KI-Start-up aus Lübeck: Einkaufs-App für kleineren CO2-Fußabdruck
Jeder Einkauf treibt die persönliche CO2-Bilanz in die Höhe. Die Gründer des Lübecker Start-ups "Ecocheck” wollen mit ihrer Einkaufszettel-App für mehr Überblick sorgen.
Ein digitaler Einkaufszettel, der die CO2-Emissionen des Einkaufs anzeigt: Das ist die Idee hinter der Smartphone-App "Ecocheck". Die beiden Start-up-Gründer Samira Huber und Ruben Hammele kennen sich aus dem Informatik-Studium an der TH Lübeck. "Wir haben uns gefragt, warum es so schwierig ist, herauszufinden, welche versteckten Emissionen in verpackten Lebensmitteln stecken", sagt Ruben Hammele. Ihre Vision: Eine App, die den CO2-Abdruck von Lebensmitteln transparent macht.
KI berechnet den "Nachhaltigkeitsscore"
Wie gut oder schlecht ein Lebensmittel fürs Klima ist, zeigt der "Nachhaltigkeitsscore". Eine getestete Biosalami landet bei fünf von zehn, demnach ist sie nicht besonders nachhaltig. "Ein Score über sieben ist auf jeden Fall gut" erklärt App-Entwickler Ruben Hammele. Grundsätzlich würden Obst und Gemüse sowie vegane Produkte besser abschneiden als Produkte, die Fleisch oder Milcherzeugnisse enthalten.
Der KI-basiert errechnete Score verknüpfe Informationen verschiedener Datenbanken. Darunter Herstellerinformationen zu den Zutaten. "Das Unternehmen, das Barcodes verteilt, hat auch eine Produktdatenbank, die Verpackung in digital sozusagen", erklärt Ruben Hammele. Zum Anderen greife die App auf wissenschaftliche Daten zu den Emissionen zu, die bei der Produktion der Zutaten entstehen. Beide Datenbanken seien nicht vollständig, sagen die Lübecker Unternehmer: "Hier setzen wir an, dass wir mit unseren Algorithmen Lücken füllen und diese Daten bestmöglich verknüpfen, um zu möglichst vielen Produkten eine Aussage treffen zu können."
Viele würden gern nachhaltiger konsumieren, wüssten aber nicht, wie
Studien zufolge wird ein Drittel der weltweiten Emissionen durch die Ernährung verursacht. Laut dem Bundesumweltamt kommt der CO2-Anteil der Ernährung in Deutschland im Schnitt auf 15 Prozent. Laut "Ecocheck”-Team kann durch klimafreundlichen Konsum die Hälfte dieser Emissionen eingespart werden.
Zwei Drittel der Befragten einer Forsa-Umfrage aus diesem Jahr würden sich gern nachhaltiger ernähren, gleichzeitig fehle vielen das nötige Wissen. So weiß laut der Umfrage nur ein Viertel der Befragten, dass es den stärksten Effekt auf das Klima hat, wenn man tierische Produkte wie Fleisch oder Milchprodukte weglässt.
Neben der digitalen Einkaufsliste, die auch klimaschonendere Produktalternativen vorschlägt, gibt’s deshalb noch eine Liste mit saisonalem Obst und Gemüse sowie Hinweise zu CO2-freundlicher Verpackung. So lernt man für den nächsten Nudelsaucenkauf, dass Einweggläser eine weitaus schlechtere Klimabilanz haben als Dosen. Dazu helfe die App, Greenwashing auf die Spur zu kommen, sagt Start-up-Mitgründerin Samira Huber: "Indem wir zum Beispiel darüber aufklären, dass der Begriff "regional" nicht geschützt ist."
Mit der App sollen Emissionen kompensiert werden können
Dazu kann man mit der App beim Einkaufen verpackte Produkte scannen und so zum Beispiel die Nachhaltigkeitsbilanz der Lieblings-Tiefkühlpizza checken. "Selbst eine vegane Pizza ist nicht perfekt", sagt Ruben Hammele. "Sie ist immer noch hochverarbeitet, und die vielen Prozessschritte verursachen Emissionen."
Spielereien wie Challenges und Badges, also digitale Sammel-Abzeichen sollen motivieren, die App länger zu nutzen. Eine weitere Funktion: Mit der App sollen CO2-Emissionen ausgeglichen werden können, indem man einen Geldbetrag zahlt - an die Appanbieter oder an Biodiversitätsprojekte. Es gibt dazu kostenpflichtige Aboversionen mit zusätzlichen Features. Rund 10.000 Mal sei die App bisher runtergeladen worden, sagt Ruben Hammele. Leben könne das fünfköpfige Start-up allein von den Umsätzen der App jedoch noch nicht.
Land fördert KI-Start-up mit 170.000 Euro
Umso wichtiger seien daher öffentliche Gelder: So unterstützt das Land Schleswig-Holstein das Start-up mit 170.000 Euro aus einem Topf, der KI-Technologien fördert. "Das Team verbindet in seiner App notwendige Transparenz im Lebensmittelbereich, um CO2-Emissionen zu verringern, mit den Potenzialen der Künstlichen Intelligenz", so die Begründung des Digitalisierungsministers Dirk Schrödter.
Probleme der App: Werte zum Teil fehlerhaft
Die Algorithmen werden ständig verbessert, erklärt Ruben Hammele. Das ist auch nötig, denn an einigen Stellen funktioniert die Verknüpfung der Datenbanken nicht richtig. So zeigt die App bei abgepacktem Rindersteak einen Nachhaltigkeitsscore "acht von zehn" an - ein Lebensmittel, das bekanntermaßen keine gute CO2-Bilanz hat. Das Problem sei bekannt, sagt Samira Huber von Ecocheck. Das Team arbeite daran, es zu lösen.
Transportwege sollen künftig besser in Berechnung einfließen
In Zukunft soll auch noch genauer berechnet werden können, welchen Transportweg ein Lebensmittel hinter sich hat - ein wichtiger Faktor für den CO2-Abdruck. Momentan arbeite die App noch mit Durchschnittswerten. Gezwungenermaßen, sagt Ruben Hammele: "Das ist leider in den Daten selten hinterlegt, da muss man selbst nochmal auf die Verpackung schauen."
Dass nicht berücksichtigt wird, ob eine Tropenfrucht per Schiff oder Flugzeug importiert wurde oder ob der Biojoghurt im Plastikbecher oder Mehrweg-Glas verkauft wird, bemängelt auch die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Ansonsten empfiehlt sie "Ecocheck”: Die App sei eine der wenigen, die Aspekte wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit konsequent transparent und verbindlich kommunizieren - und dazu sehe sie auch noch gut aus.