Ein Tisch für die Zeugenvernehmung steht im Gerichtssaal im Landgericht Itzehoe. © dpa-Bildfunk Foto: Ulrich Perrey/dpa

Stutthof-Prozess: "Ich wurde geschlagen, ich wurde bespuckt"

Stand: 14.06.2022 18:03 Uhr

Vor dem Landgericht Itzehoe hat am Dienstag eine Überlebende des Konzentrationslagers Stutthof ausgesagt. Sie berichtete von viel Gewalt gegen Gefangene und davon, wie ihre Mutter an Typhus starb.

Eine Überlebende des Konzentrationslagers Stutthof hat am Dienstag im Itzehoer Prozess (Kreis Steinburg) gegen eine ehemalige KZ-Sekretärin von ihren Erfahrungen berichtet. Sie sagte etwa eine Stunde aus. "Ich wurde geschlagen, ich wurde getreten, ich wurde bespuckt", sagte die im australischen Melbourne lebende Halina Strnad über eine Videoverbindung. Als sie am Boden lag, sei sie vom Kommandanten des Lagers getreten worden. Ihr Schädel und ihre Rippen seien gebrochen gewesen, sie hätte nach dem Krieg zwei Mal operiert werden müssen. Für den Wurf eines Zettels mit einer Nachricht ins Männerlager von Stutthof sei sie ausgepeitscht worden, sagte die 95-Jährige, die im September 1944 mit ihrer Mutter von Auschwitz in das Lager bei Danzig gebracht worden war. Ihren Vater habe sie zuletzt in Auschwitz gesehen.

Mutter in Armen gestorben

Die Angeklagte Irmgard F. wird zu Beginn des Prozesstages von einer Mitarbeiterin des Gerichtsmedizinischen Dienstes in den Gerichtssaal begleitet. © picture alliance/dpa/dpa-pool | Daniel Reinhardt Foto: Daniel Reinhardt
Die 97 Jahre alte Irmgard F. steht vor Gericht.

Anfang 1945 seien fast alle gefangenen Frauen in ihrer Baracke an Typhus erkrankt, auch sie selbst, erklärte Halina Strnad. Ihre Mutter sei in ihren Armen gestorben. Die vielen Toten seien in einer Grube verbrannt worden, wie sie von Mitgefangenen erfahren habe. Im Lager habe es ständig danach gestunken. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie es möglich war, nicht zu wissen, was passierte, da es diesen permanenten Gestank nach verbrannten Leichen gab", sagte sie nach den Worten einer Übersetzerin.

Immer wieder Albträume - bis heute

Des Weiteren berichtete sie von Albträumen, die immer wieder bei ihr hochkämen, wenn sie von den Erlebnissen berichte. "Die Aufseherinnen waren sehr grausam, sie haben uns angespuckt und als Untermensch beschimpft. Immer wenn die Trillerpfeife kam, mussten wir antreten. Einmal mussten wir zusehen, wie ein Russe zu den Galgen gebracht wurde. Er sang dabei die russische Nationalhymne, bis er starb." Auch das sei lange Teil ihrer Albträume gewesen, berichtete Halina Strnad. Vor ein paar Jahren hätten die Albträume aufgehört. "Aber immer wenn ich davon erzähle sind sie wieder da, sehr präsent. Ich akzeptiere das. Ich bin ziemlich zäh."

Anklage: Beihilfe zum systematischen Mord

In diesem Prozess angeklagt ist die 97 Jahre alte Irmgard F., die heute in Quickborn (Kreis Pinneberg) lebt. Von Juni 1943 bis April 1945 soll Irmgard F. als Zivilangestellte in der Kommandantur des deutschen Konzentrationslagers bei Danzig gearbeitet haben. Durch ihre Schreibarbeit soll sie Beihilfe zum systematischen Mord an mehr als 11.000 Gefangenen geleistet haben. Weil sie zur Tatzeit erst 18 bis 19 Jahre alt war, findet der Prozess vor einer Jugendkammer statt. Sie äußerte sich zu den Vorwürfen bislang nicht vor Gericht.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 14.06.2022 | 15:00 Uhr

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