Glosse zum Bahnstreik: Wen bringt das noch aus dem Konzept?
Die Lokführergewerkschaft GDL streikt mal wieder - und ausbaden müssen es die Fahrgäste der Deutschen Bahn. Schlimm? Eigentlich nicht, denn Schienenersatzverkehr, Baustellen und Verspätungen sind eh an der Tagesordnung.
Ich hatte so viele Erwartungen an das Deutschlandticket. Seit Mai hab' ich es - und ich wollte ganz viel Bahn und Bus fahren und das Auto stehen lassen, klimafreundlich sein. Aber wenn man in Schleswig-Holstein lebt, bleibt diese Vorstellung nur ein unerfüllter Wunsch. Ich weiß nicht, wie oft ich schon die Bahn-App auf meinem Handy gecheckt habe: Eine Fahrt von Kiel nach Bredstedt zu meinem Papa: 2:38 Stunden über Elmshorn. Spinnen die jetzt? Warum denn Elmshorn? Das ist doch ganz woanders. Krass. Eine Reportage in Kappeln, das müsste doch auch mit Öffis gehen. Ach nee, da ist ja die ganze Zeit Schienenersatzverkehr, da muss ich mit Bus bis nach Eckernförde und dann weiter. Meine Freundin in Flensburg besuchen - okay, ich wage es mal. Am Ende war ich fast sechs Stunden unterwegs. Hurra!
Ganz einer Meinung mit dem Verkehrsminister
Und nun der Warnstreik der GDL. Zwischen Kiel und Hamburg fährt nur noch ein Zug alle zwei Stunden. Das gleiche gilt Richtung Flensburg. Alle drei Stunden ein Zug zwischen Niebüll und Westerland. Hier und da umsteigen auf Busse, die Nordbahn nutzen. 'So what?' Ich muss sagen, die Einschränkungen schocken mich nicht besonders. Ist doch fast wie immer. Wann läuft schon mal was reibungslos? Selbst Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) hat letztens gesagt: "Schleswig-Holstein hat die schlechteste Schieneninfrastruktur aller Bundesländer." Zuverlässig? Pünktlich? Schön wär's: "Eine Pünktlichkeit von 70 Prozent entspricht nicht meiner Definition von zuverlässig." Da spricht mir Madsen aus der Seele.
Eben kommt über unseren Nachrichtenticker beim NDR eine weitere Bahnmeldung: "Bahnreisende müssen wegen Bauarbeiten von Freitag an mit Einschränkungen auf den Bahnstrecken von Kiel und Flensburg nach Hamburg rechnen." In Neumünster wird eine Brücke saniert - bis zum 26. November entfällt zwischen Neumünster und Hamburg jeder zweite Regionalexpress. Irgendwie schalte ich langsam ab bei diesem ganzen Bahnchaos.
Probesitzen auf neuen Polstern
Noch 'ne Meldung heute von NAH.SH: Gesucht werden 30 Testsitzer für neue Sitze in Zügen auf bestimmten Bahnlinien. Ist jetzt nicht deren Ernst, oder? Welche Züge denn? Vielleicht lieber Probesitzen in den vielen Bussen des Schienenersatzverkehrs? Ich glaube, mein Abo für das Deutschlandticket ist bald Geschichte. Ich steige lieber wieder um auf's Auto. Aber der Wille war da.
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