Studie: Offshore-Windparks gefährden Schweinswal-Population
Die Windkraft spielt eine entscheidende Rolle bei der Energiewende in Deutschland. Auch deshalb sollen in der Nordsee riesige Windparks entstehen. Doch eine Studie aus Büsum zeigt: Was gut für das Klima ist, ist schlecht für Schweinswale.
Schweinswale in der deutschen Nordsee leiden unter den zahlreichen Offshore-Windparks. Die Lebenserwartung der Tiere habe sich bereits verringert und ihr Gesundheitszustand sei schon schlechter geworden, sagt Professorin Ursula Siebert. Zusammen mit ihrem Team vom Institut für terrestrische und aquatische Wildtierforschung (ITAW) an der Tierärztlichen Hochschule Hannover hat sie eine Studie zum Thema Folgen der Offshore-Windparks für die Schweinswale vorgestellt.
Das Ergebnis lautet: Ein weiterer Offshore-Ausbau würde die Schweinswale aus ihren Lebensräumen verdrängen, und dies könnte langfristig auch Folgen für die Population der Tiere haben.
Renommiertes Team mit viel Erfahrung
Siebert leitet ein Team von 50 Forscherinnen und Forschern im Büsumer Hafen (Kreis Dithmarschen). Dort befinden sich Büros und Labore des ITAW, quasi eine Außenstelle der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo). In Sichtweite des Gebäudes im Büsumer Hafen liegt ein Forschungsschiff, mit dem die Mitarbeitenden selbst zu Touren aufbrechen. Ihre Hauptarbeit besteht aber aus dem Sezieren und Untersuchen von toten Seehunden, Schweinswalen und anderen Meeressäugern sowie dem Analysieren von Proben im Labor.
Mittlerweile haben sich die Büsumer Forscherinnen und Forscher internationale Anerkennung erworben, sie bekommen Tierkadaver aus vielen europäischen Ländern zur Untersuchung zugeschickt. "Zum Thema Folgen der Offshore-Windparks für Schweinswale haben wir schon 2005 erste Forschungen durchgeführt, im Windpark-Versuchsgebiet Alpha Ventus", sagt Siebert.
Schweinswale orientieren sich per Echo-Ortung
Wie auch andere Zahnwale leben Schweinswale blind unter Wasser. Sie orientieren sich anhand eines Echo-Ortungs-Systems und haben laut Siebert mehrere Organe, die daran beteiligt sind. Im Bereich des Kopfes einmal die Luftsäcke, die Melone, die sogenannten Monkey-Lips - alle sind bei der Schallaussendung beteiligt.
"Die Tiere können mit dem Schall ihre Umgebung abscannen. Der Schall wird von dem Objekt zurückreflektiert, vom Unterkiefer weitergeleitet an die Ohren, dann verarbeitet und schließlich an das Gehirn weitergeleitet", erklärt Siebert. Das sei natürlich ein sehr sensibler Apparat. Weil die Tiere auf ihre Hörfähigkeit angewiesen sind, habe man sich auf die Beeinträchtigungen durch Unterwasserlärm konzentriert, sagt die Professorin.
Mehrere Ursachen für Verdrängung der Schweinswale
Eine Zunahme der Schifffahrt in einigen Regionen ist laut der Studie eine Ursache, warum sich die Lebensbedingungen für Schweinswale verschlechtert haben. Durch Rammarbeiten und Kabelverlegungen für Offshore-Windparks sei es für die Schweinswale in der Nordsee aber noch schwieriger geworden, sagt Siebert.
Konkret bedeute das: Werden immer mehr Offshore-Windparks gebaut, werden die Tiere durch den Lärm orientierungslos. "Die Schweinswale werden aus ihren Habitaten verdrängt, es gibt immer weniger Rückzugsräume für sie. Denn die Zunahme des Lärms unter Wasser bedeutet für die Tiere eine Menge Stress und eine große Belastung für die Hörfähigkeit und ihren Gesundheitszustand", sagt die Leiterin des ITAW in Büsum.
Forscher untersuchen Auswirkungen
Es gehört zu den Hauptaufgaben der Büsumer Forscherinnen und Forscher zu untersuchen, welche konkreten Folgen ein weiterer Ausbau der Offshore-Windparks für die Schweinswale hat. Laut Siebert geht es auch darum zu zeigen, wo die Grenzen des Offshore-Ausbaus liegen, um die Population der Tiere nicht noch weiter zu gefährden. Dabei müsse man die Einflüsse der bestehenden und der geplanten Anlagen in die Beurteilung miteinbeziehen, um diese Informationen dann an die Politik weiterzugeben.
Offshore-Betreiber fordern weitere Studien
Die deutsche Offshore-Wirtschaft verlangt eine Gesamtbeurteilung aller Umweltfaktoren in der Nordsee in Bezug auf die Schweinswale. Es sei unbestritten, dass der Offshore-Ausbau Folgen für die Schweinswale habe, sagt die Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Windenergie, Karina Würtz. Aber man müsse auch militärische Aktivitäten in den Meeren, chemische und pharmazeutische Belastungen, die Fischerei und Sprengungen von Munitionsaltlasten berücksichtigen, wenn es um die Untersuchung der Lebensbedingungen für Schweinswale gehe. Man brauche deshalb weitere Forschungen, um ein realistisches Bild zu bekommen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Der Offshore-Ausbau sei aber unabdingbar, so Würtz weiter.
Umweltminister will handeln
Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. "Die Situation ist dramatisch. Dass es den Schweinswalen nicht gut geht, ist ein riesengroßes Problem. Es muss dringend etwas passieren." Der Minister spricht von einem Dilemma, weil man auf der einen Seite den Ausbau der Offshore-Windkraft brauche, um die Energiewende zu schaffen. Andererseits müsse man sich auch um den Schutz der Tiere kümmern.
Goldschmidt setzt zum Beispiel darauf, Ruheräume in bestimmten Regionen der Nordsee zu schaffen. Dort soll dann keine andere Nutzung erlaubt werden, damit sich zum Beispiel Schweinswale dorthin zurückziehen und erholen können. "Wir müssen dafür sorgen, dass bei dem Bau der Offshore-Windparks der Lärm reduziert wird - etwa durch sogenannte Blasenschleier", sagt Goldschmidt.
Blasenschleier sind akustisch dämpfende Elemente. Durch spezielle Luftsprudelanlagen wird Luft rund um ein Bohrloch von Fundamenten für Offshore-Anlagen geblasen. Dadurch wird der Lärm reduziert. Besonders hörempfindliche Meeressäuger wie Schweinswale und Seehunde können so geschützt werden. Grundsätzlich hält Goldschmidt den Bau weiterer Offshore-Windparks in der Nordsee für vertretbar.
Siebert fordert neue Konzepte für Meeresnutzung
Auch Professorin Ursula Siebert sieht eine große Herausforderung für Wissenschaft und Politik. Klimawandel und Energiewende seien sehr wichtig, gleichzeitig müsse man aber die heimische Biodiversität und damit auch die Tiere schützen. Die Meeresforscherin appelliert deshalb, beim Ausbau von Offshore-Windparks Maß zu halten. "Und das bedeutet: Wir müssen neue Konzepte für die Nutzung der Meere anwenden, und wir müssen bestimmte Lebensräume uneingeschränkt den Tieren überlassen."