Eine Ratsversammlung in Neumünster. © NDR Foto: Christian Lang

Bekommt Neumünster die erste muslimische Kita Schleswig-Holsteins?

Stand: 16.07.2024 18:20 Uhr

In Neumünster soll die erste Kindertagesstätte eines muslimischen Trägers in Schleswig-Holstein entstehen. Die Kriterien für den Bau und Betrieb wurden erfüllt. Heute Abend entscheidet die Ratsversammlung über das weitere Vorgehen.

von Christian Lang

Eine 2.500 Quadratmeter große freie Fläche mitten in der Innenstadt. In Städten wie Kiel oder Lübeck wäre dieses Filetstück ein Leckerbissen für renditegetriebene Investoren. In Neumünster soll eine Kindertagesstätte gebaut werden, wenn es nach Murat Kayabasi und dem Bildungs- und Kulturzentrum in Neumünster geht. Kayabasi ist Vorsitzender der Merkezefendi-Moschee in der Christianstraße. Der Moscheeverein plant, eine Kita für 60 Kinder zu betreiben. Der erste Spatenstich soll im Herbst dieses Jahres erfolgen. Noch liegt aber keine Baugenehmigung vor. Bevor die ausgestellt werden kann, muss die Ratsversammlung der Stadt Neumünster zustimmen.

Der Rat muss der Kita zustimmen

Murat Kayabasi, Vorstand des Moschee-Vereins Neumünster. © NDR Foto: Christian Lang
Die Kinder sollen ermuntert werden, sich auszuprobieren, Stärken zu erkennen und sich geliebt fühlen: "Wie in jeder anderen Kita in Deutschland auch", sagt Murat Kayabasi, Vorstand des Moschee-Vereins Neumünster.

Murat Kayabasi und einige Gemeindemitglieder kommen am Dienstagnachmittag in der Moschee bei Tee und Gebäck zusammen. Die Aufregung will sich niemand anmerken lassen. Doch mit der Zustimmung des Rates steht und fällt das Projekt. Eigentlich stehen die Aussichten gut: Das Konzept wurde vom Sozialauschuss der Stadt begrüßt, Kita-Plätze sind knapp und religiöse Träger bei Kindertagesstätten keine Seltenheit. Nur muslimische Träger gibt es hierzulande bisher nicht.

Muslimische Kita ist kulturelle Bereicherung

Im Vicelinenviertel wohnen Menschen aus aller Herren Länder - auch Muslime, weiß auch Babett Schwede-Oldehus (CDU). Viele leben schon seit Generationen in Deutschland oder Neumünster. Die Vorsitzende des Sozial- und Gesundheitsausschusses geht davon aus, dass die Ratsversammlung dem Projekt zustimmt: "Neben christlichen Trägern wird es nun auch einen muslimischen Träger einer Kita geben. Ich empfinde das als kulturelle Bereicherung." Der Fachdienst werde auch bei dieser Kita überprüfen, ob die Regeln für den Betrieb eingehalten werden. Befürchtungen, dass es anders kommen könnte, hat sie nicht. "Schließlich sind wir schon sehr viele Jahre mit dem Verein und dem Vorstand Murat Kayabasi in Kontakt. Und der Moscheeverein bekennt sich klar und eindeutig zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland", sagte Schwede-Oldehus.

SPD: Kita strebt Integration an

Frank Matthiesen gibt zu, dass die SPD Neumünster gemischte Gefühle hatte, was die Integrationsfrage anging: "Wir haben das Gespräch mit dem Mosche-Verein gesucht. Hier predigen keine aus irgendeinem Land geschickten Imame, sondern integrierte Neumünsteraner", so der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion heute. Mit der Kita werde Integration angestrebt und keinesfalls sabotiert.

Widerstand von NPD-Nachfolgerpartei

Die Partei "Heimat Neumünster" (vormals NPD) ist gegen das Projekt. Eine Kita eines Moschee-Vereins würde "ganz sicher nicht zu einer besseren Integration von Ausländern" beitragen, so die Partei. Im Vicelinenviertel, in dem die Kita geplant ist, liegt der Anteil von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bei 16,7 Prozent.

Moschee-Verein ist Träger der freien Jugendhilfe

Vier Männer knien in einer Moschee in Neumünster zum Gebet. © NDR Foto: Christian Lang
Mitglieder der Moschee-Vereins beim Gebet vor der Ratsversammlung.

Der Neumünsteraner Moschee-Verein gilt seit dem Jahr 2016 als geeignet, eine Kita zu betreiben. Damals bekam er seine Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe. Vor etwa eineinhalb Jahren bot sich dann eine Chance, bald eine eigene Kindertagesstätte zu betreiben. Der Trägerverein der Neumünsteraner Moschee, der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) aus Köln, erwarb die Brache, die an die Moschee in der Christianstraße angrenzt. Als die Stadt eine Ausschreibung zum Betrieb einer Kita in der Innenstadt veröffentlichte, reifte die Idee, hierfür das benachbarte Grundstück zu nutzen, denn Grundvoraussetzung war eine eigene Fläche. Der Verein stimmte sich mit den Behörden und der Verwaltung der Stadt ab, erarbeitete Konzepte, entwarf Pläne.

13 Vollzeitstellen sollen entstehen

So wurde ein Konzept zur Betreuung von 60 Kindern entworfen. 20 im Krippenbereich und 40 für Kinder ab 3 Jahren. Insgesamt sollen 13 Vollzeitstellen geschaffen werden. Geplante Öffnungszeiten: Von 7.30 bis 16.30 Uhr. Der allseits beklagte Fachkräftemangel in Kitas scheint für den Moscheeverein kein Thema zu sein. Man habe seit Jahren schon junge Leute gezielt auf eine Ausbildung im pädagogischen Bereich vorbereitet, sagt Murat Kayabasi. Und der Dachverband VIKZ plane weitere muslimische Kitas. In Berlin und Dortmund beispielsweise wären diese seit Jahren schon ein fester Bestandteil der Betreuungslandschaft. Auf finanzieller Seite sieht der Plan so aus: Der geschätzt etwa 2,8 Millionen teure, zweigeschossige Neubau soll durch den Dachverband VIKZ bezahlt werden, die Stadt die Ausstattung mit knapp 250.000 Euro bezuschussen und anschließend die Mietkosten in Höhe von jährlich 180.000 Euro übernehmen.

Sandkastensprache Deutsch

Kommt die Kita, dann erfolgt die Vergabe der Kitaplätze nicht über den Moscheeverein, sondern über das Kita-Portal des Landes. Eine Religionszugehörigkeit zum Islam wird keine Voraussetzung sein. Das ist im Sinne des Moscheevereins. Andernfalls gäbe es auch keine Betriebserlaubnis, stellt die Stadt klar. Die Sandkastensprache in der Kita wird Deutsch sein. Getröstet werden die Kinder dann in der jeweiligen Muttersprache, sollten die Erzieher diese beherrschen.

Kita-Konzept liest sich weltoffen, liberal und tolerant

Die pädagogischen Konzepte der Kita sehen die Weitergabe von ethischem Verhalten, das Kennenlernen unterschiedlicher Religionen und die Förderung der deutschen Sprache vor. Das Kita-Konzept liest sich weltoffen, liberal und tolerant. Die Kinder sollen ermuntert werden, sich auszuprobieren, Stärken zu erkennen und sich geliebt fühlen: "Wie in jeder anderen Kita in Deutschland auch", sagt Murat Kayabasi. Und erklärt noch, was es mit dem Namen der Kita auf sich hat: Sonnenblume. Denn Sonnenblumen drehen sich ja immer zum Licht der Sonne hin. Und Licht steht für ihn als Sinnbild für das Wissen, das die Kinder bescheinen und wärmen soll. Die heutige Ratsversammlung kann Murat Kayabasi kaum erwarten.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 17.07.2024 | 19:30 Uhr

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