VIDEO: Gefahrenlage: Erörterungstermin zur Brennelementefabrik Lingen (20.11.2024) (3 Min)

Rosatom-Einstieg in Lingen? Initiative warnt vor Manipulationen

Stand: 22.11.2024 11:01 Uhr

Darf die Brennelementefabrik in Lingen mit dem russischen Staatskonzern Rosatom kooperieren? Darüber wird heute weiter vor Ort diskutiert. Eine Anti-Atom-Initiative warnt vor möglichen Manipulationen.

Brennelemente aus Lingen könnten zu einer "unkalkulierbaren Gefahr für AKW in ganz Europa" werden, erklärte Bettina Ackermann in einer Mitteilung der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt". Dies sei möglich, weil - im Falle einer genehmigten Kooperation - der russische Staatskonzern Rosatom fertig verschweißte und befüllte Brennstäbe nach Lingen liefern werde, die dort nur noch montiert würden.

Anti-Atom-Initiative: Sprengstoff in Brennstäben?

Manipulationen könnten dabei nicht erkannt werden, warnt die Initiative. "Für den Kreml-Konzern wäre es ein Leichtes, diese Stäbe oder andere Komponenten mit Sprengstoff zu präparieren. Auch bei Eingangskontrollen würden solche Manipulationen nicht entdeckt, sagte Ackermann. Dies sei dabei "nur eines von zahlreichen möglichen Sabotage-Szenarien". Die Politik auf Bundes- und Landeseben müsse daher eine Kooperation verhindern, fordert die Initiative.

Betreiber ANF: Manipulation würden auffallen

Der Betreiber der Brennelementefabrik, ANF, weist die Sprengstoff-Warnungen zurück. So sagte Werkleiter Jürgen Krämer am Donnerstag, dass es am Ende des Fertigungsprozesses ein so ausgeklügeltes Qualitätsmanagement gebe, dass definitiv auffallen würde, wenn Brennelemente mit Sprengstoff oder auf andere Weise manipuliert wären.

Umweltministerium entscheidet über Genehmigung

Bei dem bis heute angesetzten Erörterungstermin mit dem Umweltministerium sollen die Bedenken von Kritikerinnen und Kritikern ausführlich diskutiert werden. Danach will das Ministerium entscheiden, ob die Pläne für die Lingener Fabrik genehmigt werden. Wann genau die Entscheidung fallen soll, ist unklar.

ANF: Kooperation mit amerikanischem Hersteller keine Option

Mitarbeiter von ANF demonstrieren mit Schildern in den Händen. © NDR Foto: Maya Rollberg
Mitarbeitende von ANF stehen am Mittwoch bei einer Kundgebung Atomkraftgegnern gegenüber.

Zum Start des Erörterungstermins am Mittwoch, an dem laut Ministerium 280 Bürgerinnen und Bürger teilnahmen, legte die Tochterfirma von Framatome in Lingen, Advanced Nuclear Fuels (ANF), erste Antworten vor. Den Kritikern zufolge waren diese ausweichend und unzureichend. "Besonders unbefriedigend ist, dass überhaupt nicht ausreichend im Detail geantwortet wird", sagte Bettina Ackermann von "ausgestrahlt" dem NDR Niedersachsen. "Die Kooperation mit Rosatom steht im Vordergrund. Alternativen werden nicht in Betracht gezogen." Eine Kooperation von ANF mit einem amerikanischen Hersteller, der ebenfalls die sechseckigen Brennelemente produziert, die für Atomkraftwerke russischer Bauwerke benötigt werden, ist laut der Firma keine Option. Die alternativen Brennelemente würden nicht genau passen, lautete die Begründung des französischen Konzerns.

Welche Sicherheitsmaßnahmen sollen mit Rosatom bestehen?

Zudem gab ANF am Mittwoch keine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn die Lizenzen zur Produktion für die Brennelemente von russischer Seite auslaufen oder nicht mehr verlängert werden. Ein solches Szenario sei "Teil des betriebswirtschaftlichen Risikos", hieß es vom Unternehmen. Am Donnerstag wurde vor allem darüber diskutiert, welche Sicherheitsmaßnahmen für eine mögliche Kooperation mit Rosatom bestehen sollten.

11.000 Einwendungen gegen Zusammenarbeit

Die Kritiker befürchten Spionage und Sabotage im europäischen Energienetz. Um Brennelemente für russische Atomkraftwerke herstellen zu können, will Framatome mit dem russischen Staatskonzern Rosatom kooperieren. In einem Joint Venture will der französische Konzern Mitarbeiter und Bauteile des russischen Staatskonzerns Rosatom an den Standort seines Tochterunternehmens ANF holen. Die niedersächsische Landesregierung hatte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Unterlagen der Planungen in Lingen öffentlich auslegen lassen. Dagegen sind rund 11.000 Einwendungen eingegangen.

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Umweltminister teilt Sicherheitsbedenken der Kritiker

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) teilt die Sicherheitsbedenken der Kritikerinnen und Kritiker. Eine solche Kooperation sei unverständlich, sagte er am Mittwoch gegenüber NDR Info. "Geschäfte mit dem Kriegstreiber Putin sollten generell und gerade auch im sensiblen Atomsektor nicht gemacht werden", betonte Meyer. Es sei naiv zu glauben, Putin wolle der ANF über die enge Kooperation mit Rosatom lediglich helfen, osteuropäische Staaten unabhängig von Russland zu machen. "Wir stehen klar auf der Seite der Ukraine und sollten nichts tun, was Russlands Einfluss in Europas Energiesektor erhöht", so der Umweltminister. Die Initiative "ausgestrahlt" hat jüngst ein Statement von Oleg Dudar verbreitet. Der Ex-Chef des ukrainischen AKW Saporischschja schilderte darin, wie sich Rosatom an der militärischen Eroberung und Besetzung des AKW Saporischschja beteiligte habe - und dass der russische Konzern bis heute eng mit Geheimdienst und Armee in Russland zusammenarbeite.

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne). © picture alliance/dpa Foto: Moritz Frankenberg
AUDIO: Brennstäbe aus Lingen für Russland? Meyer teilt Sicherheitsbedenken (7 Min)

Fabrik in Lingen nach Atomausstieg nicht mehr ausgelastet?

Bisher werden in Lingen nur die viereckigen Brennelemente für Atomkraftwerke in Westeuropa produziert. Nachdem Deutschland im April vergangenen Jahres seine letzten Atomkraftwerke (AKW) vom Netz genommen hatte, sei die Produktion in Lingen nicht mehr ausgelastet, sagen Kritiker der Brennelementefabrik. Auch deshalb wolle der Betreiber Brennstäbe nach sowjetischer Bauart produzieren. ANF selbst spricht hingegen von einer guten bis sehr guten Auslastung des Werks. Wie Fabrik-Geschäftsführer Andreas Hoff außerdem mitteilte, könnte eine zusätzliche Produktion von sechseckigen Brennelementen für osteuropäische Atomkraftwerke - wie sie zum Beispiel in der Ukraine oder in Finnland stehen - mehr Unabhängigkeit von russischer Produktion bedeuten.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 20.11.2024 | 19:30 Uhr

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