Brokstedt-Prozess: Ibrahim A. bereut seine Taten
Zum ersten Mal hat der Angeklagte sich zu den Vorwürfen geäußert. Sein Verteidiger las eine Erklärung vor, in der Ibrahim A. Reue zeigte.
Ziemlich genau fünf Monate ist es her, dass Ibrahim A. das erste Mal vor Gericht stand - wegen der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt. Zwei Menschen waren dabei ums Leben gekommen. Vier weitere wurden schwer verletzt. Damals war der Pressebereich im Gerichtssaal gut gefüllt, das Interesse am Geschehen riesig. Mit steigender Zahl der Verhandlungstage ließ das Medieninteresse aber nach, nicht jeder Termin wurde begleitet. Und so hat der Angeklagte, fast unbemerkt, eine erste Erklärung abgegeben.
Ibrahim A. gibt zu, die Kontrolle verloren zu haben
In der Erklärung, die der Verteidiger vor gut einer Woche vor dem Landgericht verlesen hatte, sagt Ibrahim A., dass er die Tat bereue, dass er es gerne rückgängig machen würde und dass es ihn traurig mache. Im weiteren Verlauf behauptet der Angeklagte aber auch, vom männlichen Todesopfer sowohl auf dem Gleis in Neumünster als auch kurz vor der Tat massiv beleidigt worden zu sein. Er soll A. zudem kurz vor der Tat eine Ohrfeige verpasst haben. Daraufhin habe er die Kontrolle verloren und den jungen Mann mit dem Messer attackiert. Keiner der Zeugen aus dem Zug konnte diese Behauptung bisher bestätigen. Diese berichteten einstimmig von einem plötzlichen Beginn der Attacke. Eine vorhergehende Auseinandersetzung erwähnte keiner der Zeugen.
Angeklagter wollte das Mädchen nicht töten
Ibrahim A. behauptet außerdem, dass er hauptsächlich auf das männliche Opfer eingestochen habe und dass das weibliche Opfer sich dazwischengeworfen habe. Er habe das Mädchen nicht töten wollen. Die Untersuchungen hatten jedoch ergeben, dass das weibliche Opfer die Mehrzahl an Stichen aufgewiesen hat. Desweiteren sagte A., dass die Menschen im Zug ihn angestarrt hätten und ihn hassen würden, weil sie sein Bild im Fernsehen gesehen hätten. Es gab allerdings keine nennenswerte Fernseh-Berichterstattung über Ibrahim A. vor dem 25. Januar 2023, dem Tag der Tat im Zug bei Brokstedt.
Ibrahim A. gab Erklärung bereits im März ab
Laut seinem Anwalt Björn Seelbach basiert die Erklärung auf einer Aussage, die der Angeklagte bereits im März ihm gegenüber machte. Die Aussage hätte auch dem Gericht von Anfang an vorgelegen, so Björn Seelbach. Allerdings hatte sich Ibrahim A. zu Beginn des Prozesses mit seinem Anwalt verworfen. Der Grund: Der Angeklagte beschuldigte seinen Verteidiger, von der Hamas beauftragt worden zu sein. Er lehnte dessen Beistand ab und die Erklärung wurde zunächst nicht verlesen. Im September kam es dann aber zu Versöhnung und so konnte nun die Erklärung - in leicht veränderter Form - verlesen werden und Ibrahim A. sich zum ersten Mal zu den Vorwürfen äußerte.
Anwalt plädiert weiter auf Unzurechnungsfähigkeit
Björn Seelbach ist weiter der Meinung, dass sich sein Mandat während der Tat in einem psychischen Ausnahmezustand befunden hat und somit unzurechnungsfähig sei. Denn die Abweichungen von der Realität in seiner Aussage würden dem psychiatrischen Gutachter wichtige Hinweise auf den geistigen Zustand seines Mandanten liefern, so Seelbach. Ziel der Erklärung sei, dass sein Mandant in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eingewiesen wird.
Leitender Ermittler der Mordkommission sagt vor Gericht aus
Im Verhandlungstag am Dienstag hat ein Kommissar weitere Hinweise für das psychiatrische Gutachten geliefert. Der Beamte war für den Angeklagten während der Zeit seiner Behandlung im Krankenhaus und beim anschließenden Weitertransport am Tag der Tat verantwortlich. Laut seiner Aussage verhielt sich der Beschuldigte sehr ruhig und auch kooperativ. Er fragte unter anderem nach der Anzahl der Opfer und Verletzten und wollte auch dessen Nationalität wissen. Während der Fahrt starrte er den Kommissar einmal minutenlang an. Als der ihn darauf ansprach habe Ibrahim A. geantwortet, dass er mit ihm kommunizieren würde, wie Tiere es tun würden - mit den Augen.
Der Prozess wird am 19. und 20. Dezember fort gesetzt. An den beiden Tagen wird der Bericht der Rechtsmedizin vorgestellt.