Bildungskosten und Kinderarmut: Opposition fordert mehr Engagement
300 Euro im Monat für Schulessen und eine Klassenfahrt für 500 Euro: Diese Summen sind für viele Eltern eine Belastung. Wie die entlastet und ihre Kinder vor Armut geschützt werden können, darüber hat der Landtag am Donnerstag debattiert.
Dass Eltern mit wenig Geld bei den Bildungskosten geholfen werden soll, findet Bildungsministerin Karin Prien (CDU) wichtig. Aber wer soll das tun? Der Staat könne nicht alles leisten, so Prien: "Über Kostenobergrenzen - etwa für Schulmaterial, Klassenfahrten und -Ausflüge - entscheidet am Ende die Schulkonferenz. Das heißt, Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte können auch gemeinsam eine Mehrheit für Kostendeckelung bilden." Das Verhältnis zwischen Eigenverantwortung und Solidarität müsse immer gewahrt bleiben.
Für diese Haltung gibt es viel Kritik aus der Opposition: SPD, FDP und SSW werfen der schwarz-grünen Regierung vor, sich nicht ausreichend für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu engagieren. Auf die Position aus der CDU, der Staat könne nicht alles leisten, antwortet der bildungspolitische Sprecher der FDP, Christopher Vogt: "Es ist Staatsgläubigkeit, wenn Eltern bei der Anschaffung eines Ipads Unterstützung bekommen? Die CDU ist heute auf den Hund gekommen."
Mindestens 1.000 Euro pro Schulkind und Jahr
Jette Waldinger-Thiering vom SSW kritisiert, dass das Land seit 2016 nichts zur Entlastung von Familien mit schulpflichtigen Kindern getan hat. Diese Regierung habe kein Interesse an Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Malte Krüger von den Grünen sagt, dass das Land es sich schlicht nicht leisten kann, den Eltern alle anfallenden Schulkosten abzunehmen. Deswegen brauche es gezielte Maßnahmen statt einen Gießkannenmechanismus.
SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat wirft der Regierung vor, sich nicht dafür zu interessieren, welche Kosten durch die Schule für Eltern überhaupt entstehen. Die letzte Studie dazu sei bereits sieben Jahre alt, seitdem habe sich das Leben und auch die Schulkosten verändert. "Sie wollen die Zahlen gar nicht wissen", sagt er. Zu dem Thema hatten SPD und SSW eine Große Anfrage gestellt. Die Regierung geht auf Basis früherer Erhebungen davon aus, dass Eltern knapp 1.000 Euro pro Kind und Schuljahr ausgeben, gut 300 Euro davon für Fahrtkosten, Schulessen und Nachmittagsbetreuung.
407 Euro im Schnitt für ein Tablet für den Unterricht
Allein durch Preissteigerungen seit 2016 sei man heute bei 1.200 Euro, digitales Lernen komme noch dazu, meint Habersaat. Als Beispiel nennt er den Kauf von Tablets: "Wo Schulen die Anschaffung eines Gerätes zur Pflicht machen, kostet es die Eltern durchschnittlich 407 Euro." Die FDP sieht dabei den Staat in der Pflicht, Schüler mit teuren Endgeräten auszustatten. Es müsse auch Eigenverantwortung bei den Eltern liegen, meint Vogt: "Aber die Eltern müssen dazu auch in der Lage sein. Und die Kinder die sollten es nicht ausbaden, wenn die Eltern dies eben nicht sind."
100.000 Kinder und Jugendliche von Armut betroffen
Nach Daten des Statistischen Bundesamtes liegt die Armutsquote hier im Land bei 15,6 Prozent. Allein in Schleswig-Holstein seien rund 100.000 Kinder und Jugendliche arm oder von Armut betroffen, sagt der SSW-Abgeordnete Christian Dirschauer in einer auf die Schulkosten folgenden Debatte über Kinderarmut: "Das ist eine unfassbar hohe Zahl und aus meiner Sicht einfach nur beschämend. Wir reden über eine riesige Gruppe junger Menschen, die in ihren Entwicklungs- und Lebenschancen beeinträchtigt sind."
SPD und SSW fordern von Bund und Land deswegen unter anderem einen schnelleren Einstieg in die Kindergrundsicherung. Außerdem machen sie sich für eine Ausbildungsförderung stark, die unabhängig vom Einkommen der Eltern ist. Und ein kostenfreier Zugang zu Bildung, Freizeit, Sport und Kultur für Kinder und Jugendliche solle ausgebaut werden.
Kinderarmutskonferenz geplant
"Die soziale Schere ist ein ernstes Problem," sagt der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka. Ziel müsse es sein, die soziale Balance zu wahren. Und er fügt an: "Bildung darf nicht vom Geld der Eltern abhängen. Familienministerin Aminata Touré (Grüne) sagt, Armut sei mehr als nur wenig Geld zu besitzen. Die Bekämpfung von Kinderarmut sei ein zentrales Instrument hin zu mehr Gerechtigkeit. Für das kommende Jahr plant das Land eine große Kinderarmutskonferenz. FDP-Politiker Heiner Garg fügt hinzu, dass konkrete Maßnahmen wichtiger als Konferenzen sind.