Couchsurfing für Trennungseltern: Ein bisschen Alltag mit der Tochter
Alle drei Wochen reist Moritz Tovar durch ganz Deutschland, um seine Tochter zu besuchen, die bei seiner Ex-Frau lebt. Die Initiative Familienhandwerker hat ihm ein kostenfreie Übernachtung bei dem Lübecker Caspar Sawade vermittelt.
Moritz Tovar ist gut drauf dafür, dass er heute schon um drei Uhr früh in München in den Zug gestiegen ist. Mit einem kleinen Koffer und einem breiten Lächeln steht er am Mittag vor der Haustür von Caspar Sawade in Lübeck und klingelt. "Ich bin ganz schön fertig: neun Stunden Fahrt", gesteht er dann aber doch. Sawade schmeißt also erstmal seine Kaffeemaschine an. In der kleinen Küche des Lübeckers tauschen die beiden Männer Neuigkeiten aus.
Initiative vermittelt Übernachtungsmöglichkeiten
Alle drei Wochen reist Tovar die 800 Kilometer vom Süden Deutschlands bis in den Norden, um hier seine vier Jahre alte Tochter zu besuchen. Die lebt bei Tovars Ex-Frau in der Hansestadt. Tovar und seine Tochter kommen an den Besuchswochenenden bei Sawade unter. Sie schlafen im Besucherzimmer der etwa 50 Quadratmeter großen Wohnung. Vermittelt hat das die Initiative Familienhandwerker. Bundesweit verschafft die Organisation Trennungseltern kostenfreie Übernachtungen bei Privatleuten am Wohnort des Kindes.
"Es ist schön, wenn jetzt mal Trubel ist"
Warum Caspar Sawade sich bei der Initiative gemeldet hat? "Ich bin auch ein Trennungsvater. Und es wäre damals praktisch gewesen, wenn es so etwas geben hätte", sagt der 55-Jährige. Zwischen Berlin, wo seine Kinder lebten, und Zittau, wo er damals wohnte, liegen immerhin 300 Kilometer. Er holte seine Söhne damals immer an seinen Wohnort. "Das war sehr zeitaufwendig und sehr kostenaufwendig", erinnert sich Sawade. 2020 kam er nach Lübeck, nahm hier die Stelle als Theaterdirektor an und zog in die Erdgeschosswohnung mit zwei Zimmern. "Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich alleine wohne. Ich habe immer in WGs gewohnt oder mit Familie. Es waren immer Leute da und es war immer Trubel", erzählt er. Sawade hat gerne Menschen um sich und empfängt gerne Besuch. Es passt für ihn also, sein zweites Zimmer alle paar Wochen an Moritz Tovar und seine Tochter zu geben. "Es ist schön, wenn jetzt mal Trubel ist. Das ist nur gut", meint Sawade.
Besucherzimmer mit Ausziehcouch
Und Tovar kommt gerne. Er kennt sich inzwischen aus in der Wohnung, trägt den Koffer in das kleine Zimmer und zieht schon mal die Couch aus. Er holt das Bettzeug aus dem Kasten und bezieht das Sofa für sich und seine Tochter. "Ich bin erst das dritte Mal hier bei Caspar", erzählt Tovar. Vorher hatte er sich immer über ein Online-Portal eine Unterkunft gebucht. "Aber die war nicht so nah am Wohnort der Kleinen - und auf die Dauer geht das natürlich auch ganz schön ins Geld", so Tovar, der in München als Psychologe und Coach arbeitet.
Auch mal zusammen was kochen
Und so ist er froh, dass er jetzt über die Familienhandwerker die Unterkunft bei Caspar Sawade gefunden hat. "Für mich ist das deutlich besser, als ein Hotel. Es liegt näher am Bahnhof, es geht weniger ins Geld und dass Caspar so nah am Wohnort der Kleinen wohnt, macht es für mich superentspannt, weil ich sie zu Fuß abholen kann." Vor allem aber sei es eine "andere Dynamik", die er mit seiner Tochter erlebe, wenn er die Zeit mit ihr in einer ganz normalen Wohnung statt in einem Hotel verbringen könne. "Am besten ist es, glaube ich, wenn ein Kind Normalität mitkriegt. Deswegen bin ich ganz dankbar, wenn wir hier zusammen zum Beispiel was kochen können. Das ist einfach super. Das könnte ich in einem Hotel beispielsweise nicht."
Und dann verabschiedet sich Tovar bei Caspar Sawade, der dieses Wochenende bei seiner Freundin verbringt - und macht sich durch die Lübecker Altstadt auf den Weg, um seine Tochter abzuholen.
"Mag beide nicht loslassen"
Er klingelt an der Tür der Wohnung, in der auch er einst lebte - und wartet, bis ein Bekannter der Familie die Tochter samt Gepäck runterbringt. "Papa!" "Hallo, komm mal her!" Vater und Tochter sind aufgeregt, umarmen sich und die Kleine zeigt ihrem Vater einen Plastikring, den sie am Finger trägt und erzählt und erzählt - von der Kita, von Freunden, davon dass sie gerade erkältet ist, von der Mama. "Wenn ich immer von Mama und Papa getrennt bin, dann mag ich euch beide immer nicht loslassen", sagt sie auch. "Ich weiß. Es ist schön, dich wieder hier zu haben", meint Moritz Tovar. Er lässt es sich nicht nehmen, die Vierjährige samt Gepäck auf seinen Armen durch die Altstadt bis zur Unterkunft zu tragen. Zu schwer? "Nein, ich hab sie doch so selten", erklärt er.
Erst mal malen
Als er die Wohnung aufschließt, fragt die Tochter gleich nach Caspar. "Der ist an diesem Wochenende nicht da", erklärt Moritz Tovar. Die Kleine rennt in das Zimmer, in dem die Schlafcouch ausgezogen ist, entdeckt dort in einem Regal Platzfolie und lässt sie knallen. Dann packt sie ihre Stifte aus ihrem Köfferchen, marschiert zum Küchentisch und will jetzt erstmal mit Papa malen. Der setzt sich mit einem Stapel Blättern und einem Kasten Wasserfarben daneben und macht mit.
"Die Mutter der Kleinen kommt eigentlich auch aus Süddeutschland. Ich hoffe sehr, dass sie bald dort runterziehen", meint er. Solange wird er weiterhin alle drei Wochen neun Stunden nach Lübeck fahren, um seine Tochter zu sehen und mit ihr in Caspar Sawades Wohnung ein bisschen Alltag zu verbringen.