Feuer auf Öltanker: Spezialkräfte in Kiel üben für Ernstfall

Stand: 15.04.2025 10:41 Uhr

Auf einer Werft in Kiel-Friedrichsort haben Kräfte der Berufsfeuerwehr Kiel am Montag für den Ernstfall trainiert. Das Szenario: Ein Öltanker brennt auf See - so wie im vergangenen Jahr die "Annika" auf der Ostsee vor Kühlungsborn.

von Moritz Mayer

Weißer Rauch steigt auf über dem Deck der "Eversand", im Inneren des ausgemusterten Marine-Schiffs sind Flammen zu sehen. Die Crew hat den Tanker bereits verlassen. Schon kurz darauf kommt ein Hubschrauber der Bundespolizei angeflogen. Der "Super Puma" steht präzise in der Luft, der Lärm ist ohrenbetäubend. Sechs Feuerwehrmänner winschen sich aus gut 30 Metern Höhe auf das brennende Schiff ab. Sie sammeln sich auf dem Vordeck.

Szenario: Maschinenraum eines Öltankers brennt

Ein Feuerwehrmann steht auf einem Schiff © NDR Foto: Moritz Mayer
Einsatzleiter Thomas Pahlke behält vom Vordeck aus den Überblick.

Einsatzleiter Thomas Pahlke gibt kurz darauf per Funk durch: "Rauchentwicklung aus dem hinteren Bereich. Betroffen sind wahrscheinlich der Maschinenraum und die Brücke." Daraufhin legen sich vier der Einsatzkräfte Atemschutzgeräte an und laufen zum Heck. Im Ernstfall wäre der Rauch dort giftig, die Temperaturen bei über 1.000 Grad, erklärt Benjamin Neugebauer von der Berufsfeuerwehr Kiel. Deshalb beginnen die Feuerwehrmänner, den Bereich zu kühlen. Sie montieren Sprinkler, um später den Innenraum betreten zu können.

Übung basiert auf wahrem Einsatz

Der Einsatz auf der "Eversand" ist eine Übung: Der Tanker liegt am Pier einer Werft im Kieler Stadtteil Friedrichsort, der Rauch kommt aus einer Nebelmaschine. Doch die Übung ist realistisch, erklärt der Ausbildungskoordinator Neugebauer.

Öltanker "Annika" brannte im Oktober 2024

Ein Feuerwehrmann auf einem Schiff © NDR Foto: Moritz Mayer
Ausbildungskoordinator Benjamin Neugebauer organisiert für die Berufsfeuerwehr Kiel die Übungen der MIRG-Gruppe.

Das Szenario bildet den Einsatz auf der "Annika" ab. Der Öltanker brannte im vergangenen Oktober auf der Ostsee vor Kühlungsborn (Mecklenburg-Vorpommern). Der Kieler Feuerwehrmann war bei dem Einsatz dabei. Denn Neugebauer und seine Kameraden sind Teil der "Maritime Incident Response Group" (MIRG). Im Ernstfall werden die Spezialkräfte vom Havariekommando in Cuxhaven alarmiert. Die Erfahrungen vom Einsatz auf der "Annika" gibt der Ausbildungskoordinator nun an seine Kollegen weiter.

Was ist die "Maritime Incident Response Group" (MIRG)?

Es sind Einsatzkräfte der Feuerwehr, die speziell für den Einsatz auf See ausgebildet sind. Eine MIRG-Gruppe setzt sich aus fünf bis sechs Feuerwehrleuten und einem Notarzt zusammen. Im Alltag sind sie auf ihrer Wache – zum Beispiel auf der Nordwache in Kiel – im Einsatz. Im Fall einer komplexen Schadenslage oder Rettungssituation auf Nord- und Ostsee werden sie vom Havariekommando alarmiert. Innerhalb von 30 Minuten rücken sie zum Einsatzort aus – häufig per Hubschrauber. Die MIRG-Gruppen sind in neun Städten an der Nord- und Ostseeküste stationiert – unter anderem in Kiel, Lübeck, Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) und Cuxhaven. Die Kräfte aus Kiel und Cuxhaven werden in der Regel als erstes vom Havariekommando alarmiert.

Auf einem Meer wird aus einem Hubschrauber wird eine Person auf ein Feuerlöschboot abgeseilt. © NDR Foto: Moritz Mayer
Es hat mehrere Versuche gebraucht, bis sich alle Feuerwehrleute auf das Feuerlöschboot abwinschen konnten.

Bei der Übung auf der "Eversand" trifft nach etwa einer Stunde Verstärkung ein: Ein zweites Team seilt sich auf der Kieler Förde auf ein Feuerlöschboot ab – bei Böen von teilweise über 15 Knoten herausfordernd für alle Beteiligten, sagt Neugebauer. Das kleine Feuerwehr-Boot legt kurz darauf längsseits an der "Eversand" an. Das Team steigt auf den Tanker über. Neugebauer erklärt: "Wir machen jetzt einen Zeitsprung von fünf bis sechs Stunden. Die Kühlmaßnahmen zeigen Wirkung, jetzt können wir mit dem Innenangriff beginnen."

Viel Rauch: Kaum Sicht für die Feuerwehr

Es ist orangener Nebel zu sehen. © NDR Foto: Moritz Mayer
Der Blick in eine Kajüte: Der Innenraum der "Eversand" ist bei der Übung komplett verraucht.

Über die Brücke gehen die Feuerwehrmänner in den Innenraum des Schiffs. Mit schwerem Atemschutz, jeder Atemzug ist zu hören. Sie arbeiten sich Schritt für Schritt, Stockwerk für Stockwerk in Richtung Maschinenraum. Die Nebelmaschine arbeitet, die Männer können kaum die eigene Hand vor ihren Augen sehen. "Feuerschein sichtbar!", ruft plötzlich ein Feuerwehrmann. Immer wieder sind in den Räumen rote Flammen zu sehen. Gelöscht werden muss nichts, kleine Lampen simulieren das Feuer. Die Schläuche sind dennoch mit Wasser gefüllt, sind schwer zu tragen.

Immer wieder hängen Zettel an den Wänden: Sie zeigen Fotos vom Einsatz auf der "Annika". Manchmal müssen die Feuerwehrleute Liegestütze machen, damit sie die Anstrengung im "richtigen" Einsatz nachvollziehen können, sagt Neugebauer.

Gewappnet für nächsten Schiffsbrand auf Nord- und Ostsee

Nach etwa einer Stunde haben die Einsatzkräfte den Innenraum erkundet, alle vorbereiteten Aufgaben und Herausforderungen gelöst. Das Feuer ist aus. Im Ernstfall wie auf der "Annika" dauerte das mehrere Stunden, erzählt Neugebauer. Er ist mit der Übung zufrieden. Seine Kameraden hätten gezeigt, dass sie schnell auf die Aufgaben reagieren und diese lösen können. So, sagte der Ausbildungskoordinator, sind sie nun für den nächsten größeren Schiffsbrand auf Nord- und Ostsee gewappnet.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 14.04.2025 | 17:00 Uhr

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