Land SH streicht 163 Lehrerstellen: Eltern starten Petition
Weniger Lehrer, dafür aber mehr Schüler: Die Landesregierung in Schleswig-Holstein sieht sich zum Sparkurs gezwungen. Die Qualität des Unterrichts solle gleich bleiben. Das sorgt für Kritik.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hält die Stellenstreichung für vertretbar. "Diese Zahl 163 muss man im Verhältnis von 24.065 Planstellen sehen. Wir reden also von 0,68 Prozent der Lehrkräftestellen", sagte die Ministerin. Ihrer Ansicht nach werden sich die gestrichenen Lehrerstellen nicht auf die Qualität des Unterrichts auswirken. Durch Konzentration auf grundlegende Kompetenzen und die Mittelstufe könnten die Schulen daran arbeiten, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern.
Steigende Schülerzahlen in Schleswig-Holstein
Weniger Lehrer, dafür aber mehr Schüler: Das Bildungsministerium hatte Ende August Zahlen herausgegeben, die zeigen, dass sich der Trend steigender Schülerzahlen seit dem Schuljahr 2021/22 fortsetzt. An den 794 öffentlichen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen wurden nach der jüngsten Prognose dieses Jahr rund 372.000 Schülerinnen und Schüler erwartet. Das ist mehr als noch ein Jahr zuvor (+ 0,9 Prozent).
Mehr Migration an den Schulen
Außerdem steigt die Anzahl der Schüler mit Migrationshintergrund deutlich. "Mittlerweile haben 19,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen einen Migrationshintergrund", sagte ein Sprecher von Ministerin Prien. "Vor zehn Jahren waren es noch 8,5 Prozent." Der Anteil an der Gesamtschülerschaft hat sich also innerhalb einer Schülergeneration mehr als verdoppelt. Genau hier sieht der Philologenverband Schleswig-Holstein ein Problem.
Die Landesvorsitzende Kirsten Schmöckel fragt sich, wie in der angespannten Situation Lehrer die Zeit finden sollen, sich intensiv um die Schüler mit ausländischen Wurzeln zu kümmern. "Das ist ja kaum möglich. Man muss seinen Fachunterricht durchziehen und trotzdem allen Schülern gerecht werden. Das wird schwierig."
Habersaat von der SPD: "Unterricht wird für alle schlechter
Das Bildungsministerium spricht von einer 100-prozentigen Unterrichtsversorgung. Die gebe es aber eigentlich nur auf dem Papier, sagt Schmöckel. Sobald eine Lehrkraft krank werde und ausfalle, sei die Versorgung schon unter 100 Prozent. Auch Martin Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD, sieht das Thema Unterrichtsversorgung kritisch: "Wir haben es das erste Mal seit vielen Jahren damit zu tun, dass die Unterrichtsversorgung in Schleswig-Holstein verschlechtert werden soll, und das wird dazu führen, dass Unterricht ausfällt." Frau Prien wolle darüber hinaus weniger Unterricht in größeren Klassen. Habersaat: "Insgesamt wird der Unterricht für alle schlechter sein, als er heute ist."
Philologenverband: Sehr angespannte Situation an Schulen
Der Philologenverband hat insgesamt überhaupt kein Verständnis für die Sparmaßnahmen im Bereich der Bildung. "Es ist eigentlich die falsche Richtung. Wir müssten im Grunde mehr Stellen schaffen." Kirsten Schmöckel spricht von einer "sehr, sehr angespannten Situation" an den Schulen.
Viele Lehrer seien langfristig krank, ständig müsse man Kollegen vertreten und immer wieder komme es zu Unterrichtsausfall. Zum Teil würden Klassen auch mal nach Hause geschickt werden. "Das ist ungünstig für alle: für die Schüler, aber auch für die Eltern."
Schulleitungsverband: Stundenpläne lockern
Der Schulleitungsverband Schleswig-Holstein sieht die Stellenstreichungen nicht so kritisch wie der Philologenverband. "Es soll dann ja nicht mehr so viele verpflichtende Unterrichtsstunden geben", sagte die Co-Vorsitzende des Verbandes, Bärbel Blieske. Ihrer Ansicht nach ist es sinnvoll, die "völlig überfrachteten Stundenpläne" zu reduzieren, um auf diese Weise besser zu fördern und zu fordern. Gut sei auch, dass die Stellenstreichungen nicht die Grundschulen, sondern nur die weiterführenden Schulen treffen sollen, sagte Blieske im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein.
Petition läuft: Unterschriften von Eltern für mehr Lehrerstellen
Derzeit läuft eine Petition, organisiert von Eltern des Städtischen Gymnasiums in Bad Segeberg (Kreis Segeberg). Darin werden Unterschriften gesammelt, um 400 neue Lehrerstellen zu fordern. 2.500 Menschen haben die Petition bereits unterzeichnet - zu sehen auf der Petitionsübersicht des Schleswig-Holsteinischen Landtags.
Die Unterschriftenaktion läuft noch etwa einen Monat. Ziel der Organisatoren ist es, dem Landtag deutlich zu machen, dass die haushaltspolitischen Schwerpunktsetzungen dringend verändert werden müssen.
Petent Stefan Stahl ist Vater von fünf Kindern
Hinter der Petition steckt unter anderem Stefan Stahl, er hat fünf Kinder. Schon immer habe er sich über Unterrichtsausfall aufgeregt: "Und bei meinen jüngeren Kindern merke ich jetzt: Die Situation hat sich noch einmal dramatisch verschärft." Er kenne einen Fall, in dem Englischunterricht von der fünften bis zur achten Klasse kaum stattgefunden habe. "Ich finde, wir bewegen uns hier gesellschaftlich komplett in die falsche Richtung."
Schülersprecher unglücklich mit der Bildungssituation in SH
Was sagen die Schüler selbst, was sich in Schleswig-Holstein gerade in Sachen Bildung tut? "Wir halten von der Entwicklung gar nichts", sagte der Landesschülersprecher der Berufsbildenden Schulen in Schleswig-Holstein, Elias Görth. Ministerin Prien habe ihm gesagt, dass in etwa zehn Prozent der Fälle kein Lehrer vor der Klasse stehe.
"Gefühlt kommt das noch sehr viel häufiger vor." Ein Siebtklässler mag ja noch froh sein, wenn der Unterricht ausfällt, so Elias Görth. Doch die fehlenden Inhalte würden die Schüler spätestens in der Oberstufe einholen. Der Schülersprecher kritisiert: "Bis 2030 sollen bei den berufsbegleitenden Schulen jedes Jahr 40 Stellen wegfallen. Das ist viel zu viel."