Rücktritt: Kieler Uni-Präsidentin Fulda stellt Amt zur Verfügung
Die Präsidentin der Christian-Albrechts-Universität (CAU) in Kiel, Simone Fulda, tritt zurück. Das hat die Professorin am Samstagabend bekannt gegeben.
Die CAU-Präsidentin zieht damit die Konsequenzen aus Vorwürfen, dass es Datenmanipulationen in früheren wissenschaftlichen Arbeiten gegeben habe, für die Simone Fulda als leitende Autorin inhaltlich verantwortlich war. "In Verantwortung für die Universität und schweren Herzens gehe ich diesen Schritt“, sagte Fulda. Am Sonnabend hatte die Professorin Wissenschaftsministerin Karin Prien (CDU) über ihre Entscheidung informiert. "Ich habe großen Respekt für diese Entscheidung", teilte Prien mit.
Prien: Fulda weist Vorwürfe zurück
Fulda hatte am Mittwoch gegenüber NDR Schleswig-Holstein die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Prien erklärte am Samstagabend Fulda sei sicher, dass eine Prüfung der deutschen Forschungsgemeinschaft diese Vorwürfe entkräften werde, erkenne aber die aktuelle Debatte als Schaden für sich und den Hochschulstandort Kiel. "Die im Raum stehenden Vorwürfe hätten über Monate die Exzellenzanstrengungen der CAU überschattet, selbst wenn sich - wovon Frau Prof. Fulda fest ausgeht - alle Vorwürfe am Ende der Untersuchung in Wohlgefallen auflösen", sagte die Wissenschaftsministerin.
CAU-Kanzlerin bedauert Rücktritt
Noch am Abend drückte Uni-Kanzlerin Claudia Ricarda Meyer ihr Bedauern über die Entscheidung aus. "Wir zollen ihr den größten Respekt für diese Entscheidung und danken ihr sehr für ihr außergewöhnliches Engagement in den vergangenen Jahren", sagte Meyer. Fulda habe sich in ihrer Amtszeit unermüdlich für die gesamte CAU eingesetzt. Bezüglich der Vorwürfe der Datenmanipulation sagte die Kanzlerin: "Diese Vorwürfe werden derzeit sorgfältig nach Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis durch die zuständigen Einrichtungen geprüft." Bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, gelte die Unschuldsvermutung.
Auch die Landesrektorenkonferenz zollte Fuldas Schritt großen Respekt. "Wir danken Simone Fulda für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit der vergangenen dreieinhalb Jahre, für ihr außerordentliches Engagement für die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und damit für den gesamten Hochschulstandort Schleswig-Holstein", wurde der Vorsitzende, Björn Christensen, der auch Präsident der Fachhochschule Kiel ist, am Sonntag in einer Pressemitteilung zitiert.
Wissenschaftler der CAU schreiben Brief an Uni-Präsidentin
In den vorausgegangenen Tagen hatte sich der Druck auf Simone Fulda erhöht - unter anderem wegen des Scheiterns aller Neuanträge in der Exzellenzstrategie. Am Mittwoch drückten Professorinnen und Professoren der medizinischen Fakultät in einem internen Brief an Fulda, aus, dass sie deswegen in Sorge seien. Das Schreiben liegt NDR Schleswig-Holstein vor. Die Uni hatte sich mit drei interdisziplinären Forschungsprojekten bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft beworben. Wäre die Uni erfolgreich gewesen, wären in jedem Exzellenzcluster drei bis zehn Millionen Euro Fördergelder jährlich möglich gewesen - sieben Jahre lang.
Außerdem hätten die Wissenschaftler die Vorwürfe im Bezug auf die früheren Arbeiten im Detail zu Kenntnis genommen. Das Kollegium hatte Fulda daher aufgefordert, alles zu unternehmen, um weiteren Schaden von der Universität abzuwenden.
Interims-Präsidium übernimmt die Uni-Leitung
Simone Fulda war seit Oktober 2020 Präsidentin der CAU in Kiel und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Bis das Präsidialamt wieder besetzt wird, leite ein Interims-Präsidium die Geschäfte der Uni, teilte die Uni am Sonnabend mit. Die Mitglieder des Gremiums sind: Vizepräsidentin Professorin Catherine Cleophas, Kanzlerin Claudia Ricarda Meyer, die Vizepräsidenten Professor Markus Hundt, Professor Eckhard Quandt und Professor Ralph Schneider. Die Hochschulleitung sei weiterhin voll funktionsfähig.
CAU: Neue Präsidentin oder neuer Präsident erst 2025
Auf NDR Nachfrage schrieb die Pressesprecherin der CAU, Eva Sittig, dass man davon ausgehe, im ersten Quartal 2025 eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten an der CAU begrüßen zu können: "Alle Beteiligten werden sich bemühen, das Verfahren zur Besetzung des Amtes der Präsidentin oder des Präsidenten an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel so zügig wie möglich und zugleich mit aller gebotenen Sorgfalt durchzuführen."
Wissenschaftsblog: Identische Bilder in verschiedene Forschungsreihen
Die Vorwürfe gegen Fulda hatte der Wissenschaftler Leonid Schneider Ende Januar in seinem englisch-sprachigen Wissenschaftsblog "For Better Science" erhoben. Nach Angaben des Biologen und Autors finden sich in früheren wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Krebsforschung, für die Fulda als leitende Autorin inhaltlich verantwortlich war, zahlreiche Fälle von Datenmanipulation. So sollen biomedizinische Abbildungen unterschiedlicher Forschungsreihen nahezu identisch gewesen sein. Laut Schneider ist das nicht möglich.
Vorwurf: Manipulation innerhalb eines Bildes
Desweiteren würden Abbildungen gespiegelt oder leicht verfremdet als Ergebnisse in anderen Forschungsreihen auftauchen. Die schwerwiegendste Anschuldigung im Blogbeitrag: Innerhalb von Abbildungen seien Teilbereiche identisch. Dafür müssten Fragmente ausgeschnitten, kopiert und an anderer Stelle im Bild wieder eingefügt worden sein. Der Autor sagte NDR Schleswig-Holstein, er habe für seine Recherchen auch mit Experten im Bereich der Bildbearbeitung zusammengearbeitet. Außerdem habe er der Professorin seine Kritik schon vor Wochen mitgeteilt und keine Antwort erhalten.
Professoren bestätigen Möglichkeit der Manipulation
Zwei von NDR Schleswig-Holstein unabhängig voneinander angefragte Professoren von anderen Hochschulen haben anhand der vorliegenden Abbildungen die Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten bestätigt. Sie wollen namentlich nicht genannt werden. Einer der Professoren teilte mit: Wenn die Abbildungen aus dem Artikel auch so in den Original-Arbeiten zu finden seien, sei das auf keinen Fall wissenschaftlich akzeptabel.
Der zweite Professor ging etwas weiter. Er hat stichprobenhaft die Vorwürfe in den Originalarbeiten geprüft und geht in seinem Ergebnis weiter: Nicht in allen Fällen könnten die Vorwürfe durch unachtsames Arbeiten erklärt werden. Demnach könne es zu Manipulationen gekommen sein.