Biomethan ersetzt Erdgas: Großanlage in Osterby startet
Biogasanlagen produzieren meist Strom und Wärme. In Osterby gelangt stattdessen Biomethan ins Erdgasnetz. Es ist das größte Projekt dieser Art in Schleswig-Holstein. Ist das die Zukunft der Branche?
Sie könnten genauso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind: Für viele Biogasanlagen läuft in den kommenden Jahren die für 20 Jahre garantierte Förderung aus. Der Boom der Jahre 2004 bis 2007 könnte nun eine Rückbauwelle verursachen. In Osterby (Kreis Schleswig-Flensburg) treten die Betreiber stattdessen die Flucht nach vorn an. Sie nehmen jetzt eine neue Anlage in Betrieb, die nach einem anderem Konzept arbeitet: Sie speist Biomethan ins Erdgasnetz ein. Es ist das größte derartige Projekt in Schleswig-Holstein. Baukosten: 20 Millionen Euro ohne Förderung.
Grüner Erdgas-Ersatz statt Strom und Wärme
Bisher finanzieren sich Biogasanlagen vor allem durch die Stromproduktion. Sie laufen weiter, wenn Wind und Sonne bei Dunkelflauten schwächeln. Dafür bekommen die Betreiber eine relativ hohe Vergütung pro Kilowattstunde. Gleichzeitig wird die Abwärme in Wärmenetzen genutzt, wenn diese im Umfeld vorhanden sind.
Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit: Wenn man dem Biogas CO2 und Wasserdampf entzieht, ist es von fossilem Erdgas kaum zu unterscheiden. Statt es vor Ort zu verbrennen, kann es ins internationale Erdgasnetz eingespeist werden. Genau das passiert in Osterby, erklärt Geschäftsführer Oliver de Vries. Der Anschluss an die große Nord-Süd-Hauptleitung erfolgt über eine drei Kilometer lange Zuleitung im benachbarten Dorf Meyn.
Die Hälfte für den Verkehr
Mit dem Großhandelspreis für Erdgas kann das Biomethan bisher nicht mithalten. Dieser liegt nach der Energiekrise wieder auf einem niedrigen Niveau von 2,7 Cent pro Kilowattstunde. Allerdings lässt sich Biomethan deutlich teurer als Treibstoff für PkW mit einem Gastank verkaufen. Wenn Gülle und Mist die Grundlage bildeten, stehen 12 bis 15 Cent in Aussicht, so de Vries. Der Grund: Die besonders klimaschädlichen Methan-Emissionen, die entstehen würden, wenn die Gülle unbehandelt auf Feldern landet, können angerechnet werden.
Hühnermist aus Niedersachsen
Mais und Zuckerrüben landen nur zu etwa einem Viertel in der Anlage. Die Gülle kommt aus dem Umfeld. Hühnermist wird allerdings aus Niedersachen herangefahren, weil nur dort große Mengen verfügbar sind. Der weite Weg senkt die Umweltbilanz. Das Material sei aber äußerst effektiv, lobt de Vries. Etwa die Hälfte läuft über die Tankstellenvermarktung, wo meist komprimiertes Bio-Erdgas (CNG) angeboten wird. Auch Bio-LNG als Flüssiggas für die Transportbranche wird schon vereinzelt hergestellt. Die Tankstellen entnehmen das Gas dem großen Erdgasnetz. Wie beim Ökostrom erfolgt die Zuordnung, was Bio ist und was nicht, allein über die Bilanzierung.
Für das Heizen zu kostbar?
Mehr als ein Prozent Biomethan befindet sich bereits im deutschen Erdgasnetz. Zehn Prozent könnten es bis 2030 werden, schätzt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW. Auch die EU sieht wachsendes Potential. Eine Analyse im Auftrag der European Climate Foundation rät allerdings davon ab, den Energieträger für das Heizen zu benutzen. Dort seien Wärmepumpen effektiver.
Stattdessen sollte sich die künftige Anwendung auf Industrieprozesse konzentrieren, die mehr als 500 Grad benötigen. Denn letztlich werde Biomethan deutlich knapper verfügbar sein als Erdgas. Dieses Argument wird oft auch beim grünen Wasserstoff genannt, der in Konkurrenz zu Biomethan treten könnte. De Vries kritisiert, dass Wasserstoff-Projekte stärker gefördert seien. Dessen Herstellung sei zehn mal so teuer wie Biomethan, sagt er.
Wertschöpfung bleibt in der Region
Der Landesverband für Erneuerbare Energien (LEE) hält das Osterbyer Projekt für zukunftsweisend. Insgesamt gebe es nur sieben Anlagen in Schleswig-Holstein, die Biogas aus Gülle und Mist aufbereiten. "Das Projekt zeigt damit einen Weg auf, wie Biomasse zukünftig nachhaltig einen Beitrag leisten kann hin zum klimaneutralen Industrieland", lobt LEE SH-Geschäftsführer Marcus Hrach. Zudem schaffe es regionale Wertschöpfung. 60 Beschäftigte arbeiten nach Angaben der Osterby-Gruppe in der neuen Anlage. Am Freitagabend soll die Inbetriebnahme mit mehreren Hundert Gästen gefeiert werden.