Stutthof-Überlebende: "Schlimme Erinnerungen bleiben"
Im Prozess gegen die ehemalige Sekretärin in der Kommandatur des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig, Irmgard F., hat am Dienstag eine Überlebende des Lagers ausgesagt.
Die 97 Jahre alte Israelin Towa-Magda Rosenbaum sagte per Videoschalte im Verhandlungssaal des Landgerichts Itzehoe aus. Sie war 1944 gemeinsam mit ihrer Schwester in Stutthof in Gefangenschaft gewesen. Rosenbaum berichtete von großem Hunger, einer Läuse-Plage und Schlägen von Aufsehern, wenn sie ihre Baracke verlassen wollte.
Peitschenschläge an der Tagesordnung
"Ohne Schläge kam man nicht heraus", sagte die Israelin. Die Peitschenschläge einer Blockaufseherin, ebenfalls ein Gefangene, hätten stundenlang auf ihrem Körper gebrannt. Im Oktober 1944, nach drei Monaten in Stutthof, sei sie in ein Außenlager ins heutige Torun in Polen verlegt worden. Dort sei es am schlimmsten gewesen.
Zeugin: Viele Gefangene sind verhungert
Der Hunger sei allgegenwärtig gewesen. Trotzdem hätten sie unter schwerster körperlicher Arbeit Schützengräben ausheben müssen. Von den 3.000 weiblichen Gefangenen seien die meisten verhungert. Die anderen seien neidisch auf die Toten gewesen, denn die hätten nicht wieder aufstehen brauchen.
In Auschwitz von der Mutter getrennt
Nur etwa 900 Frauen seien bei der Befreiung im Januar 1945 noch am Leben gewesen, viele von ihnen seien wenig später Krankheiten erlegen, sagte die Nebenklägerin, die aus Ungarn stammt. 1944 wurde Rosenbaum mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert, mit ihrer Schwester von der Mutter getrennt und nach Stutthof weitergeschickt.
Von Gaskammer und Menschenverbrennung nur gehört
Davon dass Menschen in Stutthof verbrannt wurden, habe sie während ihrer Gefangenschaft nur gehört, sagte Rosenbaum. Auch von einer Gaskammer habe sie nichts gewusst. Sie habe aber gehört, dass gesagt wurde: "Wir werden Seife sein." Erst später habe sie verstanden, das aus den Körpern der Verstorbenen Seife hergestellt worden sei.
Über Ungarn nach Israel
Nach dem Krieg ist Rosenbaum mit ihrer Schwester zunächst nach Ungarn zurückgekehrt. Dort habe sie festgestellt, dass ihr Elternhaus bei einem Pogrom nach der Deportation zerstört worden sei. Dennoch habe sie in Ungarn ein neues Leben begonnen, geheiratet und zwei Kinder geboren.
Weil Ungarn kommunistisch wurde, sei sie mit ihrer Familie nach Israel ausgewandert. Die guten Erinnerungen - aus dem Leben nach dem Lager in Stutthof - würden langsam verschwinden, aber die schlimmen aus dem Lagerleben würden bleiben, so die Zeitzeugin.
Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen
Die Angeklagte Irmgard F. verfolgte die Aussagen über einen Monitor und einen Kopfhörer, zeigte dabei keine Gefühlsregung. In dem Prozess wirft die Staatsanwaltschaft der ehemaligen Sekretärin Beihilfe an dem systematischen Mord an mehr als 11.000 Gefangenen vor. Durch ihre Schreibtätigkeit habe sie von allen Vorgängen gewusst. Da die Angeklagte zur Tatzeit 18 und 19 Jahre alt war, wird der Fall vor der Jugendkammer verhandelt.