Arved Fuchs: Der Herr im ewigen Eis wird 70 Jahre alt
Arved Fuchs ist für seine abenteuerlichen Expeditionen in aller Welt bekannt. Immer wieder zog es ihn in Polarregionen, aktuell ist er mit seinem Projekt "Ocean Change" auf Nord- und Ostsee unterwegs. Dabei will er auch auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen. Heute feiert der Bad Bramstedter seinen 70. Geburtstag.
Traumberuf Polarforscher! Als seine Klassenkameraden noch Feuerwehrmann oder Lokführer werden wollen, ist Arved Fuchs bereits dem Eis erlegen. Um für die lauernden Abenteuer gut gerüstet zu sein, absolviert der am 26. April 1953 in Bad Bramstedt geborene Sohn eines Internisten eine Ausbildung bei der Handelsmarine und studiert anschließend Schiffsbetriebstechnik. Doch für ihn ist das offensichtlich zu viel Theorie, zu wenig Praxis - nach einer Zwischenprüfung bricht Arved Fuchs das Studium ab und fährt für zwei Jahre beruflich zur See.
Die Arktis - eiskalte Leidenschaft
Ins erste Abenteuer stürzt sich Arved Fuchs 1977. Mit einem Kanu geht es nach Labrador, Kanada. Bereits ein Jahr später geht es auf eine Expedition nach Borneo. 1980 führt es Arved Fuchs das erste Mal in die Arktis - der Beginn einer "eiskalten" Beziehung. Den menschlichen Grenzen trotzend begibt er sich jetzt jährlich auf Reisen: Er überquert den Atlantik in einem Segelboot (1981), schlägt sich sechs Wochen auf einer einsamen Insel im Pazifik durch (1982), durchquert Grönland mit einem Hundeschlitten (1983), umrundet als erster im Winter mit einem Faltboot Kap Hoorn (1984) und macht noch eine Expedition zum magnetischen Pol (1985). Nach weiteren Touren erlangt Arved Fuchs international große Aufmerksamkeit, als er 1989 zusammen mit insgesamt acht Abenteurern von Nord-Kanada zu Fuß zum Nordpol läuft. 60 Tage, mehr als 1.000 Kilometer durch klirrende Kälte und treibendes Packeis.
Zu Fuß zum Nord- und Südpol
Im Spätherbst 1989 bricht der Abenteurer mit dem Extrem-Alpinisten Reinhold Messner zu einer Durchwanderung der Antarktis auf. Bei minus 20 bis minus 30 Grad legen die beiden mehr als 2.800 Kilometer in 92 Tage aus eigener Kraft und ohne Motorenhilfe zurück. Auf dieser Strecke erreichen sie auch den Südpol - Arved Fuchs ist nun der erste Mensch, der innerhalb eines Jahres beide Pole auf dem Fußweg erreicht. Die immensen Kosten seiner Reisen kann er nur mittels Sponsoren decken. Es geht ihm bei seinen Reisen aber nicht nur um das Abenteuer, sondern auch darum, die Weltöffentlichkeit auf den Klimawandel aufmerksam zu machen.
Sein Herz hat er an zwei "Frauen" verloren
Zwei "Frauen" begleiten Arved Fuchs seit vielen Jahren. Eine davon ist Brigitte Ellerbrock, seine langjährige Partnerin, die ihn auch auf mancher Reise begleitet. Wenn sie nicht mit an Bord ist, versuchen die beiden täglich per Satellitentelefon miteinander zu sprechen. 2003 geben sie sich kurz vor Fuchs' 50. Geburtstag auf Sylt das Jawort. Die Architektin ist kein bisschen eifersüchtig auf die zweite Lady im Leben des Polarforschers: "Dagmar Aaen", ein über 80 Jahre alter Haikutter, ist seit 1988 im Besitz des Extrem-Reisenden. Schritt für Schritt restauriert er den Einmaster und startet 1991 zu seiner ersten Reise. Fünf Jahre - mit Unterbrechungen - ist Arved Fuchs unterwegs in beide Polarregionen. Mehr als 50.000 Seemeilen legt er in dieser Zeit mit seiner zwölfköpfigen Crew zurück. "Der Kutter ist für mich eine gute, alte Freundin, die mich schon sicher durch viele Stürme gebracht hat", sagt Fuchs.
"Angst ist okay, Panik ist gefährlich"
Nicht immer glücken die Expeditionen beim ersten Versuch. Alleine für die Durchquerung der Nordostpassage, den nördlichen Seeweg zwischen Europa und Asien, braucht die "Dagmar Aaen" vier Anläufe. Als es endlich so weit ist, beschreibt Arved Fuchs seine Gefühle: "Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen." Am meisten ärgert er sich, wenn eine Reise missglückt, weil die Vorbereitung nicht stimmt. "Mein größter Misserfolg war, als ich zum ersten Mal zum Nordpol wollte und scheiterte, weil ich die Situation unterschätzt hatte."
Brenzlige Situationen kennt Arved Fuchs zur Genüge. "Angst ist okay, erst die Panik ist gefährlich", weiß der Extrem-Abenteurer. Eine gute Vorbereitung ist schon mal das halbe Rüstzeug. "Welche Route, welches Team, welche Unterhose, das sind die entscheidenden Fragen." Und sicher auch die Talismänner: Eine Bernsteinkette, die ihm der letzte Fischer des Haikutters als Glücksbringer übergeben hat und ein bunt geschecktes Seidentuch von seiner Schwester, das er anlässlich seiner ersten Expedition bekommen hat.
Hundefutter zum Abendessen
Wählerisch, was die Verpflegung betrifft, darf man auf solchen Expeditionen nicht sein. Rohe Robbenleber, Kiviak (eine Vogelart, die in Robbenhaut mit viel Fett eingenäht und monatelang unter einen Steinhaufen gesteckt wird), Hundefutter - Arved Fuchs hat alles gegessen. Umso mehr freut er sich auf die heimische Küche und vor allem ein gutes Glas Wein. "Wenn ich zurück bin, habe ich einen Jieper auf frisches Obst, Gemüse, italienische Küche. Aber auch auf Kino, Freunde, Klönschnack und eine warme Badewanne." 70 Tage ohne zu duschen oder zu baden - das ist der etwas fragwürdige Rekord des Abenteurers.
Die Kälte hingegen macht ihm nichts aus, im Gegenteil: "Ich habe meinen Frieden mit dem Eis gemacht", sagt der Polarforscher. "Die Kälte ist praktisch der Eintrittspreis, um den Zugang zu einmalig schönen Landschaften zu haben. Die klare Luft, Eisberge, Gletscher und ein gigantischer Sternenhimmel entschädigen absolut." Arved Fuchs liebt es, in der Natur zu sein. "Wenn man längere Zeit draußen unterwegs ist, versteht man sich wieder als Teil davon."
Jugendarbeit und Umweltschutz
Zunehmend rückt die Abenteuerlust in den Hintergrund, der Aspekt des Umweltschutzes gewinnt an Bedeutung. 2004 ermöglicht Arved Fuchs drei norddeutschen Schulen, via Internet an seiner Fahrt teilzunehmen und so die Auswirkungen des Klimawandels am veränderten Verhalten der Eisbären nachzuvollziehen. Drei Jahre später ruft er dann das erste ICE-Camp (Ice-Climate-Education-Camp) ins Leben, um Jugendliche aus der ganzen Welt für die Themen Klima und Umwelt zu sensibilisieren. Das, was die Medien darüber berichten, ist ihm zu abstrakt, zu weit von der Realität entfernt. "Wenn sie direkt vor Ort sehen, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Arktis hat, können sie an ihren Schulen vielleicht mehr bewegen und durch eigene Vorträge andere Mitschüler und Lehrer inspirieren, sich ebenfalls für den Klimaschutz einzusetzen."
2017 verlieh ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Verdienstkreuz am Bande. In der Begründung hieß es, Fuchs sei in seiner 40-jährigen Expeditionstätigkeit zu einem über die Grenzen Deutschlands herausragenden Umweltschützer geworden. Steinmeier hob hervor, das Gemeinwesen lebe davon, "dass immer wieder Menschen den bequemen Beobachtungsposten verlassen" und sich einmischen.
Art der Expeditionen verändert sich
Bei einer Expedition im vergangenen Jahr musste Fuchs wegen einer Darmblutung in Island notoperiert werden. Anschließend kam er nach Kiel ins UKSH. Er habe Glück gehabt, sagte Fuchs später. Eigentlich hätte sein Schiff nämlich schon wieder auf See sein sollen, als der Notfall passierte. Wegen einer schwierigen Eislage lag es aber noch im Hafen.
Ohnehin reizen Fuchs heute nicht mehr die großen körperlichen Grenzerfahrungen. Er habe seine Unternehmungen im Laufe der Jahre seinem Alter angepasst, sagt er. Man müsse sich eingestehen, dass die physische Belastbarkeit nachlässt. "Ich könnte heute keinen 130 Kilogramm schweren Schlitten mehr durch die Antarktis ziehen, das will ich aber auch gar nicht." Ihn würden heute andere Dinge interessieren als früher.
Nächste Expedition führt auf Nord- und Ostsee
Seine nächste Expedition wird Fuchs und seine Crew auf die Nord- und Ostsee führen. Mit der "Dagmar Aaen" will der Forscher bereits kurz nach seinem Geburtstag zur nächsten Etappe des Projekts "Ocean Change" aufbrechen. Dieses rief Fuchs 2015 ins Leben, um zu dokumentieren, wie Klimawandel oder Müll Ozeane verändern. Seit 2021 gibt es eine Verbindung zum Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, das während der Fahrten der "Dagmar Aaen" Daten aus Gegenden bekommt, in denen sonst niemand unterwegs ist.
Beim Klimaschutz alle mitnehmen
Fuchs selbst will sich nicht als Wissenschaftler verstanden wissen - aber dazu beitragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse bei den Menschen ankommen. Gerade beim Klimawandel ist ihm das ein wichtiges Anliegen. "Das Problem des Klimawandels lösen wir nur, wenn wir alle mitnehmen", sagt er. Die Politik habe die Entwicklung aus seiner Sicht über Jahrzehnte verschlafen, meint Fuchs und ist dennoch optimistisch, dass sich etwas ändern kann. Dazu gehört für Fuchs auch ein Bewusstseinswandel: "Warum muss ich mit dem SUV zum Brötchenholen fahren? Ich kann auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß dahin kommen." Er ist sicher: "Das ist kein Verlust von Lebensqualität, sondern das ist ein Gewinn."