Neustart in Dänemark: Die fünf größten Irrtümer beim Auswandern
Immer mehr Deutsche wollen im Land der Hotdogs und bunten Holzhäuser leben. Auch unsere Reporterin ist vor dreieinhalb Jahren nach Dänemark gezogen. Sie berichtet über den Mythos von weniger Bürokratie und andere Irrtümer beim Auswandern.
Das Wasser schwappt leise an den Sandstrand, die rot-weiß getünchten Holzhäuser leuchten in der Morgensonne, die Vögel zwitschern ihr schönstes Morgenkonzert. Idylle pur morgens um sechs Uhr irgendwo in Sønderjylland oder auch Nordschleswig, wie die Region hier genannt wird. Die Zahl der Deutschen, die dauerhaft hier leben wollen, ist so hoch wie nie: Zum 1. Januar waren in vier Kommunen in der Region 8.200 Menschen mit deutschem Pass gemeldet. Ein Plus von mehr als 80 Prozent in vier Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig: mehr Lebensqualität, ein besseres Schulsystem, günstige Immobilienpreise. Doch im Urlaub das Hygge-Gefühl zu genießen oder in Dänemark wohnen - das sind zwei verschiedene Welten.
Irrtum 1: In Nordschleswig sprechen doch alle Deutsch
Überall wird Deutsch gesprochen? Könnte man meinen - zumal das Gebiet ja bis zur Volksabstimmung 1920 zu Deutschland gehörte. Doch Orte wie Kruså (Krusau), Kollund oder Gråsten (Gravenstein) sind kein verlängerter Arm Flensburgs. Ja, viele sprechen Deutsch hier, doch es werden immer weniger. Vor allem bei den Jüngeren ist die Sprache nicht so angesagt. Ich selbst erinnere mich gut an ein Telefonat mit den Stadtwerken wenige Wochen nach meinem Umzug. Wir hatten plötzlich kein Wasser mehr. In holprigem Dänisch fragte ich die Dame am Telefon, ob sie Deutsch oder Englisch spreche. "Dansk!" war die knappe Antwort. Sprache ist die Basis der Integration. Was wir in Deutschland von Zuwanderern verlangen, das verlangen die Dänen umgekehrt von uns.
Ich sag's, wie es ist: Dänisch ist anstrengend. Dänisch lesen ist das eine - sprechen und verstehen, das andere. Die Dänen sind nicht nur Weltmeister im Handball, sondern auch im Verschlucken von Konsonanten. Zudem ist die Aussprache sehr kehlig. In Nordschleswig wird außerdem noch oft der Dialekt Sønderjysk gesprochen.
Tipp: Die Sprache so oft wie möglich hören, damit ihr euch an den Klang gewöhnt - und sich trauen, drauf los zu sprechen. Habt keine Angst, etwas Falsches zu sagen. Die Dänen sind da sehr tolerant. Sie wissen es zu schätzen, wenn man sich mit ihrer Sprache auseinandersetzt. Tretet in dänische Sportvereine ein, das kostet hier nicht viel, schnackt mit den Nachbarn. Dann könnt ihr euch nach ein paar Monaten schon ganz gut verständigen.
Irrtum 2: In Dänemark gibt's viel weniger Bürokratie
Ich frage mich, woher dieses Gerücht stammt. Sicher, die Dänen sind pragmatischer. Bis auf die Königsfamilie werden alle geduzt, es wird nicht gegendert, und im Job heißt es "machen statt planen". Bürokratie gibt es hier aber genauso wie in Deutschland. Es fängt an bei der Registrierung bei der Einwanderungsbehörde, dem Beantragen der dänischen Personennummer (CPR-Nummer) und hört bei der Steuererklärung noch lange nicht auf. Zudem muss man sich daran gewöhnen, dass in Dänemark auch die digitale Unterschrift zählt und Dinge damit rechtsverbindlich sind, sagt der Leiter des Regionskontors in Padborg (Pattburg), Peter Hansen.
Tipp: Es macht Sinn, sich von Deutschland aus zu informieren, was, wann, wie und wo beantragt werden muss. Das Regionskontor ist das Infocenter der Region Sønderjylland-Schleswig und kann euch dabei helfen. Vorab könnt ihr euch unter www.pendlerinfo.org informieren.
Irrtum 3: Dänemark ist doch um die Ecke - da ist das Auswandern doch schnell gemacht
Man kennt das Land schließlich vom Urlaub machen: Gemütliche Holzhäuser, endlose Sandstrände, entspannte, freundliche Dänen. Aber es ist ja, wie es ist (nicht nur in Dänemark): In einem Land leben und arbeiten oder nur Urlaub machen, ist ein Riesenunterschied. Dabei kommt auf die Konstellation dahinter an. "Kommt man allein oder als Familie? Will man in Dänemark wohnen, aber weiter in Deutschland arbeiten? Will man als Rentner einen Nebenjob? Die private Situation sollte vorher klar sein", sagt Peter Hansen vom Regionskontor. In der Regel muss man sich mit zwei Steuersystemen auseinandersetzen. Und mit einer anderen Kultur und Sprache sowieso.
Tipp: "Die Auswanderwilligen sollten schon eine Idee oder ein Ziel haben, wie ihr Leben in Dänemark aussehen soll. Damit wir sie gezielt beraten können", sagt Peter Hansen. Ein bis anderthalb Jahre sollte man sich geben, um das Umsiedeln sauber vorzubereiten.
Irrtum 4: Das Auto mit nach Dänemark nehmen - kein Problem
Stimmt. Wenn ihr neben dem Auto auch noch genug Geld mitbringt. Das Problem: Wenn ihr erst mal in Dänemark angemeldet seid, dürft ihr (bis auf Ausnahmefälle) nicht mehr mit deutschem Kennzeichen fahren. Innerhalb von 30 Tagen muss das Auto in Dänemark zugelassen sein. Dafür wird eine Zulassungssteuer fällig. Und die wird nicht umsonst Luxussteuer genannt. Grobe Rechnung: Für einen zehn Jahre alten Mittelklassewagen, Kostenpunkt in Deutschland rund 15.000 Euro, zahlt ihr auf der anderen Seite der Grenze zusätzlich noch mal rund 18.000 Euro. Ja, richtig gelesen. Man kann es jetzt so sehen: Euer Auto ist dann in Dänemark auch mehr als doppelt so viel wert.
Tipp: Oft macht es Sinn, das Auto in Deutschland zu verkaufen und sich in Dänemark ein Gefährt zuzulegen, das einen sicher von A nach B bringt und nicht so viel kostet. Man kann aber auch private Zulassungsdienste mit dem Verkauf in Deutschland und dem Neukauf in Dänemark beauftragen. Lasst euch am besten vorher einmal ausrechnen, wieviel ihr genau an Zulassungssteuer bezahlen müsst. Das geht über die dänische Steuerbehörde direkt oder über private Zulassungsdienste.
Irrtum 5: Die Dänen sind immer so entspannt
Ja, stimmt, meistens. Schluss mit Entspannung ist bei den Dänen - oder vielmehr der dänischen Polizei - wenn es um zu schnelles Autofahren geht. Ich selbst erinnere mich dunkel an meinen ersten (und bislang Gott sei Dank einzigen) Strafzettel. Bummelig umgerechnet 200 Euro. Ich war gefühlt 15 km/h zu schnell. Ok, vielleicht auch ein bisschen mehr - ich habe den Strafzettel nicht mehr. Das Tempolimit auf den Autobahnen ist 130 km/h - wird man mit 200 km/h erwischt, wird der Führerschein direkt einkassiert.
Tipp: Was soll ich sagen, fahrt nicht schneller als erlaubt und ladet mit dem eingesparten Geld eure Lieben zum Essen ein.
Mein persönliches Fazit: Ich war in einigen Punkten auch etwas zu blauäugig, was meine Auswanderung angeht. Vor allem das Thema Sprache hatte ich unterschätzt. Auch wenn ich nach dreieinhalb Jahren immer noch vieles dazulerne, bereut habe ich meine Entscheidung nicht. Man kann auf der dänischen Seite durchaus entspannter leben - wenn man sich darauf einlässt und ja, vielleicht auch versucht, vieles nicht zu sehr durch die deutsche Brille zu sehen. Fällt auch mir nicht immer leicht. Aber ich arbeite daran.