Delegationsreise in die USA: Schleswig-Holstein - who?
Werben für den Standort Schleswig-Holstein - das war eines der großen Ziele der Delegationsreise in die USA. Neugierig konnten die Abgesandten da vor allem mit einem Thema machen: Klimaneutralität.
Wer im Silicon Valley auf sich aufmerksam machen will, muss schnell sein, um zu überzeugen. Da passt es, dass Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am letzten Tag der Delegationsreise in die USA morgens um 5.30 Uhr über die Golden Gate Bridge joggt.
Es war eine intensive Reise, bei der es oft auch darum ging, klar zu machen, dass Schleswig-Holstein mehr ist als "der Norden von Hamburg". Die Distanz zwischen der schillernden Welt der großen Tech-Unternehmen, Eliteuniversitäten und Start-Ups, die die Stationen der Reise waren, und dem Agrarland Schleswig-Holstein ist auf den ersten Blick groß. Den wenigsten in den USA ist das nördlichste Bundesland Deutschlands unmittelbar ein Begriff. Aber er nehme Veränderung wahr, sagt Daniel Günther am Ende der Reise: "Gerade in den Bereichen Windkraftausbau, Wasserstoff und insgesamt den Erneuerbaren Energien sind wir den USA einen Schritt voraus. Da sind wir in wirtschaftlichen und politischen Gesprächen auf großes Interesse an unseren Erfahrungen und Fähigkeiten gestoßen. Da können wir uns selbstbewusst präsentieren."
Das sieht Hinrich Habeck, Chef der Wirtschaftsförderung Schleswig-Holstein (WTSH), ähnlich: "Wir müssen uns nicht verstecken." Aber die Reise sei sehr inspirierend gewesen - sowohl aus technologischer als auch aus Unternehmenskultur-Sicht. Nun bleibe Zeit, sich in Ruhe zu überlegen, was sich aus der US-Kultur auf Schleswig-Holstein übertragen lasse.
Nachholbedarf in Windenergie
Mit ihrer langen Küstenlinie sind die USA prädestiniert für den Windkraftausbau. Doch bislang wurde dieses Potenzial kaum genutzt. 42 Megawatt installierte Gesamtleistung gibt es bislang - 30 Gigawatt (GW) sollen es bis zum Jahr 2030 werden. Zum Vergleich das deutlich kleinere Schleswig-Holstein hat bereits 1,8 GW offshore installiert. Ein Pfund mit dem die Deutschen in den USA wuchern können. Bewusst hat die Reise in die Bundesstaaten geführt, die sich ehrgeizige Ziele für Klimaneutralität gesetzt haben. Es war oft ein Austausch - konkretere Absprachen gab es jedoch nicht.
Politische und wirtschaftliche Gespräche hat es in diesen sechs Tagen viele gegeben - ob nun mit der Gouverneurin von Kalifornien, der Innovationsschmiede von IBM, Google oder der Stanford-Universität. Händeschütteln, Freundlichkeiten austauschen, die Vorteile Schleswig-Holsteins hervorheben.
"Wer nicht wirbt, der stirbt"
Doch gerade dieses Werben sei wichtig, betont Kai Dolgner, Teil der politischen Delegation und der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Sonst beäugt er in seiner Oppositionsrolle die Arbeit des Ministerpräsidenten sehr kritisch, in Amerika ziehen beide an einem Strang. Das Ziel sei es, Schleswig-Holstein auf die Landkarte zu bringen. Unternehmen, so Dolgner, wüssten vielfach gar nicht, dass es auf der Welt einen Standort - Schleswig-Holstein - gibt, der mehr grünen Strom produziert als er braucht.
Dolgner sieht einen großen Mehrwert in der Reise, auch in Zeiten knapper Kassen: "Ich bin alter Kommunalpolitiker, wenn sie ein Gewerbegebiet ausweisen und darauf warten, dass irgendjemand vorbeifährt und das Schild liest, dann sind sie ganz weit hinter der Zeit. Sie müssen los, sie müssen Werbung treiben." Und Haushaltssperren könnten kein Grund sein, auf diese Werbung zu verzichten. "Wer nicht wirbt, der stirbt."
"Richtige Entscheidung trotz Haushaltslage"
Im Vorfeld war angesichts der schwieriger werdenden Finanzlage darüber nachgedacht worden, die USA-Reise abzusagen. Nun ist auch Günther froh, dass der transatlantische Austausch doch geklappt hat: Das war absolut richtig, dass wir das so entschieden haben. Es ist eben wichtig auch in diesen Zeiten hier Präsenz zu zeigen, eine Visitenkarte vorlegen."
Damit der Kontakt in die USA sich nicht auf sporadische Besuche beschränkt, gibt es seit 2018 das Northern German Innovation Office (NGIO) in San Francisco. Chef-Netzwerker hier: Tim Ole Jöhnk. Er sieht das Office als "Verbindungsbrücke zwischen Unternehmen aus Norddeutschland und dem Silicon Valley. Wir bringen uns auf so vielen Veranstaltungen wie möglich aktiv mit ein. Nur so wissen wir, woran die führenden Akteure im Silicon Valley gerade arbeiten." Dieses Wissen an Unternehmer in Schleswig-Holstein weiterzugeben, darum gehe es.
"Im Silicon Valley wartet niemand auf einen"
"Nice to meet you." "So great to see you.""Hope to see you again." Etwas oberflächlich wirkt das Netzwerken. Die Abläufe der Treffen ähneln sich. Laut Jöhnk ist aber genau dieser zum Teil auch informelle Austausch das, was für Unternehmer wichtig ist. Kontakte knüpfen, aufrechterhalten, pflegen. Rund 100 Netzwerktreffen nimmt Jöhnk wahr, repräsentiert Norddeutschland im Silicon Valley. "Diese Kontinuität ist sehr wichtig in dieser Art Dorf. Es ist ein Ort, an dem erstmal keiner auf einen wartet." Umso wichtiger sei es, eine Infrastruktur vor Ort zu haben und sich immer wieder aktiv in das Netzwerk einzubringen. Angesiedelt ist das NGIO bei der Wirtschaftsförderung des Landes.
Zahlreiche Wirtschaftsvertreter und Unternehmer haben in den vergangenen Tagen ihre Visitenkarten bei amerikanischen Firmen hinterlassen, darunter auch Konzerne wie Google, Amazon oder eon. Sie haben sich präsentiert und bei den amerikanischen Start-Ups gesehen, wie der Markt tickt, und sie haben gemerkt, dass auch in den USA nur mit Wasser gekocht wird.
Aber: Eindrücke allein reichen nicht. In Schleswig-Holstein geht es nun darum, die Erfahrungen auch zu nutzen und einfließen zu lassen in neue Projekte und Strategien. Dies habe man in der Gruppe fest verabredet und bereits ein weiteres Treffen ausgemacht, für eine detaillierte Analyse, kündigt Hagen Goldbeck von der Industrie und Handelskammer (IHK) an. "Ich gehe davon aus, dass einige Gechäftsmodelle ihren Weg in die schleswig-holsteinische Wirtschaft finden und auch, dass konkrete Geschäftsbeziehungen aufgenommen werden."
Mit den Themen Künstliche Intelligenz und Klimaneutralität ist das Land gut aufgestellt, aber im Vergleich zu amerikanischen Start-Ups könnte es noch selbstbewusster auftreten.