E-Rezept-Pflicht in SH: "Praxen sind kein Testballon"
Anfang 2024 hat das E-Rezept den sogenannten rosa Zettel abgelöst. Seitdem ist die digitale Version verpflichtend. Das heißt nicht, dass es mit der Umsetzung überall reibungslos klappt. Aber: Ärzten, die nicht mitmachen, drohen Sanktionen.
Wer kennt es nicht: Man geht zum Arzt, erhält ein Rezept und löst es anschließend in der Apotheke ein. Früher ging das oft mit dem sogenannten rosa Zettel, also einem Rezept in Papierform. Heutzutage gibt es dafür das E-Rezept - quasi eine digitale Variante. Laut Bundesgesundheitsministerium sollen damit Zeit und Wege gespart werden. Etwa bei Folgerezepten: Wer regelmäßig Medikamente braucht, muss nicht für jedes neue Rezept in der Praxis erscheinen. Einlösen können Versicherte das E-Rezept entweder mit der Gesundheitskarte, der E-Rezept-App - oder auch mit dem ausgedruckten QR-Code.
Gematik: "E-Rezept ist gut angekommen"
Seit Januar sind Ärztinnen und Ärzte bundesweit verpflichtet, E-Rezepte auzustellen. Und laut Gematik, der nationalen Agentur für Digitale Medizin, läuft das bisher recht erfolgreich. Seit Jahresstart haben demnach bundesweit 78.000 medizinische Einrichtungen mindestens ein E-Rezept ausgestellt (Stand: 12.01.2024). Außerdem haben nahezu 100 Prozent aller Apotheken in Deutschland in den ersten Januartagen E-Rezepte entgegengenommen.
"Insgesamt zeigen die aktuellen Zahlen, dass das E-Rezept gut in der Versorgung angekommen ist", sagt eine Gematik-Sprecherin. Doch NDR Recherchen zeigen: In Schleswig-Holstein läuft in Sachen E-Rezept noch nicht alles rund.
Hausärzteverband: Digitale Signatur kostet zu viel Zeit
Der Schleswig-Holsteinische Hausärzteverband befürwortet das E-Rezept zwar grundsätzlich. "Praxen haben ein sehr großes Interesse an einer funktionierenden Digitalisierung. Wir sind in Anbetracht der immensen Arbeitsbelastung und der Bürokratie in den Praxen auf jegliche Art der Entlastung angewiesen", sagt Dr. Jens Lassen, Vorsitzender des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein - eine Entlastung sei die neue Art des Rezepts aber noch nicht immer: "Das E-Rezept hatte in den letzten Monaten keinen guten Weg."
Die digitale Signatur, quasi die Unterschrift des Arztes auf dem Rezept, nehme zu viel Zeit in Anspruch, sagt Lassen. Außerdem gebe es Probleme mit der Technik. Die sogenannte Telematik-Infrastruktur (TI), die die Gematik zur Verfügung stellt, funktioniert oftmals nicht. "Zuletzt waren am Morgen des 2. Januars viele Praxen abgeschnitten und konnten kein E-Rezepte machen, obwohl sie wollten. Da haben sich leider die Befürchtungen vieler Praxen bewahrheitet", so Lassen.
Apothekerverband sieht seine Befürchtungen bestätigt
Auch in Apotheken ist das E-Rezept nur teilweise ein Erfolg. Der Schleswig-Holsteinische Apothekerverband hatte die verpflichtende Einführung des E-Rezepts bereits in der Vergangenheit mit Skepsis betrachtet und vor einer Überforderung von Praxen und Apotheken gewarnt. Zwar können in fast allen Apotheken in Schleswig-Holstein mittlerweile E-Rezepte eingelöst werden. "In der Vergangenheit fehlten aber oft Dosierungsangaben von Medikamenten. Das muss dann in Rücksprache mit den Praxen alles händisch nachgetragen werden. Und das kostet uns viel Zeit", so Hans-Günter Lund, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein.
Zum verpflichtenden Start des E-Rezepts Anfang 2024 zieht er eine gemischte Bilanz. "Wenn die Ärztinnen und Ärzte sorgfältig arbeiten, alle Angaben korrekt eingetragen und das Rezept bereits signiert wurde, stellt das E-Rezept kein allzu großes Problem für uns dar - und wir können gut damit arbeiten", sagt Lund. "Es kommt aber immer noch vor, dass manche Ärztinnen und Ärzte die E-Rezepte erst am Ende des Tages mit der digitalen Unterschrift versehen. Das bedeutet: Hier stehen manchmal Patienten mit einem Rezept, was noch nicht eingelöst werden kann, weil die Signatur fehlt", erklärt Lund.
Für die Apotheken und Patienten bedeutet das dann einen Mehraufwand - dabei sollte das E-Rezept laut Bundesgesundheitsministerium ja eigentlich Zeit und Wege sparen. "Bis es reibungslos klappt, müssen sich die Prozesse noch zurecht ruckeln", findet Lund.
Wer nicht mobil ist, hat ein Problem mit dem E-Rezept
Ein weiterer Haken: Das E-Rezept ist für nicht mobile Menschen und Heimbewohnerinnen und Heimbewohner nicht wirklich geeignet. Denn sie können oftmals nicht mit ihrer Gesundheitskarte in Apotheken gehen, um ein E-Rezept einzulösen. Als Alternative erhalten eben diese Patientinnen und Patienten von Arztpraxen einen ausgedruckten QR-Code, mit dem das E-Rezept eingelöst werden kann. Das sei aber keine Digitalisierung, so Dr. Lassen vom Hausärzteverband.
Digital-Gesetz sieht Sanktionen für E-Rezept-Verweigerer vor
Umsetzen müssen Ärztinnen und Ärzte die Pflicht dennoch sofort, denn: Wenn eine Praxis nicht in der Lage ist, E-Rezepte auszustellen, könnte das zukünftig zu Einbußen führen. Denn Ärztinnen und Ärzte, die das E-Rezept nicht unterstützen, müssen laut Bundesgesundheitsministerium einer Honorarkürzung von vorraussichtlich einem Prozent hinnehmen. So sieht es das Digital-Gesetz vor.
"Das ist schon bemerkenswert", sagt ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. "Denn das E-Rezept ist super, wenn es funktioniert. Das tut es aber nicht immer. Und darauf haben wir als KV bereits vor Monaten hingewiesen. Praxen sind kein Testballon."