Brand Flensburg: Wehrführer spricht von herausforderndem Einsatz
Vier Freiwillige Feuerwehren, ein Löschzug der Berufsfeuerwehr und 13 Rettungswagen waren innerhalb weniger Minuten am Einsatzort. Der Flensburger Feuerwehr-Chef Carsten Herzog berichtet von dem außergewöhnlichen Einsatz.
Herr Herzog, das war ein nicht ganz alltäglicher Einsatz für die Flensburger Feuerwehren. Was war die besondere Herausforderung?
Carsten Herzog: Wir sind um 16.47 Uhr alarmiert worden und waren acht Minuten später an der Einsatzstelle. Da haben wir es mit einer doch sehr großen, außergewöhnlichen Brand- und Rauchausbreitung zu tun gehabt. So ein Bild sieht man um diese Tageszeit ganz selten. Die ersten Einsatzkräfte haben berichtet, dass Menschen versucht haben, sich selber zu retten. Andere haben versucht, diese Menschen bei ihrer Rettung zu unterstützen. Es standen viele drumherum, die mitgefiebert haben. Das ist total außergewöhnlich und in Flensburg glücklicherweise nicht alltäglich.
Für die Kameraden, die ins Gebäude gegangen sind, war es besonders schwer. Da sind auch Teile während der Löscharbeiten eingestürzt. Was hat sich da im Inneren abgespielt?
Herzog: Wir hatten mehrere Trupps im Innenangriff, um die Menschen zu retten. Nicht nur im Dachstuhl war schon ein ausgedehnter Brand. Das Feuer hatte schon auf den Treppenraum übergegriffen. Das heißt also, wir kamen über die Treppe nicht mehr ins Obergeschoss, sondern mussten dann mit der Drehleiter arbeiten. Und das war sehr herausfordernd für die Einsatzkräfte.
Wie ist das zu erklären, dass sich das Feuer so schnell ausbreiten konnte?
Herzog: Dazu kann ich noch nicht viel zu sagen, weil das Teil der Ermittlungsarbeiten ist. In der Harrisleer Straße ist eine relativ alte Bebauung. Flensburg hat ja im Krieg Glück gehabt, das nicht so viel kaputtgegangen ist, weil es keine großen Angriffe gegeben hat. Der Treppenraum war ziemlich sicher aus Holz, das führt zu einer größeren Brandausbreitung. Aber die Details entziehen sich unserer Kenntnis.
Nachbarn und Anwohner haben uns berichtet, dass es eine diffuse Situation auf der Straße gab. Da gab es Leute, die mit angepackt haben und helfen wollten, und andere Leuten, die nur daneben und auch teilweise im Weg standen. Was haben da Ihre Kameraden erlebt, als sie ankamen?
Herzog: Also unsere Kollegen haben mir berichtet, dass sich um das Gebäude herum weit über 100 Personen aufgehalten haben. Einige davon haben versucht zu helfen. Deswegen würde ich da auch nicht von Behinderung der Einsatzkräfte sprechen wollen. Sondern die Menschen haben im Guten versucht, anderen zu helfen. Die waren aber natürlich auch sehr aufgeregt, und wir mussten dann uns Platz verschaffen, um unser Einsatzmaßnahmen durchführen zu können. Dafür brauchen wir in der Tat auch Unterstützung von der Polizei. Aber das war nach meiner Einschätzung keine Behinderung der Einsatzkräfte im engeren und böswilligen Sinne.
Es gab auch andere Menschen, die weiter wegstanden und sich das angeguckt haben. Die waren wahrscheinlich auch geschockt. Das ist die ganze Bandbreite bei so einem spektakulären Ereignis. Man ist sehr betroffen, wenn man daneben steht und so was nicht kennt. Selbst wir kennen so etwas - in dem Ausmaße - kaum.
Können Sie denn die Menschen verstehen, die auf eigene Faust versuchen, mit anzupacken und zu helfen? Es ist in der Koordination der Einsätze bestimmt nicht einfach, wenn es so viele Leute gibt, die mithelfen wollen.
Herzog: Also solange sich Menschen nicht selber in Gefahr begeben, ist es sogar Bürgerpflicht zu helfen, finde ich. Das können Laien natürlich schwer abschätzen. Keiner weiß genau, wie er in so einer Situation reagieren würde, wenn er das nicht schon selber erlebt hat. Nichts zu tun, ist definitiv verkehrt. Auf jeden Fall sollte man einen Notruf absetzen und den Einsatzkräften schon auf der Anfahrt schildern, mit was sie es dort zu tun haben. Das erleichtert die Einsatzmaßnahmen kolossal. Und wenn man sich nicht selber gefährdet, kann man auch gerne helfen. Nicht nur im Rettungsdiensteinsatz, wenn einer umgefallen ist, sondern auch bei so einer Situation. Aber auf keinen Fall sollte sich jemand selber in Gefahr begeben.
Sie sagen, Gaffer waren hier nicht das Problem beim Einsatz selber. Trotzdem gibt es Videos - darüber spricht zumindest die Polizei und warnt davor, diese weiterzuverbreiten, weil es wohl schockierende Aufnahmen auch sein soll. Das begegnet Einsatzkräften wie Ihnen ja vermutlich immer häufiger, oder?
Herzog: Ja, wir haben über die Kollegen der Polizei davon gehört, und zum Teil auch gesehen, was dort verbreitet wurde. Das finden wir null tolerabel. Dort haben Menschen um ihr Leben gekämpft. Und diese Menschen haben Angehörige und das ist in mindestens zwei Fällen auch nicht gut ausgegangen. Nun stelle man sich selber vor, man bekommt ein Video in den sozialen Medien, von Freunden oder wem auch immer zugespielt, wo man seine eigenen Angehörigen in so einer Situation sieht. Das wünscht sich kein Mensch. Das ist aus meiner Sicht gegen die Menschenwürde. Das ist nicht zu tolerieren, das darf nicht passieren. Das würde man sich selber auch nicht wünschen. Man sollte nichts tun, was man nicht selber auch wollen würde. Und das will man definitiv nicht!
Das Interview führte NDR Schleswig-Holstein Reporter Jörg Jacobsen.