Schockvideos vom Brand in Flensburg: Was Eltern tun können
Wie damit umgehen, wenn Internet-Videos Kinder traumatisieren? Nach den Gaffer-Aufnahmen vom tödlichen Großbrand in Flensburg sind dort Experten an Schulen unterwegs. Auch Eltern können helfen.
Über Soziale Netzwerke wie TikTok verbreiteten sie sich rasend schnell: Smartphone-Videos vom Großbrand mit zwei Toten in einem Flensburger Mehrfamilienhaus am vergangenen Donnerstag. Handyfilmer halten mit ihren Kameras und maximaler Skrupellosigkeit drauf, während sich vor ihren Augen unermessliches Leid abspielt. Die Polizei ermittelt gegen die Urheber der Videos. Folgen dieses illegalen Verhaltens sind auch in der Woche danach an Flensburger Schulen noch deutlich zu spüren, denn besonders unter Kindern und Jugendlichen gingen die Aufnahmen viral.
Großer Gesprächsbedarf an Schulen
Damit hat nun auch Gönna Hartmann-Petersen zu tun, die Koordinatorin der Notfallseelsorge im Kreis Schleswig-Flensburg: "Das Team der Schulpsychologin ist in den Schulen tätig und auch die Schulsozialarbeiterinnen arbeiten seit Freitag fast ununterbrochen. Sie sind nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern ansprechbar." Auch der Kinder- und Jugendhospizdienst vom Katharinen Hospiz sei mit einbezogen worden. Die Nordkirche kommt in dieser Woche mit Seelsorgern an drei Vormittagen in Flensburger Schulen. "Bei den Gesprächen in den Klassen waren die Filme aus den Sozialen Netzwerken ein großes Thema", so Hartmann-Petersen. "Viele Kinder kannten diese Videos. Das sind Bilder und Erfahrungen, die dringend aufgefangen werden müssen."
"Solche Eindrücke sind dramatische Erschütterungen"
Es sei vor allem die räumliche Nähe der Geschehnisse, die auf Kinder so verstörend wirke, sagt Dr. Annegret Eckhart-Ringel, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Krankenhaus Itzehoe. "Je näher das Gesehene an meinem Alltag dran ist, desto größer ist auch das empfundene Risiko, dass auch mir so etwas passieren kann." Deswegen sei es sehr wichtig, dass Eltern zuallererst die Gefahr einordnen und erklären, warum so ein Szenario unwahrscheinlich ist. "Solche Eindrücke sind dramatische Erschütterungen und es ist normal, dass Kinder und auch Jugendliche sich danach zwischenzeitlich verschließen", erklärt Eckhart-Ringel. Wenn der Zustand aber über mehrere Wochen anhalte, sollte man sich professionelle Hilfe suchen.
Experte: Eltern sollten nicht sanktionieren, sondern erklären
Marcel Schroeder ist Referent für Medien und digitale Partizipation bei der Aktion Kinder- und Jugendschutz in Schleswig-Holstein. Er arbeitet unter anderem daran, dass Kinder und Jugendliche einen digitalen moralischen Kompass entwickeln. Für das Anschauen der Videos sollten Eltern ihre Kinder nicht sanktionieren, wohl aber erklären, was es bedeutet, diese Inhalte zu verbreiten, erklärt Schroeder. "Eltern müssen immer wieder fordern, diese Videoaufnahmen nicht weiter zu teilen, und auch deutlich machen, dass es falsch ist, Aufmerksamkeit und Anerkennung auf Kosten des Leides anderer Menschen zu generieren."
Unabhängig von Krisensituationen wie in Flensburg müssten Eltern mit ihren Kindern regelmäßig darüber sprechen, was sie in den Sozialen Netzwerken bewegt und was sie sich im Internet warum anschauen, findet auch Annegret Eckhart-Ringel. Das gehe durchaus ohne erhobenen Zeigefinger und Vorschriften: "So erfahren Eltern auch umgekehrt von ihren Kindern, was im Internet passiert, und können davon profitieren."