Initiative setzt sich gegen geplante Einschnitte bei Bürgerbegehren ein
Ein Bündnis will vom Landtag beschlossene Änderungen im Kommunalrecht rückgängig machen, die Bürgerbegehren einschränken. Auch die Oppositionsparteien SPD und SSW unterstützen das Vorhaben.
Oppositionsparteien, Umweltverbände und der Verein "Mehr Demokratie" haben ein Bündnis mit insgesamt über 30 Akteuren geschlossen und die Volksinitiative "Rettet den Bürgerentscheid" gegründet. Gemeinsam wollen sie erreichen, dass die vom Landtag beschlossenen Einschränkungen für Bürgerbegehren rückgängig gemacht werden. Am Freitag sammelten sie vor dem Kieler Rathaus erste Unterschriften.
Keine Bürgerbegehren bei Bauvorhaben mit Zwei-Drittel-Mehrheit
Im März hatte das Landesparlament mit schwarz-grüner Mehrheit Änderungen am Kommunalrecht beschlossen. Jetzt sind Bürgerbegehren bei Bauvorhaben, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Gemeinderat gab, unzulässig. Begehren gegen einen Beschluss einer Kommunalvertretung müssen binnen drei Monaten folgen. Die Koalition gab an, sie wolle damit Baugenehmigungen für Infrastrukturprojekte wie Schulen, Krankenhäuser, Wohnhäuser und Windräder beschleunigen und Kommunen mehr Planungssicherheit geben. Die Opposition warf der Koalition Demokratieabbau vor.
Initiatoren: Begründung für Beschluss nicht nachvollziehbar
Deshalb unterstützen die SPD und die SSW nun auch die Volksinitiative, ebenso wie die Linke, die derzeit nicht im Landtag sitzt. Die Reform werde die direkte Demokratie in den Gemeinden und Kreisen Schleswig-Holsteins massiv einschränken, so die Kritik des Bündnisses. Die Hürden seien nun zu hoch. Die Argumentation, dass so Projekte beschleunigt werden sollen, kann die Vorsitzende des Vereins "Mehr Demokratie", Claudine Nierth, nicht nachvollziehen.
"Die Regierung hat diese Änderung bisher nicht empirisch belegt und begründet. Wer sich den Bericht über Bürgerbegehren in Schleswig-Holstein anguckt, sieht: Es gibt diese Gründe nicht. Im Gegenteil Bürgerbegehren und Bürgerentscheide schaffen auch eine Planungssicherheit, weil sie ein rechtsgültiges Verfahren sind und relativ schnell Entscheidungen herbeiführen." Claudine Nierth, Vorsitzende des Vereins "Mehr Demokratie"
Durch die Einschränkungen erwartet sie einen gegenteiligen Effekt, nämlich dass es künftig mehr Klagen geben werde, die Planungen behindern und verlangsamen. Mit der Einbindung der Bürger in Entscheidungen seien schnellere Planungen möglich als ohne sie, sagte auch die BUND-Landesvorsitzende Claudia Bielfeldt.
Ziel: 20.000 Unterschriften bis Mitte September
Die Volksinitiative will bis 15. September die 20.000 erforderlichen Unterschriften sammeln, damit sich der Landtag mit ihrem Anliegen befassen muss. Zum offiziellen Startschuss am Freitag unterzeichneten Bielfeldt und Nierth zusammen mit Christina Schubert aus dem SPD-Landesvorstand vor dem Kieler Rathaus die ersten Listen. Sie wünsche sich als Kommunalpolitikerin zwar, dass Verfahren zügig funktionieren, sagte Schubert, "aber das damit zu erreichen, indem man den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit nimmt, sich kritisch mit den Beschlüssen der Vertretungen auseinanderzusetzen, führt am Ziel vorbei." Die Landesregierung habe ohne Not und gegen jede Vernunft die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger beschnitten, sagte SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli, die eine der Vertrauenspersonen für die Volksinitiative ist, aber selbst am Freitag nicht vor Ort war. Midyatli zeigte sich zuversichtlich, dass das Bündnis erfolgreich sein wird.
Unterschriftensammlung ist erster Schritt für Volksentscheid
Erreicht die Volksinitiative die nötige Anzahl an Unterschriften, muss der Landtag innerhalb von vier Monaten über die Zulässigkeit der Volksinitiative entscheiden und Stellung beziehen. Wenn keine Einigung erzielt wird, können die Initiatoren die zweite Stufe, das Volksbegehren mit 80.000 Unterschriften einleiten, um einen verbindlichen Volksentscheid über ihre Forderungen zu erreichen.