E-Rezept: Gemischte Bilanz in Schleswig-Holstein
Zufriedene Ärzte, Apotheker mit gemischten Gefühlen - und Pflegeheimbetreiber, die über zusätzlichen Aufwand klagen. Das E-Rezept ist seit dem Jahreswechsel Pflicht. Besuch in einem Lübecker Seniorenheim.
Im Seniorenzentrum Traveblick mussten sie kreativ werden: "Wir haben jetzt eine neue Beschäftigung für den Hausmeister gefunden, der jetzt täglich Karten und Zettel mit Barcode-Ausdrucken zur Apotheke fährt und aus Artzpraxen abholt", erzählt Mathias Steinbuck. Ihm gehören mehrere Heime, auch das Seniorenzentrum Traveblick in Lübeck.
Vor Einführung des E-Rezepts mussten die Gesundheitskarten der Bewohner des Seniorenzentrums Traveblick einmal im Quartal zum Arzt gebracht werden und dann gelangten die Rezepte per Bote zur Apotheke. Jetzt braucht es entweder den ausgedruckten Barcode oder die Gesundheitskarte des Bewohners oder der Bewohnerin - und der muss zu Arzt und Apotheke. Der direkte Weg des Rezeptes vom Arzt zur Apotheke sei derzeit nicht mehr möglich, erklärt Steinbuck, der auch Vorsitzender der Landesgruppe des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste ist - also die privaten Pflegeheime im Land vertritt.
Möglicherweise werde die Regelung demnächst geändert, sagt er. Für den Moment fällt seine Bilanz zum E-Rezept wegen der rechtlichen Hürden aber "ernüchternd" aus.
Nur wenige Pflegeheime haben Zugang zur Gesundheits-Datenautobahn
Erleichtern könnte es den Prozess, wenn die Pflegeeinrichtungen an die Telematik-Infrastruktur, also das Datennetz für Gesundheitseinrichtungen, angeschlossen würden. Bisher haben die wenigsten Pflegeheime den Anschluss an das System. "Das ist noch ein extrem weiter Weg", sagt Mathias Steinbuck. Er wünscht sich vom Land eine "Digitalisierungsunterstützungsstelle", die bei den Prozessen hilft. Denn für die Einrichtungen allein sei das zu schwierig.
Dass die Probleme mit der Versorgung von Pflegeeinrichtungen "noch nicht vollständig gelöst" sind, mahnt man auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung an. Dort ist man ansonsten aber zufrieden. Die Bilanz falle "generell positiv" aus, so ein Sprecher. "Anfängliche Unklarheiten zum Verfahren und zur praktischen Umsetzung konnten bis heute zum größten Teil behoben werden."
Die meisten Ärzte verschreiben inzwischen digital
Die Gematik - also die Bundesbehörde, die verantwortlich ist für die digitale Infrastruktur im Gesundheitswesen - zählt wöchentlich, wie viele Praxen E-Rezepte ausgestellt haben. 87.000 waren es vor den Sommerferien - von knapp 99.000 Praxen in Deutschland. Für die Lücke gibt es laut Gematik verschiedene Gründe: Praxen etwa, die grundsätzlich keine oder kaum E-Rezepte ausstellen, wie Labor-Ärzte. Oder Mediziner, die kurz vor dem Ruhestand stehen und ihr System nicht mehr umstellen wollen.
Auch erste private Krankenversicherungen bieten inzwischen das E-Rezept an. "Viele weitere werden im Laufe des kommenden Jahres folgen", heißt es vom PKV-Spitzenverband. Privatversicherte übermitteln ihr Rezept dann entweder per App oder über einen Ausdruck. Apotheken können diese E-Rezepte seit dem letzten Monat einlösen. Allerdings, so schreibt es der Verband, "müssen jedoch auch die Arztpraxen in der Lage sein, über ihr Praxisverwaltungssystem E-Rezepte für Privatversicherte auszustellen. Einige Systemanbieter müssen hierfür noch die technischen Voraussetzungen schaffen."
Apotheken: Es läuft nicht immer rund
Es gibt also noch Baustellen beim E-Rezept. Die kennt auch Hans-Günter Lund, Apotheker in Leck (Kreis Nordfriesland) und Vorsitzender des Apothekerverbandes. "Wenn das System einwandfrei funktioniert, ist es eine ganz tolle Sache", sagt Lund. In 60 Prozent der Fälle sei "alles chico", wie er es formuliert. Dann beschleunige es auch die Arbeit. Aber Lund berichtet auch von vielen Sonderfällen, die für mehr Aufwand sorgen. Etwa, wenn sich an einem Auftrag nachträglich etwas ändere, weil ein Medikament nicht vorrätig sei. Auch das Eintragen der individuellen Chargennummern sei aufwändig.
Einen wirklichen Nutzen wird das E-Rezept aus Lunds Sicht ohnehin erst dann haben, wenn es auch die elektronische Patientenakte gibt - damit Apotheken auch sehen können, was ein Kunde vorher verschrieben bekommen habe. Und besser auf mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten achten können. Lund meint, das sei dann eine "ganz coole Nummer."
Die Lage der Pflegeheime ist auch in Lunds Apotheke Thema: Bianca Wendt, Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes berichtet, wie sie manchmal zehn Kilometer zu einem Patienten fährt, seine Gesundheitskarte abholt und damit zur Apotheke fährt. Zum Glück, sagt sie, liefere die Apotheke das Medikament dann aus. Ihre Bilanz zum E-Rezept: "Nicht so optimal."