Eine App, die das E-Rezept anzeigen kann, wird in einer Apotheke gezeigt. © picture alliance/dpa Foto: Jens Kalaene

E-Rezept-Pflicht in SH: "Praxen sind kein Testballon"

Stand: 15.01.2024 05:00 Uhr

Anfang 2024 hat das E-Rezept den sogenannten rosa Zettel abgelöst. Seitdem ist die digitale Version verpflichtend. Das heißt nicht, dass es mit der Umsetzung überall reibungslos klappt. Aber: Ärzten, die nicht mitmachen, drohen Sanktionen.

von Karen Münster

Wer kennt es nicht: Man geht zum Arzt, erhält ein Rezept und löst es anschließend in der Apotheke ein. Früher ging das oft mit dem sogenannten rosa Zettel, also einem Rezept in Papierform. Heutzutage gibt es dafür das E-Rezept - quasi eine digitale Variante. Laut Bundesgesundheitsministerium sollen damit Zeit und Wege gespart werden. Etwa bei Folgerezepten: Wer regelmäßig Medikamente braucht, muss nicht für jedes neue Rezept in der Praxis erscheinen. Einlösen können Versicherte das E-Rezept entweder mit der Gesundheitskarte, der E-Rezept-App - oder auch mit dem ausgedruckten QR-Code.

Gematik: "E-Rezept ist gut angekommen"

Seit Januar sind Ärztinnen und Ärzte bundesweit verpflichtet, E-Rezepte auzustellen. Und laut Gematik, der nationalen Agentur für Digitale Medizin, läuft das bisher recht erfolgreich. Seit Jahresstart haben demnach bundesweit 78.000 medizinische Einrichtungen mindestens ein E-Rezept ausgestellt (Stand: 12.01.2024). Außerdem haben nahezu 100 Prozent aller Apotheken in Deutschland in den ersten Januartagen E-Rezepte entgegengenommen.

Weitere Informationen
Jemand zeigt sein Smartphone mit einem elektronischen Rezept und eine Krankenkassenkarte. © picture alliance / photothek Foto: thomas Köhler

E-Rezept ist Pflicht: Wie funktioniert es?

Seit Januar 2024 ist das elektronische Rezept verbindlicher Standard. Wie kann man es nutzen? Welche Vorteile hat es? mehr

"Insgesamt zeigen die aktuellen Zahlen, dass das E-Rezept gut in der Versorgung angekommen ist", sagt eine Gematik-Sprecherin. Doch NDR Recherchen zeigen: In Schleswig-Holstein läuft in Sachen E-Rezept noch nicht alles rund.

Hausärzteverband: Digitale Signatur kostet zu viel Zeit

Der Schleswig-Holsteinische Hausärzteverband befürwortet das E-Rezept zwar grundsätzlich. "Praxen haben ein sehr großes Interesse an einer funktionierenden Digitalisierung. Wir sind in Anbetracht der immensen Arbeitsbelastung und der Bürokratie in den Praxen auf jegliche Art der Entlastung angewiesen", sagt Dr. Jens Lassen, Vorsitzender des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein - eine Entlastung sei die neue Art des Rezepts aber noch nicht immer: "Das E-Rezept hatte in den letzten Monaten keinen guten Weg."

Videos
Eine Person am Tresen einer Apotheke. © Screenshot
2 Min

E-Rezept: So läuft der Start in Hamburg

Seit dem 1. Januar ist es Pflicht. Es soll die Versorgung von Erkrankten einfacher machen. Wie sieht es in der Praxis aus? 2 Min

Die digitale Signatur, quasi die Unterschrift des Arztes auf dem Rezept, nehme zu viel Zeit in Anspruch, sagt Lassen. Außerdem gebe es Probleme mit der Technik. Die sogenannte Telematik-Infrastruktur (TI), die die Gematik zur Verfügung stellt, funktioniert oftmals nicht. "Zuletzt waren am Morgen des 2. Januars viele Praxen abgeschnitten und konnten kein E-Rezepte machen, obwohl sie wollten. Da haben sich leider die Befürchtungen vieler Praxen bewahrheitet", so Lassen.

Apothekerverband sieht seine Befürchtungen bestätigt

Ein Mitarbeiter einer Apotheke steckt eine Gesundheitskarte in ein Lesegerät. © picture alliance/dpa Foto: Fabian Sommer
Richtiger Ansatz - noch keine optimale Umsetzung: Die schleswig-holsteinischen Reaktionen auf das E-Rezept sind verhalten.

Auch in Apotheken ist das E-Rezept nur teilweise ein Erfolg. Der Schleswig-Holsteinische Apothekerverband hatte die verpflichtende Einführung des E-Rezepts bereits in der Vergangenheit mit Skepsis betrachtet und vor einer Überforderung von Praxen und Apotheken gewarnt. Zwar können in fast allen Apotheken in Schleswig-Holstein mittlerweile E-Rezepte eingelöst werden. "In der Vergangenheit fehlten aber oft Dosierungsangaben von Medikamenten. Das muss dann in Rücksprache mit den Praxen alles händisch nachgetragen werden. Und das kostet uns viel Zeit", so Hans-Günter Lund, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein.

Zum verpflichtenden Start des E-Rezepts Anfang 2024 zieht er eine gemischte Bilanz. "Wenn die Ärztinnen und Ärzte sorgfältig arbeiten, alle Angaben korrekt eingetragen und das Rezept bereits signiert wurde, stellt das E-Rezept kein allzu großes Problem für uns dar - und wir können gut damit arbeiten", sagt Lund. "Es kommt aber immer noch vor, dass manche Ärztinnen und Ärzte die E-Rezepte erst am Ende des Tages mit der digitalen Unterschrift versehen. Das bedeutet: Hier stehen manchmal Patienten mit einem Rezept, was noch nicht eingelöst werden kann, weil die Signatur fehlt", erklärt Lund.

Für die Apotheken und Patienten bedeutet das dann einen Mehraufwand - dabei sollte das E-Rezept laut Bundesgesundheitsministerium ja eigentlich Zeit und Wege sparen. "Bis es reibungslos klappt, müssen sich die Prozesse noch zurecht ruckeln", findet Lund.

Weitere Informationen
Eine Person legt die Gesundheitskarte eines Patienten in ein Kartenlesegerät in einer Apotheke, während einer Präsentation des neuen Verfahrens zur Ausstellung eines elektronischen Rezepts, in Berlin. © picture alliance/dpa/Reuters/Pool Foto: pAnnegret Hilse

E-Rezept: Skepsis bei den Kassenärzten in SH

Vom kommenden Jahr an ist das elektronische Rezept Pflicht. Doch die Kassenärztliche Vereinigung sieht noch technische Hürden. mehr

Wer nicht mobil ist, hat ein Problem mit dem E-Rezept

Ein weiterer Haken: Das E-Rezept ist für nicht mobile Menschen und Heimbewohnerinnen und Heimbewohner nicht wirklich geeignet. Denn sie können oftmals nicht mit ihrer Gesundheitskarte in Apotheken gehen, um ein E-Rezept einzulösen. Als Alternative erhalten eben diese Patientinnen und Patienten von Arztpraxen einen ausgedruckten QR-Code, mit dem das E-Rezept eingelöst werden kann. Das sei aber keine Digitalisierung, so Dr. Lassen vom Hausärzteverband.

Digital-Gesetz sieht Sanktionen für E-Rezept-Verweigerer vor

Umsetzen müssen Ärztinnen und Ärzte die Pflicht dennoch sofort, denn: Wenn eine Praxis nicht in der Lage ist, E-Rezepte auszustellen, könnte das zukünftig zu Einbußen führen. Denn Ärztinnen und Ärzte, die das E-Rezept nicht unterstützen, müssen laut Bundesgesundheitsministerium einer Honorarkürzung von vorraussichtlich einem Prozent hinnehmen. So sieht es das Digital-Gesetz vor.

"Das ist schon bemerkenswert", sagt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. "Denn das E-Rezept ist super, wenn es funktioniert. Das tut es aber nicht immer. Und darauf haben wir als KV bereits vor Monaten hingewiesen. Praxen sind kein Testballon."

Weitere Informationen
Eine Person legt die Gesundheitskarte eines Patienten in ein Kartenlesegerät in einer Apotheke, während einer Präsentation des neuen Verfahrens zur Ausstellung eines elektronischen Rezepts, in Berlin. © picture alliance/dpa/Reuters/Pool Foto: pAnnegret Hilse

E-Rezept-Pflicht stößt in SH auf Ablehnung

Im kommenden Jahr soll das Papierrezept Geschichte sein. Das wird nicht klappen, sagt die Kassenärztliche Vereinigung. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 04.01.2024 | 08:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Gesundheitspolitik

Krankenversicherung

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Boote der 49er FX-Klasse sind zum Start bereit bei einer Wettfahrt im Rahmen der Kieler Woche auf der Förde vor Schilksee. © picture alliance/dpa Foto: Frank Molter

Olympia 2036 oder 2040: Kiel bewirbt sich um Segelwettkämpfe

Die Landeshauptstadt will zum dritten Mal Austragungsort werden. Neben Schilksee sollen neue Reviere dazukommen. mehr

Videos

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?