Haushalt: Günther erwartet noch dieses Jahr Fluthilfe vom Bund
Engpässe bei Kitas und Polizei, Hilfe bei Flutschäden: Das Land hat für den Haushalt 2024 dringende Themen auf der Liste. Doch die Ausgangslage ist schwierig, wie Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Interview erklärt.
Herr Günther, auch wenn es draußen nass und kalt ist, hat man das Gefühl, politisch brennt überall die Hütte. Kriegen Sie eigentlich manchmal Angst, hier in ihrem Amtszimmer, wenn sie draußen auf die Politik blicken?
Daniel Günther: Nein, ich glaube, Angst trifft es nicht ganz. Aber es ist schon eine Zeit, in der spürbar ist, dass sich viele Menschen Sorgen machen, dass wir im Moment in wirklich multiplen Krisen auf der Welt sind - und sich seit 2020 wirklich wahnsinnig viel fundamental verändert hat. Corona-Pandemie, russischer Angriffskrieg auf die Ukraine, jetzt die schrecklichen Gräueltaten der Hamas gegen israelische Zivilisten - mit einem Krieg in Nahost und auch die Auswirkungen, die wir bei uns in Deutschland spüren.
Das sind herausfordernde Zeiten für die Politik, aber auch für die Menschen im Land. Und natürlich spüre ich auch den Pessimismus - auch mit Blick auf die Zukunft - der viele Menschen umtreibt, auch bei uns in Schleswig-Holstein. Von daher ist das jedes Mal wieder neue Motivation, die man sich selbst mit auf den Weg geben muss, um in diesem Land Verantwortung zu tragen.
Jetzt haben Sie für dieses und auch für das nächste Jahr eine Haushaltsnotlage beschlossen. Haben Sie schon eine innere Streichliste, was Sie durch die Entscheidungen im Bund und jetzt auch im Land nicht mehr werden machen können?
Günther: Wir haben konsequent das fortgesetzt, was wir auch schon vorher entschieden haben. Wir haben wegen Corona, Ukraine, Umstellung der Energieversorgung und auch wegen der Sturmflut entschieden, dass wir dafür Notkredite aufnehmen. Das setzen wir jetzt nur konsequent fort - aber beachten natürlich auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Dass man in dem Haushaltsjahr die Ausgaben auch tätigen muss, für die diese Krise erklärt worden ist, das setzen wir in Schleswig-Holstein konsequent um, um auch in der Lage zu sein, die Herausforderung weiterhin finanziell stemmen zu können.
Wir haben 2023 weniger Steuereinnahmen gehabt als 2022 und werden in 2024 auch erst wieder auf dem Niveau sein, in dem wir 2022 waren. Das heißt, dass wir im Moment nicht viele finanzielle Möglichkeiten haben. Und daran arbeiten wir auch. Das haben wir ja auch transparent gemacht und werden unter Berücksichtigung der rechtlichen Lage in der nächsten Woche auch einen sprechenden Haushalt 2024 auf den Weg bringen.
Zu alldem ist auch noch die Sturmflut aus dem Oktober gekommen. Da waren Sie vor einem Monat noch ziemlich optimistisch, dass der Bund dem Land da unter die Arme greift. Wie sieht das eigentlich aus? Bislang hat man noch nicht so viel gehört.
Günther: Ich bin immer noch optimistisch - wenn der Bundeskanzler vor allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, vor der gesamten Bundesregierung Manuela Schwesig und mir zusagt, dass der Bund binnen kurzer Zeit - er sprach von zwei bis drei Wochen - eine finanzielle Beteiligung sicherstellen will, und zwar vergleichbar mit anderen Ereignissen. Stichwort Ahrtal. Da hat sich der Bund an der Hälfte der Kosten beteiligt. Da glaube ich natürlich daran, dass das Wort des Bundeskanzlers da auch zählt.
Auch wenn jetzt schon vier Wochen vergangen sind?
Günther: Auch dann, und ich respektiere schon, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Deutschland insgesamt auch die thematische Vielfalt noch ein bisschen verbreitert hat, dass die sich auch um andere Dinge kümmern. Das kann ich total nachvollziehen. Aber ich erwarte natürlich schon noch in diesem Jahr Klarheit, dass wir auch wissen, woran wir sind. Denn das sind hier enorme Herausforderungen. Wir haben ja jetzt schon in Schleswig-Holstein klargemacht, dass wir über einen hohen dreistelligen Millionenbetrag sprechen, den wir investieren müssen. Und da muss der Bund sich auch beteiligen und ich gehe auch davon aus, dass wir da hoffentlich endlich bald Klarheit haben.
In der nächsten Woche ist das Thema Kita-Gesetz im Landtag. Da werden Demonstrationen von wütenden Eltern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet. Auch die Kommunen fühlen Sie sich da vom Land alleine gelassen. Offenbar fehlen um die 15.000 Kita-Plätze. Haben Sie die Möglichkeit, da noch etwas draufzulegen? Wollen Sie es überhaupt?
Erstmal ist mir wichtig zu betonen, dass wir in den vergangenen Jahren eine ganze Menge dafür getan haben. Als ich 2017 Ministerpräsident wurde, hatten wir eine Situation in Schleswig-Holstein, dass das Land die Kommunen und die Eltern vollkommen alleingelassen hatte. Es gab einen Zuschuss von 70 Millionen Euro, die höchsten Elternbeiträge, die geringste Beteiligung des Landes. Heute zahlen wir etwa eine halbe Milliarde Euro jährlich als Land Schleswig-Holstein in unsere Kitas. Wir haben gedeckelte Elternbeiträge.
Aber richtig ist: Wir haben die Personalquote in den Bereichen auch erhöht, aber es fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist eine große Herausforderung. Und von daher kann ich verstehen, dass da im Moment Druck im System ist und dass dort eine Erwartungshaltung ist, dass wir hier auch ein Stück weit zu Reformen kommen. Darüber sind wir auch im Austausch und wollen ja dieses System evaluieren, um hier auch nachzusteuern. Von daher sind wir da nicht nur gesprächsbereit, sondern werden in diesen Bereichen natürlich auch als Landesregierung handeln.
Die Polizei sagt auch, sie ist überlastet. Die SPD fordert jetzt, dass der Landtag beschließen soll, die zweite Einsatzhundertschaft jetzt aufzubauen, was ja auch Ihr Ziel ist. Es fehlen aber noch einige Dutzend Polizeibeamter, die neu eingestellt werden müssten. Wie stehen Sie dazu? Werden Sie die SPD-Antrag dann zustimmen?
Ziel ist es, auf jeden Fall die zweite Einsatzhundertschaft aufzubauen. Wir sind ja schon wesentliche Schritte vorangekommen. Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Landespolizei Hunderte neuer Stellen geschaffen. Das heißt, die Situation ist verbessert worden. Wir konnten Polizeidienststellen, die die Vorgängerregierung auch geschlossen hatte, wieder aufbauen. Wir wollen diesen Weg auch konsequent fortsetzen.
Ich kann nur darauf verweisen: Die Haushaltslage ist dramatischer geworden. Wir haben durch die vielen Krisen erheblich weniger Steuereinnahmen in unserem Land, und das habe ich als Ministerpräsident, das haben wir auch im Parlament zu berücksichtigen. Und von daher wachsen die Bäume im Moment in allen Bereichen nicht in den Himmel. Dass die Opposition alles Mögliche in solchen Zeiten fordert, dafür habe ich volles Verständnis. Das ist auch der einen Job. Aber wir können halt nur das machen, was wir wirklich auch verantworten können. Und das werden wir auch tun.
Das heißt kommt die zweite Einsatzhundertschaft komplett oder nicht?
Sie muss auf jeden Fall kommen. In welchen Abschnitten wir jetzt die zusätzlichen Stellen schaffen, das werden wir in der nächsten Woche beantworten. Sie wissen ja, dass wir am Dienstag auch im Kabinett über den Haushaltsentwurf beraten, und da werden wir auch Antworten auf diese Frage geben.
Jetzt ist bald Weihnachten. Haben Sie als Ministerpräsidenten Wunsch für Schleswig-Holstein?
Ich habe auf jeden Fall den Wunsch für 2024, dass das ein Jahr wird, in dem wir gemeinsam mit deutlich mehr Optimismus in die Zukunft gucken können. Ich glaube, da gucken wir alle zusammen, nicht nur auf Schleswig-Holstein selbst, auf die schlimmen Konflikte, die es in der gesamten Welt gibt, auf die Lage insgesamt, die wir in Deutschland haben. Aber ich bin ein zuversichtlicher Mensch. Und von daher bin ich mir sicher, dass das Jahr 2024 ein hoffnungsfroheres Jahr wird, als es 2023 war.
Das Interview führte Andreas Schmidt, NDR Schleswig-Holstein