Ein Pferd auf dem Schutzhof in Schlichting. © NDR Foto: Sophie Apelt

Alt, krank, ausgesetzt - Hof in Schlichting kümmert sich um 100 Tiere in Not

Stand: 02.10.2024 05:00 Uhr

Auf ihrem Schutzhof im Kreis Dithmarschen kümmert sich Familie Milani-Flohr um 100 alte, kranke und ausgesetzte Tiere und rettet sie damit häufig vor dem Tod. Doch es fehlt an ehrenamtlichen Helfern und Spenden.

von Sophie Apelt

Viele der Tiere, die bei Claudia Milani-Flohr ankommen, befinden sich in einem schlechten Zustand. Häufig sind sie krank, haben Gewalt erfahren oder wurden komplett verwahrlost aufgefunden. So wie "Calimero", eines ihrer Sorgenkinder. Der Hengst kam vor drei Monaten so abgemagert auf den Hof, dass er kaum Laufen konnte. Eigentlich hatte Claudia einen Aufnahmestopp verhängt, die Kapazitäten reichen einfach nicht mehr, erzählt sie. Die vielen kranken Pferde auf dem Schutzhof machen nicht nur viel Arbeit, sondern stellen auch eine enormen finanzielle Belastung dar.

Über die richtige Ernährung kann man vieles bewirken

Als Claudia die Bilder von Calimero sieht, kann sie trotzdem nicht nein sagen. "So was habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Seine Zähne waren so schlimm, er hatte zwei lange Schneidezähne vorne, rechts und links war alles rausgefault. Er roch fürchterlich aus dem Mund und konnte nichts mehr fressen." Zusammen mit ihrem Tierarzt Thorben Geiger, schaffen sie es Calimero wieder aufzupäppeln. Inzwischen hat er ungefähr das Doppelte an Körpergewicht, kann laufen und spezielle Nahrung fressen. Ähnlich wie beim Menschen, könne man auch bei alten oder kranken Tieren noch viel über die Nahrung erreichen, betont der Tierarzt. "Selbst wenn die Zähne fehlen, wird sich hier gekümmert mit Senioren-Futter, dass sie wirklich zu Kräften und gut durch den Winter kommen."

Die Tiere dürfen das tun, was sie möchten

Das Vertrauen der Tiere zurückzugewinnen, die hier herkommen, sei nicht immer leicht, gerade wenn Claudia nicht weiß, was die Tiere erlebt haben. "Calimero hat es uns am Anfang schon ein bisschen schwer gemacht, weil er eigentlich keine Menschen mehr an sich ranlassen wollte. Aber wir lassen ihm einfach die Zeit." Zuneigung, Geduld, Zeit und gutes Futter ist neben der medizinischen Versorgung das Wichtigste, was sie hier auf dem Schutzhof leisten.

Von der Ponyreitschule zum Schutzhof

Trotz der enormen Arbeitsbelastung auf dem Hof ist Claudia weiterhin berufstätig. Ihre Dienste als Pflegekraft strickt sie so, dass sie ihren Job um die Betreuung der Tiere herum legt. Denn Pläne, einen Schutzhof aufzubauen hatte sie nie. "Das sollte gar nicht so ausarten", erzählt Claudia, "es hat sich einfach so entwickelt." Bevor die Familie Milani-Flohr 2015 nach Schleswig-Holstein zieht, betreiben sie eine Ponyreitschule für Kinder mit Behinderung in Niedersachsen. Ihr allererstes Pony "Donner" ist mit über 20 Jahren heute das älteste Pferd auf dem Schutzhof und bekommt hier sein Gnadenbrot.

Das Nordseeklima ist häufig die letzte Chance für die Tiere

Viele der Pferde auf dem Schutzhof kommen hier her, weil sie an einer chronisch obstruktiven (verengenden) Bronchitis (COB) erkrankt sind. Die tritt häufiger bei Pferden in Stallhaltung auf, wo sie dem Staub von Einstreu und Heu, Ammoniakgasen und Schimmelpilzsporen stetig ausgesetzt sind. Die weniger heißen Sommer, der leichte Wind und das kühlere Nordseeklima sind inzwischen immer häufiger der Grund, dass der Schutzhof Anfragen von Tierärzten aus ganz Deutschland bekommt. Sie inhalieren hier mit den Pferden und wollen als nächstes eine Sole-Kammer auf den Hof stellen. Manchmal können die Pferde nach ein paar Wochen zurück zu ihren Besitzern und für manche ist der Schutzhof die letzte Station.

Der Abschied ist schwer

Der Schutzhof der Familie Milani-Flohr sei auch als Gnadenhof zu verstehen, erzählt Claudia, und damit einhergehe, sich auch immer wieder von Tieren verabschieden zu müssen, wenn diese sterben. "Das ist schwer, aber sie sind nicht alleine. Und damit geben wir uns so ein bisschen unseren Frieden, dass wir sie begleiten in der schwersten Zeit ihres Lebens. So wie man sich als alter Mensch wünscht, dass die Familie bei einem sitzt."

Ohne Unterstützung geht es nicht

Auch wenn Claudia und ihr Mann sich 24 Stunden am Tag um die Tiere kümmern, ganz allein würden sie es nicht schaffen. Mit der Zeit haben sie sich ein helfendes Netzwerk aufgebaut und bekommen regelmäßig Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern. Eine Nachbarin beispielsweise geht zwei bis drei Mal in der Woche mit den Hunden Gassi. Eine Physiotherapeutin kommt regelmäßig vorbei, um die Tiere zu wiegen und Übungen zu machen. Besonders dankbar sind sie über den engen Austausch mit dem Tierarzt Thorben Geiger, der die Tiere, ihre Vorgeschichten und Erkrankungen gut kennt. Das ist nicht nur für die gemeinsame Entwicklung der Therapiepläne wichtig, sondern auch um die Kosten der Behandlungen überschaubar zu halten, denn die tragen die Milani-Flohrs selbst.

Für die Tiere da sein

Die täglichen Hauptarbeiten wie Misten, Abäppeln, Füttern, Medikamentengabe macht das Ehepaar weitestgehend selbst. Das Problem sei, dass ehrenamtliche Helfer häufig mit einer Erwartungshaltung auf den Hof kommen, die hier nicht erfüllt werden könne, so Claudia. "Wir haben immer viele Leute, die hierherkommen, und die haben die Absicht, die Tiere auch zu reiten. Und das steht für uns in keinster Weise auf der Tagesordnung. Die sollen es einfach nur gut haben, mal gebürstet werden, spazieren gehen oder Ähnliches." Auch finanziell seien sie immer auf Spenden angewiesen, bei Sachspenden sei es enorm wichtig vorher nachzufragen, was wirklich gebraucht wird. Am allermeisten helfe es den Tieren, wenn Menschen eine Patenschaft übernehmen.

Tierhaltung heißt Verantwortung übernehmen

Am allermeisten wünscht sich Claudia aber, dass die Tiere gar nicht erst zu ihnen gebracht werden müssten. Erst am Vorabend haben sie eine Kiste mit acht Katzenbabys aufgenommen. Jemand hatte sie in Heide auf der Straße ausgesetzt. Nun füttert Claudia die Babys alle zwei bis drei Stunden mit der Flasche, auch nachts. Wenn man sich für Tiere entscheide, müsse man sich darüber im Klaren sein, dass es auch schwere Zeiten geben kann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 05.10.2024 | 19:30 Uhr

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