Europawahl: Delara Burkhardt zieht ins Europaparlament ein
SPD-Kandidatin Delara Burkhardt aus Schleswig-Holstein ist ins neue Europaparlament eingezogen. In den bisherigen fünf Jahren ihres Mandats im EU-Parlament hat sie den Umgang mit Krisen wie der Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg erlebt. Um die Probleme unserer Zeit zu lösen, braucht es laut Burkhardt eine starke EU.
Faszinierend findet Delara Burkhardt nach fünf Jahren im EU-Parlament vor allem die europäische Entscheidungsfindung: "Mit einer guten Idee und Fakten dazu kann man Menschen überzeugen." Sie selbst habe bei Gesetzesvorschlägen, wie bei dem zur Verpackungsverordnung, viel einbringen können, was konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat. "Cool, wie viel man als einzelne Abgeordnete bewegen kann", sagt die 31-Jährige. Außerdem habe sie überrascht, dass bei jeder europäischen Entscheidung EU, Bund und Länder mitreden.
Politisches Engagement durch Schulstreiks ausgelöst
Angesichts der großen aktuellen Krisen sagt sie: "Es gibt Dinge, die können selbst wir im Norden nicht alleine lösen. Und dafür braucht es eine starke EU." Ihre Beispiele sind die gemeinsamen Impfstoff-Bestellungen der Mitgliedsstaaten während der Corona-Pandemie und die gemeinsame militärische Hilfe für die Ukraine. Antworten auf Krisen müssten sozial gerecht sein, so Burkhardt: "Klimaschutz-Ideen müssen sich Menschen auch leisten können", sagt sie zum Beispiel mit Blick auf Wärme und Mobilität.
Im Vergleich zur Europawahl 2019 sehe die politische Lage komplett anders aus: Vor fünf Jahren wäre Fridays for Future ein großes Thema gewesen - und Menschen zu mobilisieren. "Heute gibt es viel Angst vor der Zukunft - und darauf will ich als Abgeordnete Antworten finden", sagt Burkhardt. Ihr eigenes politisches Interesse sei in ihrer Schulzeit geweckt worden, als das Turbo-Abi in Schleswig-Holstein landesweit Schulstreiks auslöste. Von 2015 bis Ende 2019 war sie stellvertretende Bundesvorsitzende der Jusos. Jetzt steht sie zum zweiten Mal auf der Bundesliste der SPD für die Europawahl am 9. Juni - dieses Mal auf Platz 9. Die SPD ist aktuell mit 16 Abgeordneten im EU-Parlament vertreten. Aktuelle Umfragen sehen die SPD bei rund 16 Prozent.
Steckbrief
Name: Delara Burkhardt
Alter: 31
Beruf: Nach meinem Studium der Sozioökonomie und beruflichen Stationen beim DGB Nord sowie einer Kommunikationsagentur wurde ich 2019 Europaabgeordnete.
Familienstand: verheiratet
Hier ist mein Zuhause: Kiel
Europäisch an mir ist: Europa war für meine Familie die Garantie für ein Leben in Demokratie und Sicherheit. Meine Mutter war 18, als sie mit ihrer Familie Ende der 80er-Jahre aus dem Iran nach Deutschland floh. Die Geschichte meiner Familie prägt meine Verbindung zu Europa und treibt mich an, daran zu arbeiten, dass Europa dieses Versprechen auf Demokratie und Sicherheit bleibt!
Davon habe ich mit 16 geträumt (Alter vieler jetziger Erstwähler*innen): Mit 16 habe ich genauso davon geträumt wie heute fast 16 Jahre später: Ich will, dass es gerecht zugeht und alle Menschen ein gutes Leben haben, über das sie mitentscheiden können. Deswegen bin ich mit 16 politisch aktiv geworden. Hier bei uns in Deutschland, aber eben auch in Europa und weltweit. Heute weiß ich umso besser, dass man etwas Konkretes dafür tun kann, mit politischen Entscheidungen auf allen Ebenen. Für soziale Gerechtigkeit, für Umverteilung und auch für den Schutz unserer Lebensgrundlagen.
So schaffe ich es, Erstwähler*innen für die Europawahl zu begeistern: Mit einem Mix aus intensivem Austausch und Erklärung möchte ich junge Menschen mobilisieren und für die Sozialdemokratie begeistern. Damit habe ich bereits vor fünf Jahren begonnen: Schulklassen werden in meiner "Europa-Denk-Schule" zu meinen Politikberater*innen, wir diskutieren ihre Forderungen und ich nehme sie mit nach Brüssel. Als eine der reichweitenstärksten Europaabgeordneten erkläre ich außerdem seit 2019 in den sozialen Medien europäische Politik. Denn die digitale Mobilisierung spielt eine unglaublich große Rolle.
Dieser Ort ist für mich sinnbildlich für Europa - und warum: Wenn man sich so viel mit europäischen Themen beschäftigt, dann fängt man an, überall Europa zu sehen. Vor dem Supermarktregal, wenn man sich fragt, wo und von wem die Schokolade eigentlich hergestellt wird. Im Urlaub, wenn man kostenlos - Roaming sei dank - der Familie Fotos senden kann. Oder beim Sonntagsspaziergang im Moor - das aus EU-Mitteln renaturiert wurde und jetzt CO2-Speicher, Hochwasserschutz und Naherholung in einem ist.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, mich politisch zu engagieren: Während meiner Schulzeit lernte ich 2009 die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, kennen und entschloss mich, in die SPD einzutreten, um dort mitzumischen, wo Entscheidungen für die Parlamente beeinflusst werden können.
Das war der Auslöser dafür: In Schleswig-Holstein wurde das "Turbo-Abi" in acht Jahren eingeführt und löste damit landesweite Schulstreiks aus. Ich fand es ungerecht, dass so eine Entscheidung, die hauptsächlich junge Menschen betrifft, gegen sie durchgedrückt wurde. Deswegen wollte ich mitmischen.
Die wichtigste Aufgabe der EU ist in meinen Augen: Ob Pandemie, Kriege oder wirtschaftliche Krise: Die EU muss auch in Krisenzeiten funktionieren und für Sicherheit garantieren. Das bedeutet, dass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik stärker zusammenrücken und gleichzeitig dafür sorgen müssen, dass das Leben wieder bezahlbar ist. Denn Europa ist reich, aber die Zahl derer wächst, die am Ende des Monats jeden Cent umdrehen müssen. Sorgen wir für Gerechtigkeit, indem wir Steuerschlupflöcher stopfen und multinationale Konzerne ihren fairen Beitrag leisten - damit in Europa nicht Profite, sondern Menschen im Mittelpunkt stehen.
Das müsste dringend anders laufen in der EU: Wir brauchen dringend transparentere Entscheidungswege und mehr Mitspracherechte für das Parlament, angefangen mit einem eigenen Initiativrecht für Gesetze. Wichtige Fragen, wie die der Außenpolitik und gerechter Steuern für multinationale Konzerne, müssen wir in Zukunft gemeinsam entscheiden - und zwar nach dem Mehrheitsprinzip und nicht mit Einstimmigkeit. Es kann nicht sein, dass einzelne Mitgliedstaaten europäisches Handeln blockieren.
Und das läuft ganz gut: Besonders stolz bin ich als Sozialdemokratin auf den Europäischen Mindestlohn. Er hilft Arbeitenden in ganz Europa und auch in SH haben 300.000 Menschen am Ende des Monats mehr Geld auf dem Konto. Denn auch bei uns muss er auf mindestens 14 Euro steigen! Außerdem haben wir die EU mit dem European Green Deal auf den Kurs Klimaneutralität gebracht, bei dem ich an zentralen Gesetzen wie der Verpackungsmüll-Reduktion konkret mitarbeiten durfte. So werden jetzt zum Beispiel unnötige Verpackungen verbannt und benötigte recyclebar. Das ist gut für die Umwelt, spart Geld und freut mich als Umweltpolitikerin!
Am liebsten wäre ich EU-Kommissar*in für: Mein Herzensthema ist der Umwelt- und Klimaschutz mit allem, was damit verbunden ist - also auch die wirtschaftlich, sozialen Perspektiven. Wenn ich es mir frei wünschen könnte, bräuchten wir eine*n Kommissar*in für sozial gerechte Transformation. Denn damit wir wirklich klimaneutral werden können, müssen wir unsere Industrie bei der Transformation unterstützen und dafür sorgen, dass alle Menschen sich klimaneutrales Heizen, Fahren und Co. auch leisten können!
Was ich für Schleswig-Holstein erreichen möchte: Ob bei Umwelt- und Klimaschutz im Land zwischen den Meeren, guten Arbeitsbedingungen von Sylt bis Lauenburg oder fairen Chancen für unsere heimische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb: Ich will ein starkes Europa, mit dem wir auch hier im Norden die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können. Denn ich weiß, wir Schleswig-Holsteiner*innen können vieles schon gut. Aber für die großen Dinge brauchen wir mehr Kraft und Zusammenhalt in ganz Europa und können als Erneuerbare-Champion gleichzeitig Vorbild für andere Regionen unseres Kontinents sein.