Nierenspende unter Freunden - Ein Jahr danach
Organspenden unter Menschen, die nicht miteinander verheiratet oder verwandt sind, sind selten. Tanja Luft aus Lübeck wollte ihrem chronisch kranken Freund Nicklas Wendtland helfen - und spendete ihm vor einem Jahr eine Niere.
Nicklas Wendtland ist fit wie nie zuvor, sagt er: "Ich kann mein Leben gestalten, wie ich möchte. Jetzt kann ich auch mal spontan irgendwas machen." Spontan verreisen zum Beispiel. Dieses Jahr war der 28-Jährige schon in Portugal und mit seinem Freund Lucien auf den Kanarischen Inseln. Im Herbst soll es nach Mallorca gehen. Lucien ist begeistert, wie sich Nicklas seit der Operation verändert hat: "Vorher war man zwei Stunden unterwegs, danach hat er sich Schlafen gelegt. Heute läuft man zwanzig Kilometer durch die Dünen. Das ist wirklich Wahnsinn."
Nach erfolgloser Spendersuche in der Familie sprang Freundin Tanja ein
Vor der OP waren spontane Urlaubstrips undenkbar, allein wegen der täglichen Dialyse. Dazu war Nicklas ständig müde. Wegen eines Gendefekts funktionieren Nicklas' Nieren nicht richtig, schon als Kleinkind bekam er sein erstes Spenderorgan. Als Erwachsener brauchte er wieder eine Niere. In seiner Familie wurde nach einer Spenderin oder einem Spender gesucht, allerdings ohne Erfolg. Die Blutwerte der Getesteten passten nicht. Tanja, einer guten Freundin von Nicklas Wendtland und seiner Mutter, tat es leid, dass es ihm so schlecht ging. Die heute 53-Jährige entschied, sich testen zu lassen. Das Ergebnis: Sie kam als Spenderin in Frage.
"Ich bin wieder die Alte", sagt Tanja Luft rund ein Jahr nach der Operation, Einschränkungen habe sie keine. Rückblickend gibt sie allerdings zu, die Nierenspende recht naiv angegangen zu sein. "Es wird alles komplett aufgeschnitten, das habe ich unterschätzt." Dennoch ist sie froh über ihre Entscheidung: "Wenn ich sehe, was Nicklas an Lebensqualität dazugewonnen hat, klar." Und sie fügt hinzu: "Es sind nur vier Monate, die man raus ist." Organspenden zwischen Menschen, die miteinander befreundet sind, sind eher selten. In der Regel spenden bei Bedarf der Ehepartner, die Ehepartnerin oder enge Verwandte.
Transplantations-Mediziner vom UKSH: Wartezeiten für Spenderorgane auf Rekordhoch
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation wurden 2023 in Schleswig-Holstein 26 Nieren-Lebendspenden durchgeführt. Weitaus mehr Organe werden postmortal transplantiert: 50 Nieren waren es 2023 landesweit. Gleichzeitig gibt es 400 Menschen in Schleswig-Holstein, die auf ein Organ warten. Die meisten brauchen eine Niere. Die Wartezeiten haben mit bis zu zehn Jahren ein Rekordhoch erreicht, sagt Prof. Felix Braun, Transplantationsmediziner am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH).
84 Prozent der Teilnehmenden einer repräsentativen Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung seien gegenüber Organ- und Gewebespenden positiv eingestellt. Allerdings hätten nur 44 Prozent ihre Entscheidung für oder gegen Organspende festgehalten, zum Beispiel in einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung. Diese Diskrepanz erklärt sich Felix Braun vom UKSH damit, dass viele das Thema Tod verdrängten. "Bei Vorträgen und Diskussionen höre ich oft: Spannende Informationen, ich habe den Organspendeausweis auch zu Hause liegen, muss mich aber noch damit beschäftigen und mein Kreuz setzen."
Mehr als 100.000 Menschen beim neuen Online-Organspenderegister registriert
Seit März 2024 kann die eigene Entscheidung für oder gegen Organspende auch online im Organspende-Register festgehalten werden. Damit sollen Kliniken und Krankenhäuser künftig unkompliziert den letzten Willen einer gestorbenen Person nachvollziehen können.
Das sei eine gute Alternative zum Organspendeausweis, sagt Felix Braun vom UKSH. Häufig würden die Ausweise im Ernstfall nicht gefunden. Bisher haben sich bundesweit 118.000 Menschen im Onlineregister eingetragen (Stand: Mai 2024). Der Transplantationsmediziner hofft, dass sich auch durch das neue Angebot mehr Menschen mit dem Thema auseinandersetzen: "Wesentlich ist es, den Tod auf der Warteliste zu vermeiden, und da müssen wir die Organspendebereitschaft erhöhen. Wir sind in Deutschland noch immer hintenan."
Organspende hat die Freundschaft nicht verändert
Was die Bereitschaft zur Organspende angeht, ist Tanja Luft sicher ein besonderes Beispiel. Seitdem Nicklas Wendtland eine ihrer Nieren in seinem Körper trägt, habe sich die Freundschaft der beiden jedoch nicht verändert. "Ist alles normal geblieben", sagt Nicklas Wendtland. Allerdings: "Ich kann jetzt zu Fuß zu Tanja gehen. Das konnte ich vorher nicht."
Tanja Luft hat den Eindruck, dass sich mit der Organtransplantation auch ihr und Nicklas' Temperaturempfinden gewandelt hat: "Mir war immer warm, Nicklas war immer kalt. Jetzt kommt er im Winter in kurzer Hose und ich friere mir den Hintern ab - und meine Wechseljahre sind weg."