Streit um Heiligen-Geist-Hospital: Bürgermeister gerügt
Es war ein ungewöhnlicher und seltener Vorgang: Die Fraktionen der Unabhängigen und der Grünen hatten für den Hauptausschuss der Lübecker Bürgerschaft einen Antrag gestellt, den Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) zu rügen. Der Vorwurf: Lindenau habe die Bürgerschaft im Streit um das Heiligen-Geist-Hospital (HGH) belogen.
Konkret geht es laut Axel Flasbarth von den Grünen darum, dass der Bürgermeister "acht Monate lang die Schließung des Alten- und Pflegeheimes im HGH vorbereitet" habe, ohne Politik und Öffentlichkeit darüber zu informieren. Lindenau habe gar die Politik in dieser Zeit wider besseren Wissens sogar schriftlich belogen, indem er berichtet habe, dass die Planungen zur Sanierung und Sicherstellung des Brandschutzes dort laufen würden, obwohl er selbst diese Planungen mehrere Monate vorher gestoppt habe, sagte Flasbarth. "Dieser Vorwurf ist vor allem deshalb relevant und folgenreich, weil in diesen acht Monaten wertvolle Zeit für die Umsetzung von Brandschutzmaßnahmen verloren wurde und aktuell daher eine Schließung des HGH im kommenden September aus Brandschutzgründen droht."
Hauptausschuss folgt Antrag nur in Teilen
Der Lübecker Hauptausschuss folgte dem Antrag von Grünen und Unabhängigen am Dienstag jedoch nur in Teilen, er wurde Punkt für Punkt verhandelt. Am Ende entschied der Ausschuss, den Bürgermeister dafür zu rügen, dass er die kommunalpolitischen Gremien im Verlauf der Diskussion nicht vollständig und rechtzeitig informiert habe. Die Punkte, in denen Lindenau bewusstes Lügen vorgeworfen wurde, fanden keine Mehrheit.
Lindenau kann aufatmen
Lindenau selbst reagierte erleichtert. Er werde gegen diese abgeschwächte Rüge nicht vorgehen, sagte er NDR Schleswig-Holstein. Im Vorfeld der Sitzung hatte sich der Bürgermeister gegen die Vorwürfe gewehrt und rechtliche Schritte gegen Personen, die ihn einer Lüge bezichtigen würden, vorbehalten. Er habe Verständnis dafür, dass sich einzelne Akteure im Wahlkampf zu profilieren versuchen. Doch die Mittel, die hier gewählt würden, seien unanständig.
Streit um den Brandschutz im Hospital
Mit der Rüge hat der Streit um die Schließung des Alten-und Pflegeheims im Heiligen-Geist-Hospital eine neue kommunalpolitische Dimension erreicht. Hintergrund ist, dass Ende September eine Nutzungsuntersagung aus Brandschutzgründen für das Hospital droht, obwohl die Bürgerschaft am 23. Februar beschlossen hatte, den Heimbetrieb weiterzuführen. Dass dieser Beschluss nicht umgesetzt wird, lasten die meisten Fraktionen in der Bürgerschaft dem Bürgermeister an. Er ist nicht nur die Spitze der Verwaltung, sondern auch der Feuerwehr, die für ein umsetzbares Brandschutzkonzept zuständig ist. Obendrein steht Lindenau auch an der Spitze der Stiftung Heiligen-Geist-Hospital, deren Zweck ausdrücklich die Errichtung eines Altenheimes ist. Ob aber unter besagten Zweck der Weiterbetrieb des bestehenden Heimes fällt, auch darüber streitet die Bürgerschaft mit Lindenau.
Dem Bürgermeister mal "ordentlich auf die Finger klopfen"
Für den Bürgermeister hat die Rüge indes keine direkten Auswirkungen. Das Rechtsamt muss nun prüfen, ob es sich um eine sogenannte Qualifizierte Rüge handelt - in diesem Fall würde sie der Kommunalaufsicht im Innenministerium zugeleitet werden, und hier erst könnte es disziplinarrechtliche Maßnahmen geben. Damit rechnet in der Lübecker Kommunalpolitik aber niemand. Lindenaus Kritikern ging es vor allem darum, dem Verwaltungschef einmal ordentlich auf die Finger zu klopfen - mit den Mitteln, die den Kommunalpolitikern eben gegeben sind. Gegen Lindenaus Politik zum Heiligen-Geist-Hospital, zur Buddenbrookhaus-Sanierung und zu mancherlei Personalentscheidungen regt sich immer mehr Widerstand, und dieser Widerstand sammelte sich im Hauptausschuss.
Thema im Wahlkampf
Natürlich spielt auch der Wahlkampf eine Rolle, das Ringen um die Mehrheit in der Bürgerschaft bei der anstehenden Kommunalwahl. Hinzu kommt der Kampf um den Posten des Bürgermeisters, mit einer möglichen Wiederwahl von Jan Lindenau im Herbst.
Grüne wollen Disziplinarverfahren
Die Grünen haben am Tag nach der Sitzung des Hauptausschusses angekündigt, die Rüge an die Kommunalaufsicht im Innenminsterium weiterzuleiten und ein förmliches Disziplinarverfahren gegen Lindenau anzuregen.
Und auch der Kampf um das Heiligen-Geist-Hospital geht weiter. Am vergangenen Sonnabend (6.5.) erst haben Bewohnerinnen und Bewohner, Angehörige und Unterstützer der Initiative "Rettet das HGH" erneut gegen die zum 30. September drohende Schließung des Seniorenheimes protestiert, lautstark singend auf dem Koberg. Die Geschichte dieses Streits, sie wird wohl noch lange nicht zu Ende sein.