Reinfeld: Blaualgen nehmen Herrenteich den Sauerstoff

Stand: 27.04.2023 16:47 Uhr

Immer mehr Blaualgen im Reinfelder Herrenteich nehmen anderen Pflanzen und Tieren Licht und Sauerstoff zum Leben. Wissenschaftler wollen wissen, warum das so ist.

von Lena Haamann

Sein Problem sieht man ihm nicht an. Noch nicht. Denn Blaualgen wachsen erst mit steigenden Temperaturen. In den vergangenen Sommern wurden es auf dem Herrenteich in Reinfeld und den umliegenden Gewässern aber immer mehr. "Der Zustand des Herrenteiches ist schlecht", sagt Ivonne Stresius von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), die an diesem Morgen zusammen mit ihrem Kollegen auf einer Brücke über dem See steht und Proben nimmt. "Viele Arten, wie die Teichmuscheln, sind ausgestorben oder gefährdet. Die Karpfen sind noch am widerstandsfähigsten." In den Teichen, die schon im zwölften Jahrhundert von den Zisterziensermönchen angelegt wurden, gibt es nämlich ein Problem mit Blaualgen - ein Zeichen für eine Übersättigung an Nährstoffen und Sauerstoffmangel.

Nur ein See im Land in gutem Zustand

Ivonne Stresius und Carsten Marquardt stehen im Labor. © NDR Foto: Lena Haamann
Ivonne Stresius untersucht die Wasserproben im Labor.

Wie dem Herrenteich geht es immer mehr der insgesamt 300 Seen in Schleswig-Holstein. Nur der Selenter See im Kreis Plön ist laut NABU in einem guten ökologischen Zustand. Thomas Behrends beobachtet seit rund 20 Jahren, dass die Nährstoffbelastung in den Gewässern stark gestiegen ist. "Denn seitdem Tiere überwiegend im Stall gehalten werden und Mais für Agrargasanlagen angebaut wird, wird mehr gedüngt", sagt er. Probleme mit Blaualgen haben zum Beispiel auch der Lanker See und der Plöner See im Kreis Plön und der Ihlsee im Kreis Segeberg. "Und die sind nicht nur gesundheitsgefährdend für Badegäste, sondern auch schädlich für die Artenvielfalt", sagt Thomas Behrends. Denn durch die Algenmenge an der Wasseroberfläche gelangt oft kaum Licht auf den Grund. Die abgestorbenen Algen werden zu Schlamm. "Dadurch wachsen keine Wasserpflanzen wie Tausendblatt oder Laichkraut mehr. Und die sind wiederum Lebensraum für Arten wie Köcherfliegen, Schnecken oder Muscheln", erklärt der Biologe. Auch viele Libellen und Käferarten seien solch extremen Lebensbedingungen nicht gewachsen.

"Sediment ist das Gedächtnis des Sees"

An einer langen Leine lässt Ivonne Stresius von der Brücke aus eine kleine Baggerschaufel in den Herrenteich hinab, mit der sie etwas Schlamm und Sand vom Grund schaufelt. "Das Sediment ist das Gedächtnis des Sees", erklärt die Umweltingenieurin, "daran können wir erkennen, aus welcher Zeit welche Verschmutzungen stammen - bis zu 30 Jahre zurück." Denn darin setzen sich zum Beispiel Schwermetalle und chemische Altlasten wie Pflanzenschutzmittel ab. Ihr Kollege Carsten Marquardt von der Technischen Hochschule Lübeck misst neben ihr die Fließgeschwindigkeit und nimmt Wasserproben. So wollen sie der Ursache für die hohe Belastung der Gewässer auf den Grund gehen. Schon 2019 wurde das Projekt, das mit 1,6 Millionen Euro vom Bund gefördert wird, angeschoben. Vor vier Wochen haben sie mit der Ursachenforschung begonnen, die mindestens drei Jahre dauern wird. "Das ist schon sehr aufwendig. Wenn man sich vorstellt, dass der Teich eine Wasseroberfläche von 50 Hektar hat", erklärt der Bauingenieur. "Außerdem gibt es hier sechs Zuflüsse, die wir untersuchen, um herauszufinden, woher die meisten Schadstoffe kommen."

Von einer Brücke aus nehmen Ivonne Stresius und Carsten Marquardt Proben. © NDR Foto: Lena Haamann
AUDIO: Das Problem des Herrenteichs heißt Blaualgen (1 Min)

Im Labor füllen die Wissenschaftler die Wasserproben in Reagenzgläser und untersuchen sie auf verschiedene Schadstoffe, um die Hauptquelle für die Verschmutzung herauszufinden. Sie könnte zum Beispiel aus kommunalen Kläranlagen stammen, von den landwirtschaftlichen Flächen drumherum oder aus dem Regenwasser. Später wollen sie mit ökotoxologischen Tests mit Algen und Würmern auch herausfinden, wie sehr die gefundenen Schadstoffe den Lebewesen schaden. "Unser Ziel ist es, Maßnahmen zu entwickeln, die die Schadstoffe minimieren", sagt Ivonne Stresius. Zum Beispiel durch einen Sandfang oder durch einen Eaulorit, der das Wasser sanft bewegt und so für mehr Sauerstoffzufuhr sorgt.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 01.05.2023 | 19:30 Uhr

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