Brokstedt-Prozess: Sachverständige schildern Verletzungen der Opfer
Bei einer Messerattacke in einem Regionalzug sind im vergangenen Januar zwei Menschen gestorben, vier weitere wurden schwer verletzt. Bisher haben im Prozess mehr als 60 Zeugen ausgesagt. Vor dem Landgericht Itzehoe schilderten am Dienstag Sachverständige, wie sie die Verletzungen der Opfer beurteilen.
Ein Oberarzt des Rechtsmedizinischen Instituts des UKE Hamburg hat im Prozess von den Verletzungen berichtet, die bei einer getöteten 17-Jährigen festgestellt wurden. Demnach habe die Leiche der jungen Frau 27 Stichverletzungen aufgewiesen. Ein Stich in den Oberkörper, der die Lunge verletzt habe sowie einer in den Oberschenkel, der eine Arterie getroffen habe, seien für den Tod unmittelbar relevant gewesen.
Weitere Verletzungen haben sich als oberflächlich erwiesen, hätten aber bei geringfügig anderem Verlauf ebenfalls tödlich sein können, so der Professor. Es fanden sich demnach keine Anhaltspunkte für eine Abwehr des Opfers, auch über den zeitlichen Verlauf der Tat ließe sich aufgrund der Verletzungen nichts sagen.
Zehn Schnittverletzungen bei überlebendem Opfer
Eine medizinische Sachverständige hat im Prozess um die tödliche Messerattacke im Regionalzug bei Brokstedt (Kreis Steinburg) am Vormittag über die Verletzungen eines der überlebenden Opfer berichtet. Bei einem 22 Jahre alten Mann, der dem Täter letztlich das Messer aus der Hand schlagen konnte, berichtete die Ärztin des Rechtsmedizinischen Instituts des UKE Hamburg von neun bis zehn Schnitt- und Stichverletzungen. Einige seien oberflächlich gewesen, andere auch tiefer. Außerdem sei die Nase durch einen Biss des Angreifers verletzt worden, sagte die Medizinerin vor dem Landgericht Itzehoe.
Angeklagter wirkt unbeteiligt
Der angeklagte Ibrahim A. verfolgte die Verhandlung weitgehend unbeteiligt. Während der Erläuterungen der tödlichen Verletzungen durch die Sachverständigen blickte er selten auf den Bildschirm. Die meiste Zeit war sein Blick auf die Tischplatte vor ihm gerichtet.
Unter den bisher mehr als 60 Zeugen waren Beobachter und Beobachterinnen des Angriffs, Fahrgäste, die verletzt wurden sowie Polizisten und Rettungskräfte. Immer wieder schilderten sie das brutale Geschehen aus ihrer Perspektive mit eindringlichen Worten.
Prozess wird 2024 weitergehen
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Ibrahim A. vor, am 25. Januar 2023 in einem Zug von Kiel nach Hamburg bei Brokstedt Fahrgäste mit einem Messer angegriffen zu haben. Zwei junge Menschen starben, eine 17 Jahre alte Frau und ihr zwei Jahre älterer Freund. Vier weitere Menschen - zwei Frauen und zwei Männer - erlitten erhebliche Verletzungen. Der Prozess soll nach bisheriger Planung bis in das Frühjahr hinein fortgesetzt werden.
Ibrahim A. bereut seine Taten
Ende November hatte Ibrahim A. von seinem Anwalt Björn Seelbach eine Erklärung vor Gericht verlesen lassen. Darin sagte er, dass er die Tat bereue, dass er es gerne rückgängig machen würde und dass es ihn traurig mache. Im weiteren Verlauf behauptet der Angeklagte aber auch, vom männlichen Todesopfer sowohl auf dem Gleis in Neumünster als auch kurz vor der Tat massiv beleidigt worden zu sein. Er soll A. zudem kurz vor der Tat eine Ohrfeige verpasst haben. Daraufhin habe er die Kontrolle verloren und den jungen Mann mit dem Messer attackiert. Keiner der Zeugen aus dem Zug konnte diese Behauptung bisher bestätigen. Diese berichteten einstimmig von einem plötzlichen Beginn der Attacke. Eine vorhergehende Auseinandersetzung erwähnte keiner der Zeugen.
Anwalt plädiert weiter auf Unzurechnungsfähigkeit
Verteidiger Seelbach ist der Meinung, dass sich sein Mandat während der Tat in einem psychischen Ausnahmezustand befunden hat und somit unzurechnungsfähig sei. Denn die Abweichungen von der Realität in seiner Aussage würden dem psychiatrischen Gutachter wichtige Hinweise auf den geistigen Zustand seines Mandanten liefern, so Seelbach.