Lichtverschmutzung: Was Kunstlicht fürs Leben im Meer bedeuten kann

Stand: 17.11.2024 05:00 Uhr

Dass künstliches Licht in der Nacht Nacht negativen Einfluss auf Insekten und Vögel hat, ist gut belegt. Doch auch auf das Leben unter Wasser wirkt es sich aus. Wie genau, das erforscht aktuell das Geomar in Kiel.

von Lisa Pandelaki

Es ist mitten in der Nacht, als auf dem Forschungsschiff im arktischen Meer die Lichter ausgehen. Um das Schiff herum ist es stockdunkel. So dunkel wie nur noch an wenigen Orten der Welt. Es ist ein Experiment. Die Forscher wollen wissen, ob etwas im Wasser auf das vergleichsweise schwache Licht ihres Schiffes regiert. Sie schalten das Sonar an und kurz darauf das Licht des Schiffes. Sofort sehen sie auf dem Sonar eine Bewegungsänderung des Planktons bis in eine Tiefe von 200 Metern. Auch Licht in Küstennähe, durch Promenaden, Seebrücken, Häuser und Schiffe dringt tiefer ins Meer als bislang oft vermutet wurde.

Tiere und Pflanzen reagieren sensibler auf Licht

Zwei Personen arbeiten in einem labor © NDR Foto: Lisa Pandelaki
Der größte Teil der Forschung fand vor Ort statt. In Kiel können noch letzte Proben untersucht werden.

Auch wenn sich für das menschliche Auge Licht, das von der Oberfläche kommt, schon nach wenigen Metern verliert, so reagieren Tiere und Pflanzen viel sensibler darauf. "Das ist ein deutliches Zeichen, dass wir das nicht unterschätzen sollten, wie Licht das Leben im Meer beeinflussen kann", erklärt Mark Lenz, wissenschaftlicher Koodinator des Game Programms des Geomar. Das Programm ist ein internationales Forschungs- und Ausbildungsprogramm für junge Meereswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Seit vier Jahren untersuchen sie dabei den Effekt von künstlichen Licht auf das Meeresleben. Von April bis Oktober führen bis zu 20 Studierende an zehn auf alle Kontinente verteilten Orten die exakt gleichen Experimente durch. So erhalten sie Daten aus Orten von Australien bis Finnland, von Chile bis Japan, die sie jetzt im November im Geomar in Kiel miteinander vergleichen.

Lichtverschmutzung wirkt sich auf Insekten und Vögel aus.

Eine Weltkarte zeigt die Erde bei Nacht © World Atlas of the Artificial Night Sky Brightness by David Lorenz Foto: World Atlas of the Artificial Night Sky Brightness by David Lorenz
Wirklich Dunkel ist es bei Nacht fast nirgendwo mehr

"Lichtverschmutzung ist ein Phänomen, das lange nicht beachtet wurde", sagt Lenz. Doch jedes Jahr nimmt sie allein in Deutschland um sechs Prozent zu. Nicht zuletzt durch die sich immer weiter verbreitenden LED-Lampen. Weil sie vergleichsweise wenig Strom verbrauchen, werden vergleichsweise mehr eingesetzt, so Lenz. Auf das Leben an Land ist der Einfluss von künstlichem Licht bei Nacht bereits gut untersucht. Insekten beispielsweise werden von künstlichen Lichtquellen angezogen, doch sie können an den Lampen weder ihre Eier ablegen, noch sich paaren oder Nahrung finden. In der Folge sterben sie oder sind leichte Beute für andere Tiere. Auch Vögel können von Licht in der Nacht von ihren Flugbahnen abkommen und beispielsweise mit beleuchteten Hochhäuser kollidieren.

Überall Effekte gefunden

Eine Karte zeigt die Lichtverschmutzung in Europa © World Atlas of the Artificial Night Sky Brightness by David Lorenz Foto: World Atlas of the Artificial Night Sky Brightness by David Lorenz
Farblich abgesetzt die bei Nacht in Europa herrschenden Lichtstärken über der natürlichen Helligkeit des Nachthimmels.

"Die Dunkelheit ist ein Lebensraum", fasst Lenz die Bedeutung der Nacht für die Natur zusammen. Und das gilt auch für das Leben unter Wasser. Seit 2021 hat das Geomar verschiedene Forschungsschwerpunkte gesetzt, zum Beispiel pflanzenfressende Tiere in Küstennähe, Muscheln oder die Entwicklung ganzer Lebensgemeinschaften unter dem Einfluss von künstlichem Licht. In diesem Jahr standen Algen im Fokus. "Effekte gefunden wurden überall", fasst Lenz die Forschung der letzten Jahre zusammen. "In jedem Projekt gab es Effekte auf die untersuchten Systeme. Aber die waren nicht durchgehend. Es war so, dass wir an einigen Orten Effekte gefunden haben, einen anderen nicht." Auch gingen die Effekte nicht immer in die gleiche Richtung.

Effekte gehen in beide Richtungen

Mehrere Personen mit Laptops in einem Konferenzsaal © NDR Foto: Lisa Pandelaki
Aktuell vergleichen die Forscherinnen und Forscher ihre ERgebnisse, um Muster ind en Effekten zu erkennen.

"Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass unter dem künstlichen Licht die Algen weniger wachsen. Oder dass sie schlechter verteidigt werden können, für Fressfeinde zum Beispiel", sagt Lotte Heidenthal. Die Studentin der Umweltwissenschaften war in diesem Jahr Teil des Game Programms und hat in Kap Verde Algenproben untersucht. Auf der anderen Seite habe es aber auch Algen gegeben, die unter dem Kunstlicht besser gewachsen seien, so Heidenthal. "Wir haben noch keinen Muster gefunden, hinter dem Effekt." Es sei unglaublich schwer zu sagen, woran das liegen könnte. "Daran arbeiten wir gerade, dass wir einfach gucken, was war unterschiedlich an den verschiedenen Standorten? Was können da Faktoren sein, die das beeinflussen? Das ist noch kein klares Muster erkennbar."

Tiere haben hochsensible Wahrnehmungsorgane

Es könne an unterschiedlichen Biorhythmen der Tiere und Pflanzen liegen, vermutet Lenz. Denn wie bei Menschen gibt es auch bei Tieren beispielsweise Eulen und Lerchen. "Wir wollen Daten schaffen als Grundlage für eine Einschätzung dieser Umweltveränderungen", beschreibt er das Ziel der Forschungen. Neben der Umweltverschmutzung und den negative Auswirkungen durch übermäßige Nutzung, ist die zunehmende Lichtverschmutzung ein weiterer Faktor, der die Meere belastet.

Oft vergesse man, welch hochsensiblen Wahrnehmungsorgane Tiere haben, erinnert Lenz. Gerade für Licht, weil sie auch mit Licht kommunizieren. "Es gibt Tiere, die gerade im tieferen Wasser Licht benutzen, um sich zu verständigen, um sich zu finden. Und sie können sehr, sehr geringe Lichtmengen wahrnehmen. Deswegen ist auch das Licht, was wir von Land in die Ozeane einbringen, durchaus relevant für sie."

Lichtemissionen reduzieren

Um diesen Faktor zu reduzieren, könne man Lichtemissionen zielgerichteter machen, sodass es nicht mehr in alle Richtungen strahlt, schlägt Lenz vor. Auch smarte Beleuchtungssysteme, die automatisch abschalten, könnten ein Weg sein. "Was wir im Moment auch noch untersuchen ist, ob man beispielsweise die Farbe ändern könnte", führt Lenz als dritten Punkt auf. "Es ist so, dass dieses weiße Licht, was wir im Augenblick benutzen, dem Sonnenlicht sehr ähnlich ist und deswegen natürlich auch starke biologische Effekte generieren kann." Gelblicheres Licht könnte geringere Effekte haben. Doch die Daten dazu stehen noch aus.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 18.11.2024 | 19:30 Uhr

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