Bullerbü auf Gut Wittmoldt: Dreharbeiten für Astrid-Lindgren-Film
Der Kieler Filmemacher Wilfried Hauke macht sich filmisch auf die Spuren von Astrid Lindgren während des Zweiten Weltkriegs. Die damals noch unbekannte Autorin schrieb ihre Kriegstagebücher und erfand Pippi Langstrumpf.
Rund zwei Handvoll Menschen wuseln an einer kleinen Badestelle des Kleinen Plöner Sees (Kreis Plön) um Wilfried Hauke herum. Es ist ein geschäftiges Durcheinander von Kamerafrau, Tonassistenten, Aufnahmeleiterin, Szenenbildner und Co. Der Kieler Filmemacher arbeitet mit seinem Team an einer Kinodokumentation über die weltberühmte schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren, die 2002 in Stockholm verstarb.
Die dokumentarischen Anteile sind bereits an Originalschauplätzen in Schweden abgedreht worden. Wilfried Hauke traf dafür Astrid Lindgrens Familie: ihre heute 90-jährige Tochter Karin Nyman, die Enkelin und den Urenkel. Nun stehen die szenischen Dreharbeiten in der Holsteinischen Schweiz an. Die Kulisse: Sonne, rundherum Seen, Wald und mit dem Gut Wittmoldt ein stattliches Herrenhaus, das über allem thront. Den Drehort hat sich Wilfried Hauke bewusst ausgesucht: "Das hier ist doch Bullerbü live", findet er.
Kriegstagebücher und die Erfindung Pippi Langstrumpfs
Thematisch dreht sich der Film um die Jahre des Zweiten Weltkriegs. Von 1939 bis zum Kriegsende schrieb Astrid Lindgren ihre Kriegstagebücher, die erst 2015 von ihrer Familie posthum veröffentlicht wurden. Hier schrieb sie über die Gräueltaten von Hitler und Stalin, das Elend jüdischer Flüchtlinge auf der Ostsee, den privilegierten Alltag in Schweden sowie ihre Arbeit für den schwedischen Geheimdienst. Zudem erfand Lindgren, damals noch völlig unbekannt, Anfang der 1940er-Jahre auch ihre Figur "Pippi Langstrumpf". Was zunächst nur die mündlichen Erzählungen für Tochter Karin über das selbstbewusste Mädchen waren, brachte sie zu Papier, und es wurde nach dem Krieg zum Welterfolg.
Das Geheimnis der Kraft von Lindgrens Büchern
Laut Wilfried Hauke, der selbst mit den Lindgren-Geschichten von Pippi, Ronja Räubertochter und all den anderen groß geworden ist und sie heute den eigenen Enkeln vorliest, ist die Zeit von 1939 bis 1945 besonders wichtig, um Leben und Werk Astrid Lindgrens besser zu verstehen. "Wenn man die Tagebücher liest, versteht man erst, was eigentlich hinter dieser Literatur steckt. Was das Geheimnis der Kraft ihrer Bücher ist", sagt er. "Das Erlebnis eines grausamen Krieges, Männer, die die Welt an den Abgrund führen, und genau in dieser Zeit erfindet sie dieses starke Mädchen und setzt dem Grauen eine kindlich-humanistische Botschaft entgegen."
Ein schwedischer See im Kreis Plön
Gerade bereitet das Filmteam eine Szene vor, die 1942 in Schweden spielt: Astrid Lindgren und ihr Ehemann Sture gehen mit der neunjährigen Tochter Karin an den See. Letztere wird von der sechsjährigen Edda Marta gespielt, die heute keine Lust auf ein Interview hat. Sie verrät nur so viel: "Ich mag am liebsten Pippi Langstrumpf, weil sie so stark ist." Auch die schwedische Schauspielerin Sofia Pekkari, die Astrid Lindgren spielt, ist seit ihrer Kindheit von Literatur und Leben Lindgrens fasziniert.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch etwas Neues an Astrid Lindgren entdecken könnte, aber durch die Arbeit an den Kriegstagebüchern habe ich noch einmal eine ganz andere Perspektive auf Sie einnehmen können." Sofia Pekkari, Schauspielerin
Überzeugungsarbeit in Schweden
Wilfried Hauke musste die Lindgren-Familie erst einmal von seiner Idee zum Film überzeugen. "Das hat ein Jahr gedauert", sagt er. Vor allem zur Lindgren-Tochter Karin habe er Vertrauen aufbauen müssen. "Sie ist ja die Einzige, die noch Erinnerungen an ihre Mutter in dieser Zeit hat. Sie hatte Angst, ich könnte eine falsche Astrid erzählen." Im Film begleitet die Kamera die 90-Jährige dabei, wie sie in den handgeschriebenen Kriegstagebüchern ihrer Mutter blättert und mit ihrer Tochter und ihrem Enkel darüber ins Gespräch kommt. Die in Schleswig-Holstein gedrehten szenischen Teile des Films kommen ohne Dialoge aus. "Sie werden mit gelesenen Passagen aus den Tagebüchern unterlegt", erklärt Wilfried Hauke.
Film ab Frühjahr 2025 im Kino und Fernsehen zu sehen
Die Szene am See ist mittlerweile abgedreht. Für die kleine Edda Marta ist heute Feierabend. Sie ist erst in ein paar Tagen wieder dran. Die Dreharbeiten in Wittmoldt, unterstützt wird das Projekt von der Moin Filmförderung Hamburg und Schleswig-Holstein, gehen noch bis zum 23. August weiter. Zu sehen ist der der Film dann ab Frühjahr 2025 sowohl im NDR, auf Arte sowie im Kino. Pünktlich zum 80. Geburtstag von Pippi Langstrumpf.