Geomar-Experte: Aktionsplan Ostseeschutz allein reicht nicht
Die Landesregierung will die kränkliche Ostsee mehr schützen. Einen Nationalpark wird es dafür nicht geben. Stattdessen sollen neue Schutzgebiete kommen. Ein Experte vom Geomar begrüßt im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein die Schutzmaßnahmen - sieht langfristig aber weiteren Handlungsbedarf.
Die Ostsee braucht Hilfe, der Zustand des Binnenmeeres ist laut Experten kritisch. Zu viele Schadstoffe, Sauerstoffmangel und der Rückgang der Artenvielfalt setzen dem Meer vor unserer Haustür zu. Nach dem Willen von Umweltminister, Tobias Goldschschmidt (Grüne), sollte ein Nationalpark Ostsee in den schleswig-holsteinischen Gewässern eingerichtet werden.
Ein Jahr wurde über die Idee gerungen und gestritten. Es gab viele Widerstände. Im Herbst vergangenen Jahres erteilte der Koalitionspartner CDU dem Projekt dann eine Absage. Doch nun hat die schwarz-grüne Koalition einen Kompromiss gefunden: den Aktionsplan Ostseeschutz 2030. Umweltminister Goldschmidt und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatten diesen am Dienstag in Kiel vorgestellt.
Der Aktionsplan im Kurzüberblick
Der vorgestellte Aktionsplan Ostseeschutz umfasst eine Reihe an Schutzmaßnahmen. Im Kern geht es um folgende Punkte:
- 12,5 Prozent des Schleswig-Holsteinischen Ostseegebiets sollen unter strengen Schutz
- Einschränkungen für Fischer und Wassersportler
- Keine neuen Schutzflächen an Land
- Eintrag von Nähr- und Schadstoffen soll reduziert werden
- Eine "Integrierte Station Ostseeschutz" soll Natur- und Meeresschutzgebiete verwalten und sich um die Naturschutzarbeit in den Meeresschutzgebieten kümmern und Tourismus, Umweltbildung und Umweltschutz miteinander verknüpfen.
Regierungserklärung zum Aktionsplan am Donnerstag
Am Donnerstag befasst sich auch der Schleswig-Holsteinische Landtag mit dem Aktionsplan. Im Zentrum wird eine Regierungserklärung von Umweltminister Tobias Goldschmidt stehen, der das Thema vor fast einem Jahr auf den Plan gerufen hat.
Geomar-Experte im Interview
Auch vonseiten der Wissenschaft gibt es positives Feedback. Im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein zeigte sich Professor Thorsten Reusch zuversichtlich. Er ist Experte für Marine-Ökologie am Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Dort beschäftigt er sich unter anderem mit den biologischen Effekten des Globalen Wandels.
NDR Schleswig-Holstein: Herr Reusch, sind aus Ihrer Sicht die Maßnahmen geeignet, um den Ostseeschutz vor Schleswig-Holsteins Küste zu gewährleisten?
Thorsten Reusch: "Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Maßnahmen sehr zu begrüßen. Zum ersten Mal werden mehr als zehn Prozent der schleswig-holsteinischen Küstengewässer streng geschützt. Das sind dann Null-Nutzung-Zonen und das ist etwas, das bisher in dem Portfolio des Ostseeschutzes vor Ort komplett fehlt.
Und dass, obwohl es sich international als bewährtes Instrument herausgestellt hat. Deutschland und Schleswig-Holstein schließen jetzt auf zu vielen anderen Ländern, die bereits größere Teile ihrer Küstengewässer unter strengen Schutz gestellt haben."
Reichen die Maßnahmen denn auch auf lange Sicht?
Reusch: "Die Maßnahmen müssen aus wissenschaftlicher Perspektive immer nachjustiert werden. Allein reichen sie für die Zukunft nicht, sondern es muss weiter ambitioniert - wie auch in verschiedenen internationalen Abkommen festgelegt - der Eintrag von Nährstoffen verringert werden, um den Sauerstoffmangel zu begrenzen. Das ist nicht einfach."
Welche Rolle spielt da die Landwirtschaft?
Reusch: "Die Landwirtschaft hat in dem Bereich schon viel getan, aber im Augenblick werden die Erfolge teilweise aufgehoben. Zum Beispiel dadurch, dass sich das Wasser in der Ostsee überproportional schnell erwärmt. In den letzten 30 Jahren ist sie um fast zwei Grad wärmer geworden. Weitere zwei bis drei Grad sind zu erwarten. Und das stresst viele der Organismen enorm, die an eher kälteres Wasser gewöhnt sind. Zugleich werden Stoffwechselprozesse beschleunigt. Dadurch tritt schneller ein Sauerstoffmangel ein.
Es ist also nicht so, dass man wegen der Schutzgebiete hinter das Thema Ostseeschutz einen Haken setzen kann. Aber es ist ein ganz wichtiger Schritt, dass das Instrument Null-Nutzung-Zonen in ein übergreifendes Schutzkonzept mit eingebracht wird."
Umweltschützer sind nicht überzeugt von dem Kompromiss, den CDU und die Grünen ausgehandelt haben. Ist der Aktionsplan Ostseeschutz ein fauler Kompromiss?
Reusch: "In einem Nationalpark hätte man nie die gesamte Fläche streng unter Schutz gestellt, sondern auch eine Kern- und eine Randzone definiert. Mit dem jetzt genutzten Instrument des Naturschutzgebiets ist nur die Kernzone übriggeblieben. Die ist aber ungefähr so groß, wie das beim Nationalpark angedacht war.
Es ist aus wissenschaftlicher Sicht also sehr erfreulich, dass unterm Strich die streng geschützten Zonen als das rausgekommen sind, was man sich beim Nationalpark hätte wünschen können."
Das Interview führte NDR SH Reporter Fabian Boerger