Obdachlos im Winter: So ist die Situation für Menschen ohne Zuhause
Im Norden liegen die Temperaturen nachts im Moment im Minusbereich. Für wohnungs-und obdachlose Menschen gibt es zahlreiche Angebote in Schleswig-Holstein - die aber nicht jeder annimmt.
Die Situation der Menschen ohne eigene Wohnung verschärft sich - wie jedes Jahr - in den Wintermonaten. Ohne festes Zuhause wird es bei Minustemperaturen draußen gefährlich, warnen Wohlfahrtsverbände. In Hamburg fordert die Diakonie deswegen, dass Räume des Winternotprogramms ganztägig geöffnet bleiben sollen - aktuell sind sie den Angaben zufolge von 9.30 Uhr bis 17 Uhr geschlossen.
Tagsüber sorgen Tagestreffs für Wärme
Das gilt häufig auch für die verschiedenen Übernachtungsmöglichkeiten in Schleswig-Holstein. Wohlfahrtsverbände und Städte weisen daraufhin, dass es für tagsüber aber verschiedene Angebote wie Tagestreffs und spezielle Einrichtungen zum Beispiel der Drogenhilfe gibt. Die Diakonie betreibt unter anderem 35 Tagestreffs und Beratungsstellen zum Beispiel in Kiel, Flensburg, Neumünster und Heide (Kreis Dithmarschen). Dort gibt es heiße Getränke und teilweise die Möglichkeit, zu duschen, Wäsche zu waschen und zu trocknen oder ins Internet zu gehen. Außerdem verteilen die Einrichtungen für den Notfall Schlafsäcke, Isomatten, warme Kleidung und festes Schuhwerk. In Kiel betreibt auch die Stadt drei Tagesaufenhalte, die laut Stadtsprecherin insbesondere im Winter voll ausgelastet sind.
Verschiedene Schlafmöglichkeiten für Wohnungslose
Die Caritas bietet neben den bestehenden Unterkünften in den Kommunen im Rahmen der Winternothilfe zusätzlich auch Notfallschlafplätze in Husum (Kreis Nordfriesland), Elmshorn (Kreis Pinneberg) und Norderstedt (Kreis Segeberg) an. In Kiel gibt es laut Stadt im Winter zusätzlich Witterungssschutzcontainer. Dort würden bis zu 25 Personen in gemeinschaftlichen Schlafsälen nach Geschlechtern getrennt Platz finden. Die Auslastung liege teilweise bei 100 Prozent, so eine Sprecherin.
Corona sorgt für steigenden Bedarf
Aus Sicht von Oliver Grell vom Obdachlosencafé W.u.T. (für warm und trocken) an der Untertrave gibt es in Lübeck zu wenige Übernachtungsmöglichkeiten für Wohnungslose. Der Bedarf sei seit Corona explodiert, insbesondere in Männerwohnheimen müssten Betroffene teilweise auf dem Flur schlafen. Lutz Regenberg, Sprecher der Diakonie Nord Nord Ost, bestätigt den Anstieg seit der Corona-Pandemie: "Für wen es davor schon super eng war, der kommt jetzt durch die gestiegenen Preise nicht mehr klar." Im W.u.T. können sich laut Grell alle aufwärmen, die in der Nacht keinen Schlafplatz bekommen haben oder nicht in einer Unterkunft schlafen wollen.
Nicht jeder sucht Hilfe in Sammelunterkünften
Generell gibt es landesweit zahlreiche Menschen, die auch im Winter "Platte machen", also nur auf der Straße beziehungsweise nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft schlafen wollen. Die Gründe dafür sind vielfältig, berichtet zum Beispiel Flensburgs Stadtsprecher Clemens Teschendorf. Einige wollen demnach nicht in Unterkünften übernachten, weil sie dort keinen Alkohol trinken dürfen, oder auch, weil sie nicht in geschlossenen Räumen übernachten können oder wollen. Auch ein weitverbreitetes Haustierverbot schrecke Obdachlose ab.
Kaum Privatsphäre in Unterkünften
Ähnliches berichten die Stadtmission Kiel und die Diakonie Schleswig-Holstein. Oft würden obdachlose Menschen die schwierigen Lebensbedingungen in den Unterkünften scheuen, in denen es kaum Privatsphäre gibt, so die Diakonie in einer Mitteilung zu Beginn des Winternotprogramms. In Flensburg sind nach Angaben eines Stadtsprechers Sozialarbeiter unterwegs, die Obdachlose draußen gezielt ansprechen, ob sie Hilfe benötigen.
Bei reglosen Personen immer Notruf wählen
Generell gilt, bei obdachlosen Menschen insbesondere an kalten Tagen besonders hinzuschauen. Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß forderte schon zu Beginn des Winters: "Wir alle müssen Menschen ohne Obdach im Blick behalten. Schon eine Tasse mit heißem Tee oder einer Suppe kann helfen! Vor allem aber: Sprechen Sie reglose Obdachlose an! Scheuen Sie sich nicht, im Zweifel die 110 oder die 112 zu wählen oder die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zu informieren."
Kältebus in Flensburg, Lübeck und Kiel unterwegs
Wer sich Sorgen macht, sollte also immer vorsorglich den Notruf wählen. Außerdem gibt es in Hamburg und in größeren Städten in Schleswig-Holstein sogenannte Kältebusse, die an mehreren Tagen in der Woche abends in der Stadt unterwegs sind und wohnungslose Menschen mit warmem Essen, Schlafsäcken und teilweise auch medizinischer Beratung unterstützen.
- Kältebus Kiel: Unter der zentralen Kältebus-Nummer (0170) 140 92 10 der Malteser können Bürgerinnen und Bürger telefonisch oder per SMS mitteilen, wo sie in Kiel hilfebedürftige Personen gesehen haben.
- Herzenswärmebus Lübeck: Die Obdachlosenhilfe Lübeck e.V. betreibt den Bus, der an mehreren Tagen in der Woche abends unterwegs ist und warmes Essen, Schlafsäcke und anderes verteilt.
- Kältebus Flensburg: Die Obdachlosenhilfe des DRK ist mit dem Kältebus immer am Freitagabend unter anderem auf dem Südermarkt unterwegs.
- Kältebus Hamburg: In Hamburg ist der Kältebus nach Angaben der Organisatoren vom Verein "CaFée mit Herz" jeden Abend von 19 bis 24 Uhr unterwegs - zu erreichen ist er unter (0151) 65 68 33 68.
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