Bauernproteste in SH: Ministerpräsident Günther zeigt Verständnis
Die Protestwoche der Landwirte hat ganz Schleswig-Holstein betroffen und beschäftigt - auch Ministerpräsident Daniel Günther. Im Interview mit NDR SH spricht der CDU-Politiker über die Forderungen der Landwirte und über die Verantwortung der Politik, die Proteste nicht außer Kontrolle geraten zu lassen.
Am Freitag haben Tausende Landwirtinnen und Landwirte in Kiel demonstriert und ihren Unmut über die Agrarpolitik gezeigt. Im Interview mit NDR Schleswig-Holstein zeigt Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Verständnis für die Proteste, bringt aber auch seine Sorge zum Ausdruck.
Herr Günther, haben Sie Verständnis für die Empörung der Landwirte?
Daniel Günther: Ich habe absolut Verständnis dafür, wenn man einen Berufsstand so benachteiligt und ihm solche Lasten aufbürdet, ohne überhaupt mal ein Gespräch miteinander zu führen. Und wenn es auch in den Dingen, die der Landwirtschaft auch wichtig sind, einfach überhaupt gar keine Fortschritte gibt, dann muss man sich auch nicht wundern, dass ein solcher Widerstand da ist. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Und in einer Demokratie ist es legitim, dann natürlich auch Protest zu machen. Der muss geregelt ablaufen, man muss sich an alle Regeln halten. Aber das haben die Landwirtinnen und Landwirte eigentlich an fast allen Stellen auch gemacht.
Wie bedrohlich ist es aus Ihrer Sicht, dass sich weitere Berufsgruppen den Protesten anschließen?
Günther: Das muss uns, glaube ich, alle miteinander mit Sorge erfüllen. Das ist ja schon auch ein Zeichen dafür, dass auch im Bereich der Handwerkerinnen und Handwerker, im Bereich des Mittelstandes, dass es da eine große Unzufriedenheit gibt. Das heißt, die Streichungen im Agrarbereich sind sozusagen nur ein Teil des Protests. Ich glaube, das liegt viel tiefer. Ich glaube, dass Menschen, die unternehmerisch tätig sind, die selbständig sind, sich unverstanden fühlen von der Politik, weil sie mit viel Bürokratie belastet sind, weil es zu wenig Vertrauen gibt in ihre Arbeit. Und ich glaube, da erhoffen sie sich deutlich mehr Unterstützung und auch Wertschätzung vonseiten der Politik. Von daher müssen wir alle daran arbeiten.
Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Situation aufgrund dieser "Wut-Welle" außer Kontrolle geraten könnte?
Günther: Das ist unsere Verantwortung, dass das nicht passiert. Im Frühjahr ist es so gewesen in der Regierung - und das kann man, glaube ich, nicht bestreiten -, dass die Ampel im Moment nicht den besten Lauf hat. Dann gibt es natürlich auch Unmut darüber. Früher war es so, dass der sich dann kanalisiert hat, dass man dann die demokratische Opposition in den Blick genommen hat und gesagt hat: Dann brauchen wir vielleicht mal einen Regierungswechsel. Aber heute merkt man ja schon auch, dass der Protest so stark ist und dass viele einfach generell an der Lösungskompetenz von Politik zweifeln. Das muss uns natürlich schon aufrütteln. In einer solchen Lage müsste die Union eher bei 40 Prozent sein als bei 30 Prozent, wo wir im Moment sind. Von daher müssen wir vielleicht noch stärker deutlich machen, wie unsere Lösungen aussehen, um die Probleme - die ja unbestritten da sind - auch zu lösen.
Wir haben ein paar Themen, die auf der Hand liegen, die nicht gelöst werden. Jeder weiß, dass wir im Moment wirklich große Herausforderungen haben, die ja nicht mit einem Fingerschnipsen zu lösen sind. Klimawandel, das Thema Migration ist eines, was viele Menschen bewegt. Da bedarf es wirklich auch einer langfristigen Strategie. Aber die Leute, gerade Unternehmen, die brauchen Planungssicherheit. Wenn wir heute junge Landwirte haben, die einen Betrieb übernehmen und nicht mehr investieren, weil sie sich nicht trauen, diese Investitionen zu tätigen, weil sie an die Verlässlichkeit von Politik nicht mehr glauben, dann sind das Dinge, die uns wirklich Sorgen machen müssen. Das zeigt eben auch, dass der Protest viel breiter ist. Das ist offenkundig, dass es auch für viele andere Menschen in Deutschland genauso gilt.
Wo kann die Politik aus Ihrer Sicht auf die Landwirte zugehen?
Günther: Ich glaube, man kann bei solchen Kürzungen niemanden ausschließen. Das war ja das, was wir immer auch gesagt haben: Dass die Bauern natürlich auch von den weiteren Maßnahmen, die verabredet sind, betroffen sind. Ein steigender CO2-Preis hat eine Wirkung auch auf den Berufsstand. Aber ich will jetzt nicht irgendein Ergebnis vorwegnehmen. Natürlich muss darüber gesprochen werden. Kompromisse gehören auch zur Demokratie dazu. Wir müssen auch bereit sein, Kompromisse einzugehen. Und ich habe zumindest auch Landwirte immer so erlebt, dass das auch mit ihnen möglich ist.