"Nicht immer leicht": Unterwegs mit einem Blaulicht-Reporter

Stand: 15.11.2023 13:28 Uhr

Sie kommen, wenn etwas passiert ist - damit alle anderen wissen, was passiert ist: Blaulicht-Reporterinnen und -Reporter. Egal ob Feuer, Unfall, Bankraub oder Kühe auf der Autobahn. Oft sind sie und ihre Kamera zusammen mit der Polizei die ersten vor Ort.

von Christoph Deuschle

Es verspricht ein arbeitsreicher Abend zu werden für Blaulicht-Reporter Florian Sprenger. Draußen stürmt es, Herbststurm "Viktor" lässt die Pegelstände an der Ostseeküste steigen. "Schlechtes Wetter heißt für mich als Blaulicht-Reporter eigentlich immer viel Arbeit", sagt der 27-Jährige. In Süd- und Westholstein, Sprengers Berichtsgebiet, ist es um 20 Uhr an diesem Freitagabend aber ruhig. Als Blaulicht-Reporter fährt Sprenger für die kleine Nachrichtenagentur "Westküstennews" auf eigene Rechnung durch fünf Kreise und ist immer dort, wo etwas passiert. Filmt für das Fernsehen, fotografiert für die Zeitungen und schreibt Meldungen. Immer mit der Hoffnung, dass sein Material interessant genug ist, um gezeigt zu werden - sonst verdient er kein Geld.

Das Blaulicht-Reporter-Leben besteht aus viel Warterei

Der heutige Sturm ist für ihn bisher - und damit ganz anders als im Osten des Landes - ereignislos. "Außer 'Baum auf Straße' ist bis jetzt noch nichts passiert. Aber die Nacht ist ja noch jung." So ist das oft bei ihm. Seine Arbeit besteht viel aus warten - und aus Ungewissheit. Denn wann der nächste Anruf, der nächste Tipp von einem Kontakt oder die nächste Benachrichtigung in der App der Leitstellen kommt, lässt sich nie sagen.

Weitere Informationen
Tourismusminister Madsen spricht mit Grömitz' Bürgermeister Sebastian Rieke (Freie Wählervereinigung) vor Ort über die Schäden am Strand. © NDR Foto: Julian Marxen

Ostsee-Sturmflut: Etwa 200 Millionen Euro Schaden in SH

Knapp zwei Wochen nach dem Jahrhunderthochwasser in Schleswig-Holstein haben sich Land und Kommunen auf einen gemeinsamen Wiederaufbaufonds verständigt. mehr

Und so sitzt der gelernte Einzelhandelskaufmann auch heute mit einem Glas Cola, umgarnt von seinen zwei Katzen, in der frisch bezogenen Wohnung im Kreis Pinneberg und wartet. Wartet, während draußen der Sturm fegt.

Egal zu welcher Uhrzeit: Oft muss es schnell gehen

Dann klingelt sein Handy, am anderen Ende meldet sich ein Informant. "In Elmshorn läuft wohl gerade ein Einsatz des Sondereinsatzkommandos der Polizei, da müssen wir jetzt schnell sein", sagt Sprenger, während er seine Kamera ins Auto lädt. Mögliche Razzien könnten schnell vorbei sein, dann gebe es nichts mehr zu sehen, so der Reporter.

Noch während er ins Auto einsteigt, die nächste Meldung auf dem Telefon: kein Einsatz für die Öffentlichkeit. Sprengers Vermutung: "Wahrscheinlich ein angedrohter Suizid oder etwas in der Art." So etwas komme bei ihm oft vor. Erst muss es von Null auf Hundert schnell gehen und wenig später entpuppt sich eine Meldung als zu klein. Dann wieder runterzufahren sei manchmal gar nicht so leicht, so Sprenger.

Ständige Unterbrechungen: "Es ist wie bei der Feuerwehr"

Ein Kameramann hält eine große Fernsehkamera auf seiner Schulter bei einem nächtlichen Einsatz auf einer Straße. © NDR
Oft ist Blaulicht-Reporter Florian Sprenger mit der Polizei als erstes vor Ort.

Mittlerweile ist es 22 Uhr. Draußen stürmt es weiter, im Radio kommen die ersten Meldungen von überfluteten Häusern und aufgeweichten Deichen an der Ostsee. Sprenger steigt ins Auto, um Abendessen zu organisieren und zu tanken. Die Straßen sind in dieser Sturmnacht auch in Südholstein im wahrsten Sinne des Wortes leergefegt.

Auf die Frage, wie er seine Rufbereitschaft mit seinem Privatleben vereinbart, überlegt Sprenger. "Es ist schon nicht immer so leicht. Es ist ein bisschen wie bei der Feuerwehr. Es kommt ziemlich oft vor, dass ich den Filmabend mit meiner Freundin unterbrechen muss, weil ich dann doch wieder los muss."

Nicht immer falle ihm das leicht. Zumal seine Freundin im Krankenhaus und damit selbst regelmäßig nachts arbeite. Aber wenn er zu häufig nicht rausfährt oder mal länger frei macht, "dann kommen andere und berichten hier". Konkret heißt das für ihn: 24 Stunden am Tag in Bereitschaft sein. Er nehme sich vielleicht zwei Wochen im Jahr frei - und nie mehr als ein paar Tage am Stück.

Motivation: "Die Leute wollen ja wissen, was bei ihnen los ist"

Ein Kameramann hält eine große Fernsehkamera auf seiner Schulter bei einem nächtlichen Einsatz auf einer Straße. © NDR
"Bisher komme ich mit dem, was ich an den Einsatzstellen gesehen habe, ganz gut zurecht", sagt Florian Sprenger.

Seine Arbeit sei für die Menschen wichtig, sagt Florian Sprenger. "Ich will ja auch wissen, weswegen ich im Stau gestanden habe. Wohin die Feuerwehr gefahren ist, nachdem die Sirenen geheult haben." Jede und jeder wolle doch wissen, was im Umfeld so los sei. Er erfülle mit seiner Arbeit ein Grundbedürfnis nach Information.

Diese Aufgabe habe aber auch ihren Preis. "Bisher komme ich mit dem, was ich an den Einsatzstellen gesehen habe, ganz gut zurecht", sagt Sprenger. Während er arbeite, sei die Kamera auch wie eine Art Schutzschild: "Ich bin dann total im Fokus. Aber spätestens zu Hause denkt man natürlich darüber nach. Da sind vielleicht gerade Menschen bei einem Unfall schwer zu Schaden gekommen oder gestorben. Das lässt einen nie kalt. Ich fahre 50.000 Kilometer im Jahr, mir kann das auch passieren." Ihm helfe es, mit anderen darüber zu reden was er erlebt.

Eine Nacht durchschlafen - bei Extremwetter ungewöhnlich

Gegen 23:30 Uhr dann noch ein Alarm auf dem Smartphone: In Itzehoe ist eine Straße überflutet. Einsatz für die Freiwillige Feuerwehr. "Normal würde ich dafür nicht los fahren, aber heute war es hier bisher so ruhig, irgendetwas muss ich jetzt noch drehen", überlegt der Reporter laut, während er nachdenklich auf den Bildschirm schaut. Manchmal könne man aus mehreren kleinen Einsätzen noch etwas machen, eine Art Überblick der Lage.

Nach etwa einer Stunde sitzt er wieder in seinem Wohnzimmer. Der Feuerwehreinsatz war klein, das meiste Wasser bereits abgepumpt, als Sprenger mit seiner Kamera ankam. Während er das Material sichtet, erzählt er: "So ist das eben manchmal, steckt man nicht drin. Und eigentlich ist es ja auch gut, wenn nichts passiert. Man wünscht es ja niemandem. Aber es ist eben mein Job darüber zu berichten, wenn etwas passiert."

Einen Vorteil hat diese - in Südholstein unerwartet ruhige - Sturmnacht aber für Blaulicht-Reporter Florian Sprenger. Er kann neben seiner Freundin einschlafen.

Transparenzhinweis: "Westküstennews" beliefert unter anderem auch NDR Schleswig-Holstein mit Informationen und Videomaterial zu lokalen Berichterstattungen.

Weitere Informationen
Tierarzt Michel Milewski untersucht den braunen Wallach Quadriga mit einer Nasenschlundsonde © NDR Foto: Christoph Deuschle

Wenn Pferde zum Notfall werden: Nachts in der Pferdeklinik

Wenn das Haustier zum Notfall wird, muss es schnell gehen. Zum Glück gibt es Menschen, die das ganze Jahr für Notfälle da sind. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 15.11.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Kreis Pinneberg

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Die Fassade der Batteriefabrik Northvolt. © picture alliance Foto: Britta Pedersen

Drohende Insolvenz: Northvolt startet Sanierung in den USA

Der Batteriehersteller will in einem Chapter-11-Verfahren neue Gelder einwerben. In Heide soll der Bau weitergehen. mehr

Videos

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?