Dänemark: Viele Auswanderer unterrichten ihre Kinder zu Hause
Deutsche Auswanderer unterrichten ihre Kinder in Dänemark häufiger zu Hause. Eine Kommune im Süden des Nachbarlandes will darauf mit mehr Kontrollen reagieren und kritisiert die spärliche dänische Gesetzeslage.
Allein in den beiden süddänischen Kommunen Apenrade und Sonderburg sind im Frühjahr mehr als 80 Kinder deutscher Auswandererfamilien nicht regulär zur Schule gegangen. Vor der Corona-Pandemie waren es insgesamt nur etwa 20 Kinder. Das geht aus Statistiken der beiden Kommunen hervor. Seit 2020 ist die Anzahl deutscher Auswanderer in der süddänischen Region Nordschleswig insgesamt stark gestiegen.
Mehr deutsche als dänische Kinder im Homeschooling
In Dänemark gibt es im Gegensatz zu Deutschland keine Schul-, sondern lediglich eine Unterrichtspflicht. "Einige deutsche Eltern unterrichten ihre Kinder zu Hause, weil sie besondere Lernbedürfnisse haben, auf die das deutsche Schulystem aus ihrer Sicht nicht ausgelegt ist", sagt Marius Havemann Kissov Linnet, Schulkonsulent der Kommune Sonderburg. Dort befanden sich im April 77 Kinder im Homeschooling, 45 davon hatten einen deutschen Pass. Bislang gibt es laut der Kommune aber nur vereinzelte Kontrollgespräche mit den Eltern, um den Lernfortschritt ihrer Kinder zu überwachen.
Sonderburg will Regeln reformieren
Die Kommune Sonderburg kritisiert die spärliche dänische Rechtsgrundlage fürs Homeschooling und fordert von der Regierung eine Gesetzesreform. Die Kommune will eine neue Fachkraft einstellen, um mit Tests und Hausbesuchen den Lernerfolg und die soziale Entwicklung der Kinder besser kontrollieren zu können. "Im Moment sind es so viele Kinder im Homeschooling, dass wir sie nicht alle regelmäßig in ihrem Lernumfeld besuchen können. Das wollen wir ändern", sagt Havemann Kissov Linnet.
Homeschooling in Deutschland kaum möglich
Aber warum entscheiden sich deutsche Eltern überhaupt fürs Homeschooling in Dänemark? Ronja Jürgens ist als vierfache Mutter unter anderem wegen des deutschen Schulsystems nach Dänemark ausgewandert. "Mein Sohn ist als damals noch nicht diagnostizierter Autist im Klassenunterricht schon in der Grundschule völlig überfordert gewesen. Die Lehrer und auch wir als Eltern haben weder von der schulpsychologischen Beratungsstelle noch von den Kinderkliniken Hilfe erfahren", sagt Jürgens. Erst mit Unterstützung des Jugendamtes habe ihr Sohn zu Hause lernen dürfen. "Dort kam er dann zur Ruhe und holte den Lernstoff nach."
Enttäuscht vom deutschen Schulsystem
Die Familie sei 2019 in den Süden Dänemarks gezogen, nachdem die deutsche Schule klarstellte, dass sie das "Homeschooling-Experiment" nicht fortsetzen würde, erzählt Jürgens. Die älteste Tochter besuchte eine Förderschule, die beiden Jüngsten entschieden sich für die freie Schule im Wohnort und der große Sohn lernte zu Hause. In Dänemark seien die Behörden ganz anders als in Deutschland mit ihren teilweise behinderten Kindern umgegangen: "Die Gespräche sind von Wertschätzung geprägt. Im Vordergrund steht immer das Kind.“
Unterrichten zu Hause ist viel Arbeit
Jürgens schreibt Bücher und gibt Kurse zum Thema selbstbestimmtes Lernen. "Homeschooling ist viel Arbeit, aber es macht auch Spaß. Für mich persönlich war es sehr viel leichter, mit meinem Sohn zu Hause zu lernen. Da war er stabil und lernbegeistert und ich musste nicht mehrmals in der Woche in die Schule, weil etwas vorgefallen war." Ob man seine Kinder zu Hause unterrichte oder einen Schulbesuch wählt, sollten Familien nach Meinung von Ronja Jürgens selbst entscheiden dürfen.
Sorge um soziale Entwicklung
Anke Tästensen sieht das anders. Sie ist Schulrätin der 13 deutschen Schulen im süddänischen Nordschleswig und beobachtet die steigenden Homeschooling-Zahlen mit Sorge. Die fachliche Qualität könne nicht in allen Fächern gegeben sein - insbesondere wenn es um dänische Sprachkenntnisse gehe. Und sie ergänzt: "Es gibt ganz besondere Fälle, in denen es Sinn macht, Kinder im Homeschooling zu unterrichten. Häufig nimmt man den Kindern damit aber ganz viel soziales Miteinander, das so wichtig ist, gerade in einem neuen Land", sagt Tästensen.