Stand: 18.05.2015 18:21 Uhr

Gescheiterte Politik beim sozialen Wohnungsbau

von Djamila Benkhelouf

Verzweifelt sucht Melanie Schmidt* für sich und ihre drei Kinder eine bezahlbare Wohnung in Kiel. Die Mutter ist alleinerziehend und auf günstigen Wohnraum in der Stadt angewiesen. Bisher wohnt sie in Kiel Mitte, ihre neunjährige Tochter geht dort zur Schule, um die Ecke sind ihre dreijährigen Zwillingsjungs in einem Kindergarten untergebracht. Doch in der Nähe, dort wo sie jetzt wohnt, findet sie keine günstige Wohnung. Das Problem: in der Innenstadt gibt es kaum sozialen Wohnungsbau und zu wenig günstige Wohnungen.

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Viele Wohnungen haben Mietpreis-Bindung verloren

Jochen Kiersch vom Mieterverein Kiel
Jochen Kiersch vom Mieterverein Kiel bemängelt, dass es viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt.

Die Nachfrage ist groß. Auch in den anderen Stadtteilen von Kiel sieht es häufig nicht besser aus. Das Problem sei hausgemacht, sagt der Mieterverein Kiel. Mehr als 3.000 Wohnungen haben im vergangenen Jahr ihre Mietpreis-Bindung verloren. Das bedeutet: die auf Jahre festgelegte günstige Miete gibt es nicht mehr. Zwar darf der Vermieter nicht sofort unbegrenzt erhöhen, zunächst neun Prozent in drei Jahren, aber nach einer Übergangsfrist, kann er die Wohnungen frei und nach Belieben vermieten. Für viele Menschen bedeutet das, sie können sich ihre ehemals günstigen Wohnungen nicht mehr leisten, müssen umziehen. Und Menschen mit geringem Einkommen, Alleinerziehende oder Rentner finden immer seltener eine bezahlbare Bleibe. "Wir haben einen erhöhten Bedarf an günstigeren Wohnungen, viel höher als es überhaupt günstige Wohnungen in der Stadt gibt", sagt Jochen Kiersch vom Mieterverein Kiel.

Durchmischung nimmt ab

Eine Studie des Pestel Instituts Hannover hat errechnet, das allein in Kiel 12.000 öffentlich geförderte Wohnungen fehlen. In ganz Schleswig-Holstein sind es sogar 85.000 fehlende Sozialwohnungen. Gerade in den besseren Lagen schrumpft der Bestand an Sozialwohnungen - mit dem Ergebnis, dass eine Durchmischung eines Gebietes immer weiter abnimmt und Menschen mit geringerem Einkommen an den Stadtrand gedrängt werden. Warum bekommen Städte wie Kiel das Problem nicht in den Griff? Ende der 90er-Jahre hat die Stadt sämtlichen kommunalen Wohnungsbestand verkauft. "Die Stadt war pleite und da dachte man sich, man könne sich mit dem Verkauf des eigenen Wohnungsbestandes sanieren, leider hat das nicht geklappt", kritisiert Jochen Kiersch. Denn die verkauften Wohnungsbestände landeten überwiegend in der Hand von Finanzinvestoren.

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Unfaires Konkurrenzverhältnis

Einige von Ihnen stehen in der Kritik, weil sie offenbar Wohnungen verwahrlosen lassen. Andere wiederum erhöhen die Miete so sehr sie können. Die Stadt hat mit dem Verkauf ihres Bestandes also auch den Einfluss auf den Markt verloren. "Menschen mit geringerem Einkommen konkurrieren auf dem Markt mit Mietern, die mehr zahlen können und haben so Nachteile bei der Wohnungsvergabe, ein kommunales Wohnungsunternehmen könnte dem entgegen wirken, weil es eben nicht agiert, wie ein auf Rendite fixiertes Unternehmen“, betont Kiersch. Deshalb fordert der Mieterverein den Wiederaufbau eines kommunalen Wohnungsbauunternehmens. Nur so könne man wieder Einfluss auf dem Wohnungsmarkt nehmen und die Menschen versorgen, die es am Nötigsten haben, ist sich Kiersch sicher.

Viel zu wenige Wohnungen

Oberbürgermeister Ulf Kämpfer
Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer lehnt ein kommunales Wohnungsunternehmen ab.

Oberbürgermeister Ulf Kämpfer lehnt solche Pläne ab. Die Forderung nach dem Wiederaufbau einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft sei zwar eine sympathische Idee, allerdings im Moment nicht konkret, weil die Finanzlage der Stadt dies nicht zulasse. Stattdessen verweist Kämpfer gegenüber Panorama 3 auf einen Masterplan mit dem Ziel jährlich bis zu 800 neue Wohnungen zu bauen. "Viel zu wenig", sagt der Mieterverein. Denn nur 300 der geplanten 800 Wohnungen wären öffentlich geförderte und günstige Wohnungen. "Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, da viel mehr Wohnungen ihre Bindung verloren haben, als jetzt nachgebaut wird. In diesem Jahr kommen ja weitere Sozialwohnungen dazu, die ihren Status verlieren", mahnt Kiersch. Melanie Schmidt* muss indes weitersuchen. Viel Zeit hat sie nicht mehr - Ende Juni muss sie ihre Wohnung räumen. "Die Situation belastet mich sehr, die Kinder träumen schlecht."

*Der Name wurde von der Redaktion geändert.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 19.05.2015 | 21:15 Uhr

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