Brokstedt-Prozess: Anklage fordert lebenslange Haft

Stand: 02.05.2024 18:09 Uhr

Ibrahim A. habe zwei heimtückische Morde begangen, sagte die Staatsanwältin. Die Verteidigung forderte die Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Einrichtung.

Im Prozess um die tödliche Messerattacke in Brokstedt am Itzehoer Landgericht (Kreis Steinburg) hat die Anklage in ihrem Plädoyer lebenslange Haft gefordert. Er habe völlig unvermittelt in einer Alltagssituation ihm völlig fremde Menschen getötet.

Der 34-Jährige sei frustriert über einen erfolglosen Termin bei der Ausländerbehörde in Kiel gewesen. Er habe sich des zweifachen Mordes sowie des vierfachen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung schuldig gemacht. Die Staatsanwältin beantragte zudem die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld.

Die Staatsanwätlin begann ihr Ausführungen mit Zitaten von Fahrgästen, die am 25. Januar im Regionalzug von Kiel nach Hamburg gewesen waren und Zeugen der Tat wurden. Die Erlebnisse hätten sich in deren Erinnerung gebrannt, sie litten teilweise bis heute an den psychischen und körperlichen Folgen der Taten, so die Staatsanwältin. Sie hält den Angeklagten für voll schuldfähig. Sollte das Gericht ihrem Antrag folgen, wäre das Strafmaß für Ibrahim A. eine lebenslange Freiheitsstrafe, ohne die Möglichkeit auf Bewährung nach 15 Jahren.

Verteidigung plädiert für Unterbringung in psychiatrischer Einrichtung

Verteidiger Björn Seelbach forderte am Donnerstag die Unterbringung seines Mandanten in einer psychiatrischen Einrichtung. Aufgrund seiner psychotischen Störungen sei sein Mandat nicht schuldfähig. Für den Fall, dass das Gericht die Frage der Schuldfähigkeit anders bewerte, beantragte der Verteidiger eine Gesamtstrafe wegen zweifachen Totschlags sowie vierfacher gefährlicher oder schwerer Körperverletzung zu zehn Jahren. Sein Mandant habe sich angegriffen gefühlt. Es habe sich nicht um Taten aus Frust gehandelt. 

Anwalt wollte Gutachter erneut hören

Zuvor hatte das Gericht zwei Anträge des Anwalts des Angeklagten abgelehnt. Der Anwalt von Ibrahim A., Björn Seelbach, hatte am Donnerstagnachmittag verlangt, dass der psychiatrische Gutachter erneut gehört wird. Am Donnerstagvormittag hatte er gefordert, dass ein zweites psychatrisches Gutachten erstellt werden sollte. Das Gericht lehnte beide Anträge ab. Dadurch verzögerte sich der Prozessablauf um viele Stunden.

Zudem gab Ibrahim A.s Verteidiger am Donnerstag eine Stellungnahme des Angeklagen ab. "Ich lehne das Töten ab. Mich erschrecken schon immer die toten Menschen, die ich sehen musste. Ich finde es eklig, das anzusehen", hieß es darin.

Gericht hält auch Totschlag für möglich

Die Kammer gab am Donnerstag vor Abschluss der Beweisaufnahme einen rechtlichen Hinweis. Im Fall des 19 Jahren alten getöteten Jugendlichen in dem Zug komme auch Totschlag in Betracht, sagte der Vorsitzende Richter Johann Lohmann. Der Angriff auf ihn sei erst erfolgt, nachdem dieser sich im Zug schützend vor seine bei dem Angriff getötete 17 Jahre alte Freundin gestellt habe. Möglicherweise komme in seinem Fall das Mordmerkmal Heimtücke nicht in Betracht. Das Gericht wolle gegebenenfalls prüfen, ob dafür das Mordmerkmal Mordlust erfüllt sein.

Schuldunfähig oder nicht?

In dem Verfahren geht es vor allem darum, ob der Angeklagte Ibrahim A. während der Tat schuldunfähig war oder nicht. Die Verteidigung geht von einer psychischen Erkrankung des Angeklagten aus. Während des Prozesses hatte Verteidiger Seelbach immer wieder gefordert, seinen Mandanten für schuldunfähig zu erklären. Das würde bedeuten, dass er in eine geschlossene psychiatrische Klinik eingewiesen wird und nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden kann. Der psychologische Gutachter kam allerdings zu dem Schluss, dass Ibrahim A. voll schuldfähig war. Darin wurde eine posttraumatische Belastungsstörung, aber keine Psychose diagnostiziert. Laut Verteidigung trete bei dem Angeklagten jedoch durchaus ab und zu eine Psychose auf. Diese sei für die Schuldfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Das Urteil soll Mitte Mai fallen.

Angeklagter will Stimmen gehört haben

Die Tat am 25. Januar 2023 schockierte weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus: Ibrahim A. hatte damals gerade die Untersuchungshaft in Hamburg verlassen, wo er wegen diverser Delikte wie Drogenbesitz und Körperverletzung einsaß und auch psychologisch behandelt wurde. Er habe immer wieder Stimmen gehört und sei außerdem aggressiv gegenüber Mithäftlingen und Wärtern gewesen, hieß es.

Nach seiner Entlassung fuhr Ibrahim A. am Tag der Tat mit dem Zug nach Kiel, um dort notwendige Papiere für seinen weiteren Aufenthalt in Deutschland zu besorgen, aber ohne Erfolg. Auf seiner Rückfahrt mit dem Regionalzug nach Hamburg soll der 34-Jährige dann unvermittelt auf Zugreisende eingestochen haben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 02.05.2024 | 17:00 Uhr

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