Kunst oder anstößig? Diskussion um "Primavera" an Flensburger Uni
Weil sich einige Menschen an der Darstellung störten, wurde die Skulptur "Primavera" Anfang des Jahres aus dem Foyer der Europa-Universität Flensburg entfernt. Zum Ärger unter anderem des Uni-Senats und der Studierendenvertretung ASTA. NDR Schleswig-Holstein-Reporter Thomas Kahlcke gibt hier seine Sicht auf die Dinge wieder.
Der Ort bestimmt die Wahrnehmung. Wer in ein Museum geht, erwartet neben Landschaftsbildern und Porträtbüsten auch die künstlerische Darstellung menschlicher Körper. Ob gemalt oder geformt, ob bekleidet oder nackt, realistisch oder stilisiert: Im Museum geht es in erster Linie um die Kunst und nur indirekt um das echte Leben. Und wer in eine Ausstellung geht, ist bereit, sich damit auseinanderzusetzen.
Uni-Foyer: Der Ort bestimmt die Wahrnehmung
Aber das Foyer eines Uni-Gebäudes ist kein Museum. Wenn dort eine stilisierte Frauenfigur steht, wird sie anders wahrgenommen als in einer Kunsthalle. Fritz Durings Skulptur "Primavera" zeigt eine stilisierte, stehende - mutmaßlich nackte - Frau mit erhobenen Armen. Die stand im Uni-Foyer nicht zwischen anderen Kunstwerken, sondern sie war dort eine isolierte Erscheinung. Und sie wurde Tag für Tag nicht von kunstbeflissenen Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern betrachtet, sondern von Studierenden und Lehrenden, die aus ganz anderen Gründen die Uni betreten.
Gebärfreudiges Becken?
Das bestimmt natürlich die Wahrnehmung. Wer sich nicht mit der halben Kunstgeschichte im Hinterkopf die Zeit nimmt, die Figur eingehend zu betrachten und zu reflektieren, sondern ohne gezieltes Kunstinteresse daran vorbeigeht, sieht in der "Primavera" möglicherweise etwas anderes als eine gelungene Skulptur. Zum Beispiel die Darstellung einer Frau als hingebungsvolles Wesen mit gebärfreudigem Becken. Damit sind selbstverständlich nicht alle einverstanden.
Skulptur aus Foyer entfernt
Deshalb hat der Gleichstellungs- und Diversitätsausschuss der Flensburger Uni erfolgreich beantragt, dass die Skulptur abgebaut wurde. Dann aber ist die Diskussion auf ein Nebengleis geraten. Mitglieder des Uni-Senats beklagten, der Senat sei übergangen worden, als der Gleichstellungs- und Diversitätsausschuss beim Präsidium die Entfernung der "Primavera" beantragt habe. Zudem sei die Argumentation fragwürdig, da in dem Antrag von "gesellschaftlichen Wertvorstellungen der Universität" die Rede sei, die die Skulptur nicht widerspiegele. Welche Wertvorstellungen gemeint seien und wer sie definiere, bleibe aber undurchsichtig. Jetzt schaltet sich auch der ASTA ein. Die Studierendenvertretung kritisiert die Einschränkung der Kunstfreiheit und fordert, die umstrittene Skulptur wieder am ursprünglichen Ort aufzustellen.
"Primavera" steht jetzt im Büro
Klar, die Entscheidungswege in der Universität müssen eingehalten und Argumente transparent gemacht werden. Aber wenn sich nach den Semesterferien die zuständigen Uni-Institutionen wieder mit dem Thema beschäftigen, wird die Diskussion hoffentlich auch inhaltlich vorangebracht – und ein Ort gefunden, wo Kunst und Wahrnehmung besser zusammenpassen. Bis dahin parkt Durings "Primavera" in einem Büro.