Der See vergisst nicht: Chemischen Belastungen auf der Spur

Stand: 31.07.2024 05:00 Uhr

Auf den ersten Blick wirkt der Herrenteich bei Reinfeld im Kreis Stormarn idyllisch. Seerosen und Schilf säumen das Ufer, doch unter der Wasseroberfläche werden Schadstoffe vermutet.

von Karen Münster

Ivonne Stresius von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) ist mit ihren Kollegen auf dem Reinfelder Herrenteich unterwegs. In ihrem kleinen Schlauchboot stapelt sich allerlei Equipment: Plexi-Glas-Rohre, Metall-Stangen, Plastik-Behältnisse und eine Multiparameter-Sonde. "All das brauchen wir für unsere Forschung", erklärt Stresius. Denn gemeinsam mit ihrem Team will sie heute Sedimentproben vom Grund des Teichs entnehmen.

Sediment als "Gedächtnis des Sees"

Drei Personen in einem Schlauchboot bereiten sich auf die Entnahme von Sedimentproben aus einem See vor © NDR Foto: NDR Screenshot
Ivonne Stresius (rechts) und ihr Team entnehmen Sedimentsproben vom Grund des Herrenteichs.

Dafür kommt ein sogenannter Sedimentkernstecher zum Einsatz. Die Vorrichtung wird in den Boden des Teichs geschoben, das Sediment entnommen und anschließend "geschlachtet": "So nennt man die Aufteilung der Proben. Dabei schieben wir Schichten nach und nach in Petrischalen, die dann im Labor untersucht werden", erklärt Stresius. Ergänzt werden die Messungen unter anderem durch Sedimentationsfallen. "Damit untersuchen wir, wie viel Schlamm in einer bestimmten Zeit aufwächst". Das Prinzip sei einfach: Eine Kiste mit Flaschen wird auf dem Teichgrund verankert, nach mehreren Wochen wird die Kiste hochgeholt und gemessen, wie viel Sediment sich in den Flaschen abgesetzt hat.

Diese Probenentnahmen sind Bestandteil des Projekts "Verbesserung der Ökosystemleistungen in den Reinfelder Teichen", kurz "VerTe". Forschende aus Hamburg und Lübeck untersuchen drei Jahre lang gemeinsam den Zustand der Gewässer, erhalten dabei eine Förderung in Höhe von 1,65 Millionen Euro vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Naturschutz.

Schadstoff- und Nährstoffbelastung

Seit 2023 sind Ivonne Stresius, Projektleiterin des "VerTe", und ihr Team regelmäßig auf dem Herrenteich im Einsatz. Erste vorläufige Messergebnisse liegen bereits vor - aus chemisch-physikalischen Untersuchungen sowie aus Sediments- und Schadstoffanalysen. "Wir konnten eine Verschmutzung in Sediment und Wasser feststellen. Neben Pestiziden gibt es hier außerdem einen sehr hohen Nährstoffgehalt", so Stresius. Das sei besorgniserregend, denn ein zu hoher Nährstoffgehalt gehe zulasten der Artenvielfalt. Doch nicht nur der Herrenteich, auch die umliegenden Gewässer sind demnach belastet - unter anderem mit Stickstoff, Schwermetallen und polyamoratischen Kohlenwasserstoffen. Für Ivonne Stresius sind die vorläufigen Ergebnisse jedoch nur wenig überraschend. Tatsächlich seien die meisten Gewässer in Schleswig-Holstein belastet

"Der Herrenteich hat ein sehr großes Einzugsgebiet, das landwirtschaftlich genutzt wird. Außerdem wird hier von sechs Kläranlagen eingeleitet, auch Regenwasser kommt hier rein. Das sind alles Quellen, die Nährstoffe und Schadstoffe in die Teiche bringen." vonne Stresius, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Zustand der Gewässer in Schleswig-Holstein

Eine ähnliche Einschätzung lässt sich anhand der Daten des Landesamts für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume treffen. Aus dem 2018 publizierten "Bericht zur chemischen Situation der Fließgewässer und Seen in Schleswig-Holstein" geht hervor, dass nur wenige Flüsse und Seen in Schleswig-Holstein sich "(...) momentan in einem ökologisch guten Zustand" befinden. Weiter heißt es: "Kein Gewässer ist in einem guten chemischen Zustand. Es liegt also noch viel Arbeit vor uns."

Handlungsempfehlungen nach Abschluss

Arbeit, mit der auch Ivonne Stresius und ihr Team betraut sind. Ihre Aufgabe ist es, den Ist-Zustand der Teiche zu analysieren und anhand der Ergebnisse Handlungsempfehlungen zu geben. "Denkbar wäre, dass zum Beispiel Einleitungen aus Landwirtschaft und Kläranlagen reduziert werden müssen." Doch selbst wenn die Empfehlungen unmittelbar umgesetzt werden werden - für eindeutige und messbare Verbesserungen der Wasserqualität und Biodiversität braucht es laut Stresius vor allem Zeit. "Fünf, Zehn, wenn nicht sogar 20 Jahre. Es wird dauern", so Stresius.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 27.07.2024 | 19:30 Uhr

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