Corona: Warmes Essen für Obdachlose in Rendsburg
Die derzeitige Kontaktsperre im Zuge der Corona-Krise trifft besonders die vielen Menschen ohne festen Wohnsitz, die Obdachlosen. Bisher konnten sie an Notunterkünften - sozialen Einrichtungen von oft kirchlichen Trägern - zusammenkommen. Dort fanden sie ein offenes Ohr, konnten übernachten, sich waschen, über gesundheitliche Probleme sprechen. Da diese Räume in Corona-Zeiten gesperrt sind, gibt es für die Betroffenen gerade gar kein Zuhause. Im schleswig-holsteinischen Rendsburg haben das Diakonische Werk und seine Tafel die Situation rechtzeitig erkannt. Jetzt gibt es dort nicht nur Lebensmittel für Ärmste und Bedürftige, die Tafel hat auch begonnen, warmes Essen für Obdachlose zu kochen. Die NDR Info Perspektiven haben die Einrichtung besucht.
Anke Höft hat noch etwa eine halbe Stunde in der Küche zu tun. Dann wird sich in einem Altstadt-Haus mitten in Rendsburg eine weiße Holztür öffnen. Bis dahin muss und will sie das Essen fertig haben. Ihre Hand geht zum Dampfgarer. Sie drückt den Hebel runter. Sofort qualmt es aus der Edelstahlluke in die Küche hinein. Beim Umrühren des Essens erzählt sie: "Das sind Ravioli in einer Soße. Wenn heute Mittag um 12 Uhr die Türen aufgemacht werden, dann können wir das ausgeben." Sie sei keine Köchin, lächelt Anke Höft. Was eigentlich wundert, so gut, so frisch, so lecker sieht das Essen in der flachen Metallschale aus. "Wir bekommen Lebensmittel aus großen Küchen, die noch geöffnet sind. Die bereiten wir dann auf. Ansonsten habe ich immer Reserven, zum Beispiel in den Gefriertruhen. Da kann ich was rausnehmen und fertig machen, damit alles läuft."
Gemeinsam essen - aber auf Lücke
Heute aber gibt es frisch Gekochtes, zwei Mahlzeiten zur Auswahl. Und weil sich hier auch gerade alles um das Thema Corona dreht, hat sich das Team um Anke Höft etwas überlegt: Ihre Gäste dürfen, wenn überhaupt, nur einzeln reinkommen - und sollen sich auf Lücke setzen. Besser noch: Sie bekommen ihr Essen an der Hintertür über einen quer gestellten Tisch hinaus gereicht - auf Tellern oder in Dosen zum Mitnehmen. "Unsere Obdachlosen sitzen nachher auf dem Hof. Sie bekommen einen Teller mit Gemüse und Putenfleisch. Dann dürfen sie hinten auf dem Hof sitzen und essen. Und wenn sie fertig sind, dürfen sie alles stehen lassen und gehen wieder raus."
Besondere Herausforderung für Hilfseinrichtungen
Kurz nach Inkrafttreten der Kontaktsperre wurde das warme Essen für die Obdachlosen in Rendsburg organisiert. Schon am ersten Tag hätten es 16 Frauen und Männer jeden Alters in Anspruch genommen, erzählt Anke Höft. Seitdem hätten sie das Angebot wegen der großen nachfrage hochgefahren. Beim Erzählen versagt Anke Höft die Stimme: "Also, wir haben hier ja wirklich die Ärmsten der Armen - diejenigen, die gar nichts haben. Darüber wird Ihnen meine Kollegin nachher noch mehr sagen können." Die Kollegin Heike Seeland ist Sozialarbeiterin bei der Diakonie. Corona würde auch sie nochmal herausfordern. Und für die Obdachlosen sei es gerade ganz bitter: "Im Moment haben die wirklich überhaupt keine Anlaufstelle." Der Tagestreff für Obdachlose, bestehend aus einem Vormittags- und einem Nachmittagsangebot, musste geschlossen werden: "Die Räume sind ziemlich klein und viele Leute sind da auf engem Raum beieinander, so dass wir die aktuellen Standards nicht einhalten können", erläutert Seeland. "Nun haben wir wieder möglich gemacht, dass die Leute hier ein warmes Mittagessen bekommen. Ich find's super!"
Corona erfordert pragmatische Arbeit vor Ort
Wegen Corona gäbe es zurzeit einfach nichts für ihre Schützlinge, erzählt sie weiter: "Ich mach's gerade so: Ich schmiere früh Brote. Und dann gucke ich auf dem Bahnhof." Momentan sei ihre Strategie eher aufsuchende Sozialarbeit. Die werde aber immer schwieriger, weil die Polizei überprüft, ob die Menschen sich an das Kontaktverbot halten. "Menschenansammlungen mit mehr als zwei Personen ist halt wirklich ganz schwer. Und unsere Leute treffen sich nun mal gerne im Pulk", erklärt sie.
Essen für alle - mit Nachschlag
Dann geht der Türsummer. Anke Höft steht mit Mundschutz und großer Kelle bereit. Wer über den schmalen Hofgang zur Hintertür kommt, kriegt sein Essen dort. Wer vorne reinkommt, wird aus der Küche bedient. Mathias hat sich in den Aufenthaltsraum gesetzt. Sein schwarzer Rucksack lehnt an der Wand. Er hat Hunger! Wie hat er von dem Angebot erfahren? "Gestern war hier ein Schild an der Tür zu sehen: 'Warmes Essen zum Mittag' - mehr nicht." Jetzt freut er sich über die dampfenden Ravioli vor sich auf dem Teller: "Es schmeckt, na klar! Und man kann sich sogar noch einen Nachschlag holen." Mathias, einer von Rendsburgs Obdachlosen - die jetzt in der Corona-Zeit mit einem warmen Mittagessen versorgt werden.