Schweinswale in der Nordsee: Verbände fordern besseren Schutz
Strengere Fischereirechte, reduzierte Geschwindigkeit für Schiffe, besserer Lärmschutz: Umweltverbände haben auf Sylt gegenüber Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) mehr Regeln im Walschutzgebiet gefordert.
Schweinswale sind Deutschlands einzige Walart - zumindest dann, wenn nicht gerade wie kürzlich auf Sylt ein Pottwal angeschwemmt wird. Nachdem die Aufmerksamkeit dort in dieser Woche zunächst ausschließlich dem gut 14 Meter langen Kadaver galt, beschäftigten sich Naturschützerinnen und Naturschützer auf der Norseeinsel am Mittwoch mit den deutlich kleineren Schweinswalen. Die rund 2,5 Meter langen Tiere sind in Deutschland vom Aussterben bedroht. Acht Naturschutzverbände haben deshalb Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) ein Positionspapier überreicht, in dem sie strengere Regeln für das Walschutzgebiet westlich von Sylt und Amrum fordern. Das Schutzgebiet wurde 1999 als Teil des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer eingerichtet.
Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums gibt es in der Nordsee derzeit etwa 330.000 Schweinswale. Darunter leben nach Schätzungen des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) in Büsum (Kreis Dithmarschen) von September 2023 zwischen 13.250 und 27.000 Tiere in der deutschen Nordsee.
"Im schleswig-holsteinischen Wattenmeer haben wir einen leicht negativen Trend, deshalb sind die Forderungen wichtig, die die Naturschutzverbände heute gestellt haben", heißt es vom Ministerium.
Flächendeckendes Stellnetzverbot im Schutzgebiet gefordert
Zu dem Bündnis der acht Naturschutzverbände zählen unter anderem die Schutzstation Wattenmeer, der Naturschutzbund NABU und die Umweltschutzorganisation WWF. In dem Walschutzgebiet ist der Einsatz von Stellnetzen bislang nur in einem drei Seemeilen (5,6 Kilometer) breiten Teilabschnitt entlang der beiden Inseln verboten. Stellnetze sind Fischernetze, die unter Wasser mit Schwimmern oder Ankern ähnlich wie ein Volleyballnetz gespannt werden.
Das Bündnis forderte von Umweltminister Goldschmidt eine Ausweitung des Stellnetzverbotes auf das gesamte Schutzgebiet. "Dies muss für Fangschiffe aller Nationen gelten, wofür mit Dänemark und den Niederlanden eine Einigung vorangetrieben werden sollte", heißt es vom Bündnis. Die Fischerei im gesamten Schutzgebiet solle demnach einer "Verträglichkeitsprüfung" unterzogen werden. "Diesen Appell nehme ich mit nach Kiel, dass wir zu einem Verbot der Industriefischerei im Walschutzgebiet kommen und auch die Stellnetze auf Dauer herausbekommen aus dem Schutzgebiet", sagte Goldschmidt NDR Schleswig-Holstein.
Fischereiverband: Keine einheitlichen Regeln in der EU
Der schleswig-Holsteinische Landesfischereiverband kritisiert, dass Einschränkungen bei der Stellnetzfischerei zwar für deutsche Fischer gelten, aber keine EU-Anerkennung genießen. "Alle anderen Anrainer sind von der Einschränkung nicht betroffen und können wie gewohnt in dem Gebiet weiter ihre Fischerei ausüben", sagte der Vorsitzende Lorenz Marckwardt. Beim Thema Beifang gebe es keine Probleme mit dem Schweinswal: "Es wird seit über zehn Jahren kein Netz mehr von der deutschen Fischerei ausgelegt, das den Schweinswal gefährden kann."
Auch das Fischereiministerium steht neuen Verboten kritisch gegenüber: "Die Stellnetzfischerei ist im Walschutzgebiet vor Sylt innerhalb der 3-Seemeilen bereits verboten. Eine Ausweitung des Verbotes würde erneut zusätzliche Einschränkungen für die Fischerinnen und Fischer in Schleswig-Holstein bedeuten, die bereits jetzt vor großen Herausforderungen stehen", heißt es vom Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz.
Reduzierung von Geschwindigkeit: Goldschmidt skeptisch
Das Bündnis fordert außerdem, dass es langfristig keine Schnellfahrkorridore für die Schifffahrt mehr im Schutzgebiet gibt - während der Fortpflanzungszeit im Frühjahr und Sommer soll die Geschwindigkeit demnach im gesamten Schutzgebiet auf zwölf Knoten (rund 22 Stundenkilometer) reduziert werden. Derzeit liegen die Begrenzungen laut dem Bündnis bei 16 Knoten beziehungsweise bei 24 Knoten in Schnellfahrkorridoren.
"Geschwindigkeitsbegrenzungen für die Schifffahrt wurden im vergangenen Jahr bereits in Kraft gesetzt. Da halte ich es ehrlicherweise nicht für realistisch, dass wir den gefundenen Kompromiss wieder aufmachen", sagt Umweltminister Goldschmidt. Man müsse nun allerdings sicherstellen, dass die bestehenden Begrenzungen auch eingehalten werden.
Bündnis will strenge Auflagen für Offshore-Bauvorhaben
Die Naturschutzverbände verweisen auch auf Lärmemissionen beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen. "Mögliche Folgen für Schweinswale wurden in zahlreichen Studien untersucht und reichen von Hörverlust und Gehörschädigungen bis hin zu Verhaltensstörungen und Vermeidungsreaktionen", heißt es. Deshalb brauche es strenge Lärmschutzauflagen. Offshore-Windkraftanlagen sollten demnach nur außerhalb von Meeresschutzgebieten genehmigt werden. Minister Goldschmidt verwies auf Lärmminderungstechniken wie sogenannte Blasenschleier, die beim Bau von Offshore-Anlagen bereits zum Einsatz kommen würden.
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