Invasive Art: Sperren sollen Kamberkrebs stoppen

Stand: 24.09.2023 06:00 Uhr

Der heimische Edelkrebs ist in Gefahr. In den schleswig-holsteinischen Gewässern breitet sich der Kamberkrebs aus - und bringt häufig den Krebspesterreger mit. Für den Edelkrebs ist dieser tödlich.

von Johanna Domke

Es ist früh morgens. Der Umweltforscher Kai Lehmann steuert sein Ruderboot auf eine Boje in Schilfnähe zu. Sie markiert den Standort der Reusen, die der Forscher am Vorabend ausgelegt hat. In der Reuse krabbeln mehrere dunkel gefärbte Krebse. "Wir kontrollieren heute den Bestand der Edelkrebse hier. Wir wollen sicher gehen, dass sich der invasive Kamberkrebs nicht verbreitet", sagt der Wissenschaftler. "Die Population in diesem Gewässer ist genetisch einzigartig, denn sie hatte noch nie Kontakt mit dem Kamberkrebs. Sie zu schützen, ist uns besonders wichtig", so Lehmann weiter.

Gute Krebse - böse Krebse

Mehrere Krebse. © NDR Foto: Johanna Domke
In Deutschland gilt der Edelkrebs offiziell als "vom Aussterben bedroht".

Der Edelkrebs ist die einzige in Schleswig-Holstein heimische Flusskrebsart. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Edelkrebse in nahezu allen Gewässern verbreitet und häufig, dann wurde der Kamberkrebs zur Zucht aus Nordamerika eingeführt. Damals wusste man nicht, was das für Auswirkungen auf die heimische Art haben würde. Kamber- aber auch Signalkrebse kommen mittlerweile milliardenfach fast überall vor, ob in der Schlei, in der Schwentine oder in vielen Gewässern von Ostholstein oder Dithmarschen. In Ostholstein, und insbesondere im Schwentinesystem, ist vor allem der Kamberkrebs weit verbreitet. Das Problem: Er ist oft mit dem tödlichen Krebspesterreger infiziert. Der Kamberkrebs ist gegen diesen Erreger zwar immun - der heimische Edelkrebs aber nicht.

Forschung soll Edelkrebs retten

Mann auf einem Boot beim einholen von Reusen. © NDR Foto: Johanna Domke
Wenn in den Reusen Krebse zu finden sind ist die Sperre nicht effektiv.

Um den Edelkrebs in den Gewässern in Schleswig-Holstein zu retten, hat Kai Lehmann gemeinsam mit dem Landesamt für Umwelt in Kiel in den letzten Jahren umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. Er will herausfinden, wo noch ausreichend Populationen existieren und wie sie in Zukunft geschützt werden können. Die Kontrolle im Benzer See soll Aufschluss geben über den Zustand des dortigen Bestands. Der Umweltwissenschaftler hat deshalb alle Krebse in den Reusen gezählt, gewogen und vermessen. "Dieser Bestand steht wirklich sehr gut da: Es gibt Krebse in verschiedenem Alter und ein ausgewogenes Verhältnis von weiblichen und männlichen Tieren. Wenn die Population nicht in Kontakt mit Kamberkrebsen kommt, kann diese Kolonie hier noch sehr lange bestehen", meint Lehmann zufrieden. Doch wie können Biologen, Binnenfischer und Umweltschützer die Krebsarten wirksam voneinander trennen?

Krebssperre soll invasive Art fernhalten

Krebssperre im Fluss. © NDR Foto: Johanna Domke
Kamberkrebse sollen durch diese Barriere an der Ausbreitung gehindert werden.

Um die Einwanderung der Kamberkrebse in die Benzer Seen zu verhindern, hat Kai Lehmann in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt eine Krebssperre im Seezufluss errichtet. Zwei Barrieren aus Metall in einigem Abstand zueinander, sollen die invasiven Artgenossen am Fortkommen hindern. "Invasive Krebse können sehr gut klettern. Bei einem rauen Untergrund finden sie ausreichend Halt, um auch steile Uferpartien zu überwinden. Selbst ins Wasser hängende Pflanzen oder Äste werden als Kletterhilfe genutzt", erklärt Lehmann. Auch zwischen den zwei Sperren hat der Wissenschaflter Reusen ausgelegt. "Das ist der Kontrollpunkt - wenn es hier Kamberkrebse gäbe, wäre die Wirksamkeit der Sperre nicht gewährleistet." Die Reuse ist leer - zum Glück. Der Bau von für invasive Krebsarten unüberwindbaren Krebssperren ist nachweislich die einzige Möglichkeit, die letzten Edelkrebsbestände in Schleswig-Holstein vor dem Aussterben zu bewahren.

Invasive Arten oft Grund für Artensterben

"Als invasive Art bezeichnet man eine Art, die durch den Mensch - absichtlich oder unabsichtlich - in eine Region oder ein Gebiet gelangt ist. Die Rede ist also nicht von einer normalen Verbreitung", Sagt Lena Watermann vom Landesamt für Umwelt. Nach einer Studie des Weltbiodiversitätsrats ist in 60 Prozent der Fälle eine invasive Art für das Aussterben einer heimischen Art mitverantwortlich - in 16 Prozent der Fälle ist es sogar der entscheidende Faktor. Es ist demnach ein menschengemachtes Problem.

Das Landesamt für Umwelt fördert deshalb massiv Maßnahmen für den Schutz des Edelkrebses sowie seine Aufzucht und Neuansiedlung. "Wenn wir jetzt nichts machen, werden wir den Edelkrebs komplett verlieren. Wenn wir aber der Art ein bisschen Zeit geben, kann der sich eventuell anpassen und Resistenzen gegen den Krebspesterreger entwickeln", meint der Umweltforscher. Auch in anderen Bundesländern, vor allem in Niedersachsen und Baden-Würtemberg werden Krebssperren eingesetzt, um Bachläufe vor den invasiven Krebsen zu schützen. In Schleswig-Holstein ist das Edelkrebsvorkommen bisher das Einzige, das noch keinen Kontakt zum Kamberkrebs hatte. Mit der Krebssperre, der regelmäßigen Bestandskontrolle und Vermehrung, möchte Kai Lehmann die heimischen Edelkrebse auch für die Zukunft erhalten.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 24.09.2023 | 19:30 Uhr

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