E-Autos in Schleswig-Holstein: Darum stockt der Verkauf
Nur jedes siebte Auto, das neu im Land zugelassen wird, ist ein E-Auto. Die Menschen scheuen vor den hohen Anschaffungskosten zurück. Und es gibt weitere Vorbehalte.
Die E-Auto-Branche kämpft mit dem Osborne-Effekt. Dieser stammt eigentlich aus der Computerbranche und besagt, dass ein Markt in sich zusammenbricht, wenn sich eine neue Technik ankündigt und schließlich durchsetzt. Kunden verhalten sich dann nämlich abwartend und kaufen weder neu noch alt. E-Auto-Fans verweisen darauf seit Jahren. Denn für die Autobranche hat sich dieser Verlauf bisher bestätigt: Die Absatzzahlen gehen in der Gesamtheit zurück. In Schleswig-Holstein wurden laut Kraftfahrtbundesamt 2019 rund 90.000 Pkw verkauft, im vergangenen Jahr waren es nur noch 70.000. Nicht ins Bild passt allerdings, dass der Anteil der E-Autos, der sich zuletzt bei 20 Prozent eingependelt hatte, in diesem Jahr bei nur noch 15 Prozent stagniert.
Nur jeder siebte Neuwagen ist ein E-Auto
Aktuell ist jedes siebte Auto, das im Land neu zugelassen wird, ein Elektroauto. Schleswig-Holstein liegt dabei im Mittelfeld der Bundesländer. Auch weltweit liegt der E-Auto-Anteil etwa auf diesem Niveau. Als ein Grund für den Rückgang in Deutschland gilt der Wegfall der Kaufprämien zu Jahresbeginn. Martin Seydell vom Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein stellt zudem fest: "In der Tat gibt es noch ein paar Ängste bei den Autofahrern: Wie ist es mit der Ladeinfrastruktur? Wie ist es mit der Reichweite - wird die Batterie durchhalten? Aber die gute Nachricht ist - wenn man sich die modernen Autos anschaut - all diese Fragen sind gelöst."
Schnelles Laden: 100 Kilometer in 4 Minuten - aber nicht überall
Die Befürchtung, das Laden der E-Autos sei zeitintensiv, stimmt nur teilweise. Tatsächlich hat sich viel getan: Die Datenbank der Bundesnetzagentur für öffentliche Ladepunkte umfasst inzwischen mehr als 4.000 Anschlüsse an 1.600 Adressen in Schleswig-Holstein, 270 davon mit Schnellladern, die Gleichstrom benutzen. An den besonders leistungsstarken Säulen lassen sich 100 Kilometer in vier bis zehn Minuten nachladen, wenn das Automodell diese Leistung verarbeiten kann. Je schneller es geht, umso mehr verliert die Reichweite an Relevanz. Diese steigt weiter und liegt bei vielen Modellen laut ADAC-Test bei mehr als 400 Kilometern.
Wo steht die nächste Ladesäule?
Die Ladeinfrastruktur kann allerdings zum Problem werden. Wer keinen eigenen Hausanschluss hat, ist vollständig auf öffentliche Ladesäulen angewiesen. Das kann umständlich werden: Die schwächeren Wechselstrom-Säulen brauchen mehrere Stunden, bis die Batterie voll ist. Das Auto sollte rechtzeitig wieder abgeholt werden, um keine Blockiergebühren zu riskieren. Praktisch sind Schnelllader am Supermarkt, die während des Einkaufs den Akku weitgehend füllen. Bisher bieten das aber nur einzelne Märkte in Schleswig-Holstein an. Vorreiter in Schleswig-Holstein ist Lidl mit mehr als 20 Schnellladesäulen.
Öffentliches Laden kostet zwischen 40 und 90 Cent pro Kilowattstunde
Der Preis für das öffentliche Laden variiert stark, selbst an ein- und derselben Säule. Mit rund 40 Cent pro Kilowattstunde sind beispielsweise die Tarife der Stadtwerke Flensburg und Kiel für ihre eigenen Ladepunkte vergleichsweise günstig. Wer universelle Apps nutzt, hat europaweit Zugang zu 500.000 Ladepunkten. Bei günstigen Anbietern kostet das rund 60 Cent pro Kilowattstunde. Mit diesem Tarif kostet die Strecke mit einem E-Auto ähnlich viel wie bei einem Benziner oder Diesel. Einige Apps sind deutlich teurer, bieten aber bei einem Abo Vergünstigungen an. Der ADAC bietet eine Übersicht mehrerer Preismodelle. Das spontane Laden mit Kreditkarte, das bis 2027 an allen Stationen möglich sein soll, liegt meist im oberen Preissegment.
E-Auto mit Wallbox spart die Hälfte der Spritkosten
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert mehr Transparenz bei den Preisen. Zu berücksichtigen ist auch, dass E-Autos im Winter überdurchschnittlich viel Energie benötigen und im Sommer sparsam fahren.
Wer zu Hause laden kann, spart dagegen mit einem E-Auto jedes Jahr die Hälfte der Kosten im Vergleich zum Verbrenner. Bei einer durchschnittlichen Fahrleistung von 12.500 km pro Jahr kann das bereits 600 bis 1.000 Euro ausmachen. Hinzu kommt die Befreiung von der Kfz-Steuer. Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein erwartet, dass E-Auto-Fahrer in Zukunft noch mehr sparen, da Benzin und Diesel aufgrund des CO2-Emissionshandels in der EU teurer werden, während im zunehmend grünen Strommix die CO2-Abgaben fallen.
Autohersteller und Handel unter Druck
Autohändlerin Anja Bauer aus Flensburg berichtet, dass einige Hersteller inzwischen ähnliche oder sogar identische Preise für Verbrenner und Benziner nehmen. Denn ein hoher Elektroanteil sei nötig, damit die Marken ihre Flotten-Grenzwerte bei den Emissionen einhalten. Deshalb existiere auch ein Druck auf die Händler, viele E-Autos zu verkaufen. Erwartet werden 40 oder 50 Prozent. Sie meint trotzdem: "Hab ich eine hohe Anhängerlast, dann ist ein E-Auto nicht so vorteilhaft oder wenn ich Langstrecke fahre, dann ist ein Diesel besser." E-Auto-Fahrer berichten wiederum, dass beides inzwischen auch elektrisch funktionieren kann.
Gebrauchtmarkt für E-Autos kommt in Fahrt
Eine Alternative stellt das Leasing dar, insbesondere für Selbständige, die Steuervorteile nutzen können. Da viele Leasing-Verträge bereits zu Ende gehen, füllt sich auch der Markt für gebrauchte E-Autos. Portale listen in Schleswig-Holstein derzeit etwa 4.000 Angebote auf, viele davon mit erschwinglichen Preisen um die 20.000 Euro für Modelle, die nur zwei oder drei Jahre alt sind. Zentrale Frage dann: Wie steht es um die Batterie? Anja Bauer hat gute Erfahrungen gemacht: "Selbst bei Gebrauchten aus 2014 oder 2018 kann man immer noch 93 oder 96 Prozent Batteriekapazität herstellen. Und das finden wir sehr viel." Einige Händler geben Zertifikate für gebrauchte Batterien aus. Oft greift eine Herstellergarantie über mehrere Jahre.
Jede zweite Werkstatt in SH kann Elektro
Mit zunehmendem Alter oder bei Unfällen müssen sich E-Auto-Fahrer auf Werkstattsuche begeben. Das war bisher kompliziert. Martin Seydell, dessen Verband rund 1.000 Betriebe vertritt, hat aber eine gute Nachricht: "Ungefähr 50 Prozent sind in der Lage, sich um E-Fahrzeuge zu kümmern. Das liegt daran, dass wir sehr viel für die Weiterbildung der Kfz-Mechatroniker getan haben und auch die Auszubildenden eine Zertifizierung dafür haben."
Kontroverse um zusätzlichen Strombedarf
E-Autos produzieren keine Abgase. Der Energiebedarf für Batterieproduktion und das Akkuladen sorgt allerdings für CO2-Emissionen und schadet somit dem Klima. Kritiker wie Ulrich Schmidt vom Kieler Institut für Weltwirtschaft argumentieren bisher, dass der zusätzliche Strombedarf vor allem durch fossile Kraftwerke gedeckt werde. Seine Analyse von 2020 erntete jedoch Kritik, unter anderem vom Fraunhofer-Institut: Schmidt setze offenbar nur die hohen Emissionen von Braunkohlekraftwerken an.
Wachsender Klimavorteil der Elektroautos
Legt man den aktuellen Strommix zu Grunde, verursachen E-Autos nicht einmal halb so viel CO2 wie Verbrenner. Zudem steigt der Anteil erneuerbarer Energie stetig an, so dass heute gekaufte E-Autos zum Ende ihrer Lebensdauer fast komplett emissionsfrei fahren. Apps wie Youle vom nordfriesischen Unternehmen GP Joule geben Auskunft darüber, zu welchen Stunden der Anteil erneuerbarer Energien im Netz besonders hoch ist. Schleswig-Holstein ist im Vorteil: Hier drehen sich besonders viele Windräder. Mit dynamischen Stromtarifen lässt sich Geld sparen, wenn man bei starkem Wind oder Sonnenschein statt bei einer Dunkelflaute lädt. Wer einen zusätzlichen Stromzähler installieren lässt, kann zudem vergünstigte Mobilstromtarife, zum Teil im Kombination mit einer Wärmepumpe, nutzen.
Batterien werden umweltfreundlicher
Auch bei der Batterieherstellung sinken die Emissionen, so dass das ifeu-Institut den E-Autos einen deutlichen Klimavorteil attestiert. Der neue Batterietyp aus Lithium-Eisenphosphat (LFP), der auch für Großspeicher genutzt wird, verzichtet auf die kritischen Rohstoffe Mangan und Kobalt. Zudem sinkt hier die Brandgefahr. LFP-Batterien sollen zudem noch länger halten. Einziger Nachteil: Sie sind weniger leistungsfähig bzw. verursachen ein höheres Gewicht. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA liegt der LFP-Marktanteil in E-Autos weitweit bereits bei mehr als 40 Prozent, in Europa aber noch deutlich darunter.
Wunsch nach klarer Ansage bei der künftigen Förderung
Auf die politische Debatte, den E-Auto-Verkauf mit einer Abwrackprämie oder anderen Anreizen anzukurbeln, reagieren der Verband und die Händlerin zurückhaltend. "Es ist gut, wenn es dann schnell umgesetzt wird und langfristig angelegt ist," betont Seydell. Denn solange nicht klar ist, ob tatsächlich eine neue Förderung kommt, warten die Kunden womöglich noch länger mit ihrer Kaufentscheidung.