Migration in SH: Landtag lehnt neue zentrale Stelle für Rückführungen ab
FDP und SPD wollen Rückführungen in Schleswig-Holstein zentral organisieren und damit die Ausländerbehörden entlasten. Einen entsprechenden Antrag brachten sie am Freitagmorgen in den Landtag ein. Schwarz-Grün lehnte diesen ab und widersprach.
Das Thema Migration setzt die Kommunen im Land weiter unter Druck: Die Unterbringung, Integration aber auch Rückführung von Geflüchteten ist ein immenser Kraftaufwand, den insbesondere die Ausländerbehörden vor Ort meistern müssen. Vor allem bei der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbenden, die zur Ausreise verpflichtet sind, knarrt es laut der FDP-Landtagsfraktion im Getriebe der Verwaltung.
Die Ausländerbehörden in den Kreisen und kreisfreien Städten seien zunehmend überlastet, sagt Bernd Buchholz, migrationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten sich um mehr als 300.000 Geflüchtete kümmern. Das ginge aus Zahlen einer Anfrage der FDP-Kreistags- und Ratsfraktionen an die Verwaltungen hervor. Demnach müssten pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter zwischen 530 und 1.400 Asylbewerbende betreut werden.
FDP: "Schleswig-Holsten im Vergleich weniger Rückführungen"
Neben Integration, Einbürgerungen, Aufenthaltstiteln und anderen Aufgaben seien sie auch für die Rückführungen zuständig. Buchholz: "Dass das nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand." Es führe dazu, dass Rückführungen in Schleswig-Holstein deutlich weniger stattfinden als in anderen Bundesländern.
Zusätzlich seien die zuständigen Behörden so organisiert, dass die Asylbewerbenden nach Buchstaben betreut werden und nicht nach Herkunftsland. Ein Problem, findet Bernd Buchholz, denn diese Mitarbeitenden hätten keinerlei Fachkenntnisse über die Länder, in die zurückgeführt wird - weder über die Sicherheitslage noch über die Gepflogenheiten vor Ort. "Jeder versteht sofort, dass man dann sagt: 'Das lassen wir mal lieber'. Und genau das passiert", so Buchholz.
Rückführungen zentral organisieren
Gemeinsam mit der SPD brachte Buchholz am Freitagmorgen einen Antrag in den Landtag ein, mit dem Vorstoß, die Behördenstruktur in Teilen zu ändern. Darin fordern sie eine effizientere Verwaltungsstruktur in Form einer zentralen Behörde, die für alle zuständig ist, die "vollziehbar ausreisepflichtig" sind.
Das ist dann der Fall, wenn zum Beispiel der Asylantrag endgültig abgelehnt wurde oder das Aufenthaltsrecht entzogen oder abgelaufen ist. Zentral organisiert könnten die Behörden in solchen Fällen die Rückführungen angemessen um- und durchsetzen und Kompetenzen bündeln, heißt es in dem Antrag von FDP und SPD.
SPD: "Ein konsequenterer Rechtsstaat"
SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli unterstützt das Vorhaben. Die Herausforderungen der Ausländerbehörden seien schon jetzt hoch - eine Zentralisierung würde da Abhilfe schaffen.
"Das würde einen konsequenteren Rechtsstaat mit einer höheren Qualität der Arbeit der Ausländerbehörden verbinden, die wir dringend brauchen." Serpil Midyatli (SPD)
Wenn Asylanträge abgelehnt werden, müsse auch zurückgeführt werden, so Midyatli. Nur dann könne die Akzeptanz für das individuelle Asylrecht in der Bevölkerung aufrechterhalten werden.
CDU, Grüne und SSW lehnen Antrag ab
Die Fraktionen von CDU, Grüne und SSW widersprachen den Plänen und lehnten den Antrag mehrheitlich ab. Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) betonte, dass das derzeit angewendete "Rückführungsmanagement" im Land funktioniere.
"Nur weil wir an einer dezentralen Lösung festhalten, heißt es nicht, dass wir die Kommunen allein lassen." Aminata Touré (Grüne)
Man sei im intensiven Austausch mit den Kommunen, so Touré. Außerdem werde versucht, mit anderen Maßnahmen für Entlastung zu sorgen. Zum Beispiel werden seit dem Migrationsgipfel im Herbst Personen ohne Bleibeperspektive nicht mehr auf die Kommunen verteilt. Bei den Rückführungen setze man aber vor allem auf freiwillige Ausreisen, so die Sozialministerin.
SSW: "Es muss auch um Integration gehen"
Für Lars Harms, SSW-Fraktionschef, greift der Antrag von FDP und SPD zu kurz.
"Bei der Sammlung von Kompetenzen, der Zentralisierung von Zuständigkeiten und der möglichen Umstrukturierung unserer Behörden darf es nicht nur um Ausreisen gehen. Es muss auch um Integration gehen." Lars Harms (SSW)
Angesichts des Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels müsse man die Potenziale und Vorteile sehen, wenn Menschen nach Schleswig-Holstein kommen, so Harms. Wichtiger sei ein schnellerer, unbürokratischer Zugang zu Ausbildung und Arbeit für Geflüchtete. Ähnlich argumentiere auch die Grünen-Abgeordnete Catharina Nies. Sie sagte, Rückführungen seien für sie nicht der Gradmesser für eine gute Migrationspolitik. "Wir haben einen Fachkräftebedarf, wie er größer kaum sein könnte. Dennoch sind Rückführungen hier lebender Menschen eines ihrer erklärten Hauptziele. (...) Wie vereinbaren sie das miteinander?" Diese Schwerpunktsetzung sei nicht zielführend für das Land, so Nies.
9.200 Ausreisepflichtige in Schleswig-Holstein
2023 sind 1.024 ausreisepflichtige Menschen aus Schleswig-Holstein in ihre Herkunftsländer oder in Drittländer zurückgeführt worden. Das zeigen Zahlen, die Sozialministerin Touré während der Landtagsdebatte am Freitagmorgen nannte. In 618 Fällen sei die Ausreise freiwillig gewesen.
207 Personen seien in sogenannten Dublin-Verfahren in die EU-Länder gebracht worden, in die sie erstmals einreisten. Zudem habe es 199 Abschiebungen gegeben. Insgesamt lebten nach Angaben der Sozialministerin Ende 2023 rund 9.200 Ausreisepflichtige in Schleswig-Holstein.