Preetz: Ein Mann kämpft für die Wärmewende

Stand: 04.07.2023 05:00 Uhr

In vielen Kommunen entstehen aktuell Nahwärmenetze, vor allem in Neubaugebieten. In Preetz (Kreis Plön) dagegen kämpft ein Mann seit mehr als sieben Jahren dafür, dass Bestandsgebäude regenerativ mit Wärme versorgt werden. Mit Erfolg: Ende des Jahres soll endlich gebaut werden.

von Lea Schulze

Seit Wochen, wahrscheinlich Monaten dominiert die Heizungsdebatte den öffentlichen Diskurs. Wenn Manfred Machholz und Hans Eimannsberger mal wieder im Radio etwas über das Gebäudeenergiegesetz hören, dann lachen sich die beiden Preetzer ins Fäustchen. "Heute soll es ja endlich eine Einigung gegeben haben", sagt Eimannsberger und fügt hinzu: "Das ist gut, aber wir sind der Debatte um Längen voraus. Bei dem, was die Politik gerade plant, sind wir zweifelsohne Vorreiter."

Fulltimejob im Ehrenamt

Ein Finger deutet auf eine Broschüre. Auf dieser steht: "Silkeborg 156.700 Quadratmeter - The world largest solar heating installation - peak capacity 110 MW" © NDR Foto: Lea Schulze
Am Stadtrand von Preetz sollen auf einer Fläche vom 33.000 Quadratkilometern Solarthermiekollektoren Wasser auf 90 bis 95 Grad erhitzen.

Eimannsberger hat Energie- und Wärmetechnik studiert und 22 Jahre lang die Energieagentur Schleswig-Holstein geleitet, bis er 2014 in den Vorruhestand ging. Wirklich zur Ruhe gesetzt hat er sich allerdings nicht, im Gegenteil: Seit inzwischen sieben Jahren baut er mit großem Engagement federführend ein eigenes Nahwärmenetz für Preetz auf - ein Fulltimejob im Ehrenamt.

Für das Projekt hatte er schon 2017 eine Bürgergenossenschaft gegründet, deren Vorstand er gemeinsam mit Manfred Machholz bildet. Vorausgegangen war dem Projekt der Stadt Preetz eine Machbarkeitsstudie zu hundertprozentig regenerativer Energieversorgung.

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Stadtwerke hatten kein Interesse am Wärmenetz

Die Stadtwerke in Kiel und Preetz seien wenig interessiert gewesen, an der Umsetzung mitzuwirken, ebenso wie der Abwasserzweckverband. Wirtschaftliche Betriebe forderten eine zu hohe Marge. "Am Schluss ist nur noch die Genossenschaftslösung geblieben", erzählt Eimannsberger bei strahlendem Sonnenschein in seinem Garten. Um Mitglieder zu werben, hatte er selbst Klinken geputzt, ging von Tür zu Tür, mit Erfolg.

Fast 400 Mitglieder zählt die Genossenschaft inzwischen. Ende des Jahres soll der Bau der Anlage, die einmal rund 3.500 Haushalte beziehungsweise 8.000 Menschen im Westen der Stadt Preetz mit Wärme versorgen könnte, an den Start gehen. Rund ein Jahr später sollen die ersten Haushalte von dieser mit Wärme versorgt werden, so die aktuelle Planungsgrundlage der Genossenschaft.

33.000 Quadratmeter Solarthermiefläche

Eine kupferfarbene Platte mit einem Steg der sich in der Mitte von oben nach unten über die gesamte Platte erstreckt. © NDR Foto: Lea Schulze
Solche Rohre verlaufen im Inneren der Solarthermieanlage. In ihnen wird das Wasser von der Sonne auf bis zu 95 Grad erhitzt.

Die Genossenschaft hat von einem Landwirt eine Fläche gepachtet, auf der eine solarthermische Anlage mit 33.000 Quadratmeter Fläche entstehen soll. Wasser wird durch schwarze Rohre geführt, das von der Sonne dann auf 90 bis 95 Grad erhitzt wird. Zwischen März und Oktober ist sie stark genug dafür. Die so entstandene Wärme kann für wolkenreiche Tage in einem 100 Millionen Liter fassenden Erdbecken gespeichert werden.

Mit diesem Wasser können die angeschlossenen Haushalte bis in die erste Dezemberhälfte erwärmt werden. Danach übernehmen - bis die Sonne im Frühjahr wieder stark genug ist - Hackschnitzel-Kessel, die nur Grünabfälle aus der Knickpflege verbrennen. Eimannsberger: "In Dänemark gibt es bereits rund 170 solcher Wärmeversorgungssysteme. In Schleswig-Holstein gibt es 55.000 Kilometer Knick, es wäre dumm, das nicht zu nutzen."

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Großwärmepumpen und Pyrolyse

Für den Bau der Anlage werden unter anderem drei große Holzhackschnitzelkessel, drei Großwärmepumpen und zwei Pyrolyseanlagen benötigt. Die Großwärmepumpen funktionieren ähnlich wie die bekannten Wärmepumpen, mit denen Einfamilienhäuser mit Wärme versorgt werden können. In einer Pyrolyseanlage wird aus Biomasse - wie beispielsweise Hackschnitzeln - Biokohle hergestellt, die unter anderem als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Bei diesem Verkohlungsprozess, der sogenannten Pyrolyse, entsteht Abwärme, die in Preetz genutzt werden soll.

Geplante Baukosten auf 22 Millionen Euro gestiegen

Die Kosten belaufen sich inzwischen auf rund 22 Millionen Euro. Das hänge auch mit dem Krieg in der Ukraine und der Inflation zusammen, erklärt Eimannsberger. "2017 waren wir mit 9,5 Millionen Euro gestartet, aber die Preise sind so enorm gestiegen." Da bekomme man die Finanzierung nicht mal eben aus dem Ärmel geschüttelt.

Als besondere Hürde erwiesen sich außerdem die Genehmigungsverfahren, die seitens des Landschaftsschutzes, des Gewässerschutzes, des Grünzugs der Stadt Preetz und der FFH-(Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie)-Gebiete erforderlich waren. "Fast hätte uns die Haselmaus einen Strich durch die Rechnung gemacht", erinnert sich Eimannsberger schmunzelnd. "Die ist extrem geschützt im Kreis Plön. Es wurden Lebendfallen hier in der Umgebung aufgestellt, wäre auch nur eine gefunden worden, wäre unser ganzes Projekt gestorben."

Manfred Machholz, der früher in der Gesundheitsbranche tätig gewesen ist, kam zufällig zu dem Projekt. Auslöser war ein Vortrag zu dem Thema. Von der Idee klimaneutral zu heizen, sei er sofort begeistert gewesen. "Fachlich musste ich mich natürlich ganz schön in die Sache reinfuchsen."

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Startfinanzierung leisten die Mitglieder

Zumindest der Start des Projekts wird von den Genossenschaftsmitgliedern selbst getragen: 250 Euro Eintrittsgeld kostet die Mitgliedschaft, hinzu kommt der Kauf von mindestens 15 Genossenschaftsanteilen und ein Baukostenzuschuss von 7.000 Euro, so Eimannsberger. "Mit dem dicken Daumen kostet die Heizung jeden Haushalt knapp 9.000 Euro. Aber dafür gibt es auch eine komplett neue Heizung und ein Rundumsorglospaket. Geht etwas kaputt, dann kümmert sich die Genossenschaft."

Ihnen sei sehr wohl bewusst, dass das für viele Menschen zu viel Geld sei, für Rentner etwa, Alleinerziehende, wirft Machholz ein. "Aber wir freuen uns über jeden, der es versuchen will. Wir alleine können die Welt nicht retten, aber einer muss den Anfang machen."

Auszeichnung als "Energieheld"

Hans Eimannsbergers eigenes Haus fällt übrigens nicht in den Einzugsbereich des Projektes. Es gehe ihm nicht um sich selbst, sagt er. "Ich habe in meinem Beruf gut verdient, viele interessante Menschen kennengelernt. Ich habe immer gedacht, dass ich der Gemeinschaft mal etwas zurückgeben will. Das kann ich mit meinem Einsatz hier in Preetz."

Für sein Engagement ist Eimannsberger von der EnergieOlympiade, dem Energiesparpreis für Kommunen in Schleswig-Holstein, mit dem Sonderpreis "Energiehelden" ausgezeichnet worden. Dotiert ist dieser mit 1.000 Euro. Mit dem Preisgeld will er das ganze Team, Aufsichtsrat, Vorstand und das Werkteam, zum Essen einladen.

 

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 03.07.2023 | 19:30 Uhr

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