Ostsee-Sturmflut: Ministerpräsident Günther mahnt Hilfen vom Bund an
Das Kanzleramt hat nach Informationen von shz.de die Absage von Sturmfluthilfen bestätigt. Nun fordert Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) erneut, dass die Bewältigung der Schäden gemeinsam mit dem Bund gelöst wird.
Zusammen mit seiner Amtskollegin Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern erinnert Günther Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Brief an seine Zusage für finanzielle Hilfe und bringt die konkrete Erwartung zum Ausdruck, dass der Bund sich angemessen beteiligt: "Ich bin frohen Mutes, aber mittlerweile auch in einer klaren Erwartungshaltung, dass der Bundeskanzler sein Wort hält und Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern in dieser Situation unterstützen wird."
Günther reagiert auf Absage von Scholz
Zuletzt hatte Scholz Hilfen vom Bund an Schleswig-Holstein eine endgültige Absage gegeben. Das berichtete shz.de. Demnach argumentiert ein Kanzleramtssprecher wie schon zuvor das Bundesfinanzministerium: Für den Ausgleich von Schäden im Fall von Naturkatastrophen seien nach dem Grundgesetz die Länder zuständig. Eine Ausnahme gebe es demnach nur im Fall von Naturkatastrophen mit nationalem Ausmaß. Nur dann könne der Bund Finanzhilfen geben, so ein Fall liege hier aber nicht vor. Günther bezeichnet die Situation in dem Brief als "extrem unbefriedigend" und zeigt sich enttäuscht darüber, dass bis jetzt nur Informationen weitergegeben würden, aus welchen Töpfen keine Mittel fließen könnten. Es müsse nun aufgezeigt werden, in welchen Berreichen der Bund Verantwortung trage.
Bisher keine Gelder vom Bund
Rund zwei Monate liegt die Jahrhundert-Sturmflut an der Ostsee nun zurück - und noch ist kein Geld der Bundesregierung zur Bewältigung der Schäden geflossen. Bis zum 27. November hätte nach der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November eine Reaktion aus Berlin kommen sollen. Günther zeigt Verständnis für die aktuelle Lage der Bundesregierung, betont aber auch, dass er von Tag zu Tag ungeduldiger werde.
Eine eingesetzte Arbeitsgruppe hatte in Berlin mehrfach getagt. Auf dieser Grundlage war das Bundeslandwirtschaftsministerium zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sturmflutschäden in Schleswig-Holstein nicht als Naturkatastrophe von nationalem Ausmaß bewertet werden. Laut Günther gibt es allerdings keine Regelung, die besagt, dass sich der Bund nur bei Schadensereignissen nationalen Ausmaßes beteiligen dürfe.
Zuspruch von Bundeswirtschaftsminister Habeck
Günther und Schwesig betonen im Brief an den Kanzler die Schadenshöhe von 250 Millionen in Schleswig-Holstein und rund 50 Millionen in Mecklenburg-Vorpommern. "Auch vor dem Hintergrund, dass es sich beim Küstenschutz um eine Gemeinschaftsaufgabe handelt, ist es von großer Bedeutung, dass sich unsere Gemeinschaft in dieser Situation solidarisch zeigt", heißt es in dem Schreiben an den Kanzler. Auch wenn nicht über konkrete Summen gesprochen wurde, müsse nun schnell eine angemessene Lösung gefunden werden. Am Dienstag habe Günther mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gesprochen. Dieser habe die Aussagen des Kanzlers auch als Zusage verstanden, betonte Günther. Habeck war nach der Sturmflut nach Schleswig-Holstein gekommen, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. "Die Nachricht vom Wochenende kam auch für mich überraschend. Ich setze mich dafür ein, dass man sich das in der Regierung noch mal anschaut", sagte er am Dienstag.
Post vom SPD-Parteikollegen aus Schleswig-Holstein
Auch Scholz' SPD-Parteikollege und Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein, Sönke Rix, schickte dem Kanzler am Dienstag in dieser Sache einen Brief. Die Infrastruktur in Wassernähe in Stadt und Land sei nicht nur wichtig für die Menschen in der Region, sondern auch für die Vielzahl an - insbesondere innerdeutschen - Touristen und Touristinnen, die Schleswig-Holstein jedes Jahr besuchen, argumentiert Rix. "Nicht nur die Schleswig-Holsteiner*innen sollten beim Wiederaufbau zusammenstehen, sondern auch die Bundesländer", schreibt er weiter. Die Annahme eines nicht vorhandenen Schadens mit nationalem Ausmaß sollte dringend überprüft werden, fordert Rix den Kanzler auf.
Schäden nicht vergleichbar mit Überschwemmung im Ahrtal
Die Arbeitsgruppe im Bundeslandwirtschaftsministerium begründete ihre Einschätzung mit der Höhe des entstandenen Schadens: Während die Sturmflut in Schleswig-Holstein Schäden von rund 240 Millionen Euro verursacht hat, waren es bei der Überschwemmung im Ahrtal welche in Höhe von 30 Milliarden Euro. Die Herausforderung im Ahrtal sei ohne Zweifel eine größere gewesen, doch auch da hätten alle Bundesländer die Aufgabe gemeinsam gemeistert, so Ministerpräsident Günther.
Bund prüft weitere Möglichkeiten zur finanziellen Hilfe
Die Einschätzung des Bundeslandwirtschaftsministeriums bedeutet offenbar nicht zwingend, dass gar kein Geld aus Berlin kommt: Nach Angaben eines Regierungssprechers könnten andere Bundesmittel möglicherweise indirekt als Hilfen eingesetzt werden, unter anderem aus dem "Topf" für die Finanzierung des Küstenschutzes. Die Arbeitsgruppe prüfe aktuell, ob "noch vorhandene, nicht verausgabte Restmittel für 2023 umgeschichtet und den beiden betroffenen Ländern zur Verfügung gestellt werden können", so der Sprecher. Ob und wie diese Restmittel den Menschen und Orten in Schleswig-Holstein helfen können, ist noch unklar.