noch Zement produzierten. In den 90er Jahren kamen dann die Sprayer auf das stillgelegte Werksgelände zwischen Stör und Bahn. Plötzlich hing der Geruch nach Farbe in der Luft - und es wurde bunt. Die Sprayer erschuffen ihr eigenes Outdoor-Museum.
Setus Studt: "Ein Stück Kunstgeschichte"
Dass hier Kunstgeschichte geschrieben wurde - und immer noch wird, sieht auch Setus Studt so. Er ist Fotograf und Vorstandsmitglied des Fördervereins Planet Alsen. Als es mit den Graffitis auf dem Gelände des Alsenwerkes losging, interessierte er sich vor allem für den Verfall der Gebäude. "Ich habe das alles dokumentiert, weil ich im Verfall ein Werden entdeckt habe", erzählt er. Dann fiel ihm ein Graffiti auf, das anders als die anderen aussah: dreidimensional und aufwendig gestaltet. Es stammte von Mirko Reisser, besser bekannt als DAIM, und war für Setus Studt der Auslöser, auch Graffiti zu fotografieren.
107 Schichten auf einer Wand: die Vergänglichkeit von Graffiti
DAIMs Werk von damals kann man längst nicht mehr auf dem Gelände von Planet Alsen entdecken. Setus Studt erzählt, dass er auf einer Wand bis zu 107 Farbschichten dokumentiert hat. "Graffiti ist eine vergängliche Kunst. Illegal gesprühte Bilder werden teilweise bereits einen Tag später beseitigt", bestätigt Mirko Reisser. Auch wenn ihn diese Vergänglichkeit nicht stört: Nach Itzehoe ist der Hamburger Graffitikünstler damals gekommen, weil es dort noch freie Wände gab. "In Hamburg waren alle Wände schon tausendfach belegt, da musste man seine eigenen Bilder immer wieder übersprühen."
Die freien Flächen in Itzehoe sprachen sich rum. Bald kamen Graffitikünstler aus ganz Deutschland und schließlich aus der ganzen Welt zum Sprühen nach Itzehoe. Oder wie es in einer Rezension im Internet über Planet Alsen steht: "Spannendes Museum. Künstler sind hier willkommen, da das Gestalten der Wände erlaubt ist." Inzwischen sind einige Wände abgerissen worden und es gibt nur noch Platz auf einem Schlämmbottich. Trotzdem: Planet Alsen ist zur Wall of Fame geworden, einem Ort für besonders erfahrene Sprayer.
Die Anfänge der Graffiti-Szene rekonstruieren
Heute sprüht Mirko Reisser hier nicht mehr. Er führt inzwischen vor allem Auftragsarbeiten aus, wie das weltweit höchste Wandgemälde in Kanada oder stellt seinen DAIM-Schriftzug in verschiedenen Variationen im "Woods Art Institute" in Wentorf bei Hamburg (Herzogtum Lauenburg) aus. Außerdem sortiert er gemeinsam mit Setus Studt dessen Fotografien von Planet Alsen. Wann sah welche Wand wie aus, wer hat neben wem gearbeitet - und wer wen übersprüht? "Es ist sehr spannend für mich zurückzuschauen, wie das Ganze mal angefangen hat - für mich, aber auch für die gesamte Szene."
Mirko Reisser und Setus Studt haben große Pläne mit diesen Rekonstruktionen, die der Fotograf auch als "digitale Ausgrabungen" bezeichnet. Ein Buch soll daraus entstehen, sowie eine Ausstellung in den Räumen des Fördervereins. Doch das ist nicht alles. Auch der Outdoor- und Mitmachteil des Museums soll durch neue Wände wieder vergrößert werden - für die ständig wechselnden Ausstellungen.