Kommunalwahl: Ursachensuche nach Zugewinnen der AfD
Mit einem Aufschwung der "Alternative für Deutschland" dürften die Wenigsten bei der Kommunalwahl am 14. Mai gerechnet haben. Die CDU macht die Europa- und Bundespolitik dafür verantwortlich.
Sie würden immer ein offenes Ohr haben und den Bürgern Rede und Antwort stehen, sagt Dennis Schultz von der AfD in Dithmarschen einen Tag nach der Kommunalwahl. "Wir versuchen auch Sachen umzusetzen, wie die Anti-Mobbing-Kampagne. Und die Geldverschwendung innerhalb des Kreistages wollen wir auch eindämmen", erklärt er weiter. Damit zielt er auf den geplanten Neubau des Kreishauses in Dithmarschen ab. Wo der mittlerweile stark gewachsene Verwaltungsapparat stattdessen unterkommen soll, sagt er nicht.
Für die Menschen hier werde alles teurer, das treibe sie um, erklärt Jan Voigt von der AfD im Kreis Steinburg. Genauso die Diskussion um den Austausch von Heizungen. "Die Bürger fragen sich, wie sie sich das alles leisten sollen. Wir wollen mit einer vernünftigen Politik vor Ort dagegensteuern", sagt er gegenüber NDR Schleswig-Holstein. Politik, die auf Bundes- und Europaebene spielt - wie genau das auf kommunalpolitischer Ebene gelöst werden soll, lässt auch Jan Voigt offen.
Mit diesen Themenschwerpunkten erklären sich die beiden AfD-Fraktionen in Dithmarschen und Steinburg ihren Wahlerfolg. Im Dithmarscher Kreistag haben sie 10,7 Prozent erreicht, in Steinburg 10,6.
Wahlsieger CDU vermutet verschiedene Gründe für AfD-Erfolg
Teure Lebensmittel, Diskussion um Heizungstausch: "Diese Ängste führen dazu, dass die Bindung zu traditionellen Parteien schwindet. Das macht mir große Sorgen", erzählt Volker Nielsen von der Dithmarscher CDU. Aus seiner Sicht hat sich die Politik des Bundes und Europas auf die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein ausgewirkt. Speziell für Dithmarschen vermutet er außerdem, dass der überstrapazierte Wohnungsmarkt auch für den AfD-Aufschwung gesorgt haben könnte.
Denn folgenden Satz habe er immer wieder an seinen Wahlständen gehört: Immer mehr Geflüchtete würden eine Unterkunft in der Kommune benötigen und deswegen gäbe es immer weniger Wohnraum für Einheimische. Außerdem hätten ihm Besucher auch gesagt: "Ich wähle die CDU nicht, sondern die AfD. Die da oben machen ja eh, was sie wollen", erzählt er gegenüber dem NDR.
"Es gibt bestimmt jemanden, der früher einmal uns gewählt hat, jetzt aber AfD wählt", sagt auch der CDU-Fraktionsvorsitzende aus dem Kreis Steinburg Marko Förster. Sein Erklärungsansatz dafür: Die CDU habe nicht offensiv genug die Themen Sicherheit und sozialen Frieden angesprochen. "Wenn wir es nicht machen, machen das andere", meint Marko Förster weiter.
In den Kreistagen in Steinburg und Dithmarschen will die CDU in Zukunft so mit der AfD umgehen wie bisher auch. Die "Alternative für Deutschland" sei bereits vor der Wahl im Kreistag vertreten gewesen und habe nicht durch Aktivität geglänzt, sagt Marko Förster von der CDU in Steinburg. Volker Nielsen aus Dithmarschen ergänzt, dass sie sich auf die wichtigen kommunalen Themen wie den Ausbau des ÖPNVs und der möglichen Northvolt-Ansiedlung kümmern wollen. Die AfD habe in der Vergangenheit im Kreistag eher europaspezifische Themen angehen wollen, die man im Kreistag aber gar nicht lösen könne, beklagt Volker Nielsen.
AfD profitiert von Durchsetzungsschwäche der großen Parteien
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Wilhelm Knelangen kann die AfD immer dann profitieren, wenn es den großen Parteien nicht gut gelingt, auf die aktuellen Sorgen der Bevölkerung einzugehen. Die Folgen des Krieges und die hohen Kosten in Verbindung mit der Energiewende sind mittlerweile bei uns im Land angekommen. Das führe dazu, dass viele Menschen unzufrieden seien, sagt Wilhelm Knelangen. "Wir wissen, dass ein bestimmter Anteil der Bevölkerung sein Vertrauen in die etablierte Politik verloren hat und die deswegen die AfD ankreuzen."
Auf den Kommunalwahlplakaten der AfD standen nur Begriffe wie "Sauberkeit" und "Ordnung". Aber reichte das alleine wirklich aus, um so viele Stimmen in Schleswig-Holstein zu holen?
Die Vorsitzende der Jugendorganisation der AfD in Dithmarschen hat auf der Social-Media-Plattform TikTok knapp 28.500 Follower. Dennis Schultz folgen dort auch immerhin 18.500 Menschen. Allerdings sind bei TikTok, so wie auf anderen Social-Media-Plattformen auch, nicht alle Profile verifiziert. Das bedeutet, nicht alle Follower sind im Zweifel echt. Trotzdem: Über diesen Kanal würden sie ihre Wählerinnen und Wähler erreichen, erklärt Dennis Schultz. Dazu kommen noch Facebook, Instagram und Telegram.
AfD Dithmarschen erreicht Zielgruppe über Facebook, TikTok, und Co.
"Was die AfD macht, ist auf der einen Seite ein klassischer Online-Wahlkampf", sagt der Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen. Sie würden in Erscheinung tauchen, um ihre eigene "Bubble" zu bedienen. Da biete Social Media ganz gute Wege. Die Kandidaten der AfD persönlich in diesem Wahlkampf zu treffen, war laut Knelangen schwierig. "Es gab nur wenige Termine und die waren in der Regel dann auch mit Protestmaßnahmen von Demokraten verbunden."
Schlussendlich hat die AfD nach Ansicht des Politikwissenschaftlers die Themen mehr oder weniger aufgesogen und hat keine besondere Werbung gemacht mit einzelnen Slogans. Das hat ausgereicht, um bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein im Landesergebnis auf 8,1 Prozent zu kommen.