IG Metall: Unternehmen aus SH wollen im Ausland produzieren
Wegen der Wirtschaftskrise planen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Schleswig-Holstein, mit der Produktion ins Ausland abzuwandern. Das zeigen Umfragen von Nordmetall und der IG Metall.
21 Prozent der Metall- und Elektrounternehmen im Land planen nach Angaben des Unternehmensverbands Nordmetall und der Gewerkschaft IG Metall, ihre Produktion teilweise ins Ausland zu verlagern. Dies ist der höchste je in Nordmetall-Konjunkturumfragen gemessene Wert. Auch die IG Metall schlägt Alarm: Nach einer aktuellen Umfrage schätzen mehr als 20 Prozent der Unternehmen die Gefahr, dass weiterhin Beschäftigung ins Ausland verlagert wird, als "eher hoch" ein.
Unternehmer aus Ahrensburg schließt Hallen
Auch Unternehmer Lars Reeder gehört dazu. Seine Firma Hein & Oetting Feinwerktechnik in Ahrensburg (Kreis Stormarn) produziert unter anderem Bauteile für die Navigation von Schiffen. Reeder hatte zwei Fabrikhallen an einem Zweigstandort in Mecklenburg-Vorpommern. Noch im vergangenen Jahr hätten hier 25 Vollzeitkräfte gearbeitet, erzählt der Geschäftsführer. "Das waren pro Halle knapp 1.000 Quadratmeter. Die ganze Fläche haben wir jetzt abgegeben."
Produktion im Ausland billiger
Der Geschäftsführer hatte Probleme am Zweigstandort, Fachkräfte zu finden. Von den Mitarbeitenden vor Ort konnte er nach der Schließung der Hallen nur wenige überzeugen, zu pendeln und in der Zentrale in Ahrensburg zu arbeiten. Ein Teil der Produktion aus der geschlossenen Zerspanungswerkstatt kauft er nun in Osteuropa ein. Denn: Drehen, bohren, fräsen, schleifen ist im Ausland billiger.
Energiekosten deutlich gestiegen
Das liegt auch an den hohen Energiekosten in Deutschland. Allein die zentrale Produktionshalle in Ahrensburg verbraucht laut Reeder 1,3 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Das kostet den Unternehmer 400.000 Euro. Vor drei Jahren seien es noch 270.000 Euro gewesen - etwa ein Drittel weniger Energiekosten. "Das ist Geld, was uns einfach für Investitionen fehlt", bemängelt der Unternehmer. Er müsse schließlich Erträge erwirtschaften, um investieren zu können, auch in die Arbeitsplätze. "Wenn wir das für Energiekosten ausgeben, ist das Geld weg", erklärt Lars Reeder.
Migration gegen den Fachkräftemangel
Für Probleme sorgt auch der Fachkräftemangel, nicht nur am ehemaligen Zweigstandort in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in der Zentrale in Ahrensburg. Hier beschäftigt Reeder inzwischen 25 Migranten aus zwölf Nationen. Jeder vierte Angestellte kommt mittlerweile aus dem Ausland. Die Migrationsdebatte verfolgt der Unternehmer deshalb mit Sorge.
"Wir wären hier aufgeschmissen ohne die Mitarbeiter, die von irgendwo auf der Welt zu uns gewandert sind. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht mit Migranten. Wir haben auch viele Migranten, die wir tatsächlich auch nur anlernen, so dass sie bestimmte Tätigkeiten im Hause machen können. Unsere Migranten sind sehr arbeitswillig." Unternehmer Lars Reeder
Lohnkosten sorgen für Produktionsverlagerungen
Auch das Thema Lohnkosten sieht Lars Reeder als Problem. Der Unternehmer zahlt insgesamt 4,2 Millionen Euro Lohnkosten pro Jahr. Das macht ein Drittel seiner Gesamtkosten aus. In Osteuropa sei das Lohnniveau geringer. Für Kritik sorgt auch die Debatte um den Mindestlohn im Wahlkampf. Reeder sieht darin einen regelrechten Überbietungswettbewerb einiger Parteien. "Ich denke, das sollte man den entsprechenden Kommissionen überlassen. Die einzelnen Tarifparteien sollten diese Dinge aushandeln. Das muss nicht der Staat vorgeben."
Migranten schneller in den Arbeitsmarkt bringen
Till Requate ist Wirtschaftswissenschaftler an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er ist Professor für Innovations-, Wettbewerbs- und Neue Institutionenökonomik. Requate fordert, dass die Struktur der Netzentgelte nochmals überarbeitet wird, um so die Energiekosten im Norden zu senken. Außerdem sollten Migranten schneller in Arbeit gebracht werden, meint Requate.
"Man muss überlegen ob es immer sein muss, dass ausländische Arbeitskräfte erst Deutsch lernen für ein Jahr und dann in den Job gehen. Viele sind ja bereits ausgebildet. Zum Beispiel viele ukrainische Geflüchtete: die haben was gelernt, könnten eigentlich sofort anfangen." Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Till Requate
Deutsch könnten Migranten auch in Abendkursen oder direkt im Betrieb lernen, meint Requate. Das müsse nicht zwingend stattfinden, bevor sie eine Arbeit aufnehmen. Auf diese Weise könne vermieden werden, dass Unternehmer wie Lars Reeder weiter Produktion ins Ausland verlagern müssen.
